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schenKunst, zu deren ersten und glänzendsten
Vertretern die Brüder van Eyck gehörten. Jan
van Eyck schuf die sitzende Madonna des zum
größten Teile nach Berlin gekommenen Genter
Altares, ein Werk von unvergleichlicher Monu-
mentalität. (Abb. 61.) Meister wiePetrusCristus,
Rogier van derWeyden, HansMemling (Abb. 60)
entwickelten die niederländische Madonnenmalerei
weiter. Memling war ein geborener Madonnen-
maler für das aufrichtige flämische Volksgemüt.
Da liegt eine Atmosphäre heiliger Ruhe und feier-
lichen Ernstes über all
diesen Madonnen aus-
gebreitet, in welchen sich
das stille, tieffromme Ge-
fühl seines Volkscharak-
ters so deutlich wider-
spiegelt. Das Motiv und
die ganze Umgebung ist
in höchster Vollendung
bis ins einzelne durch-
geführt, wie die kostbare
Sammlung seiner be-
rühmtesten Werke — die
das St. Johanneshospi-
tal zu Brügge zusammen-
zuhalten wußte — un-
mittelbar und überzeu-
gend beweist. Auch Ge-
rard David haben wir
schon als hervorragenden
Schilderer des Madon-
nenideals kennen gelernt.
Wir zeigen hier noch eins
seiner besten Werke.
(Abb. 62.) Es gehört
dem Museum zu Rouen
und zeigt die Madonna,
wie sie im Kreise heiliger
Frauen und Jungfrauen
thront und liebliche Engel
ihr die Huldigung der
Töne darbringen. Nicht
von allen Meistern sind
die Namen bekannt: so
zum Beispiel nicht von
jenem, dem wir die schöne,
dem Museum von Aix gehörige Darstellung der
in Wolken thronenden Madonna verdanken, die
von Heiligen und dem Stifter des Bildes ver-
ehrt wird. (Abb. 63.) Jhren Gipfel erreichte die
niederländische Kunst in den überwältigenden
Schöpfungen eines Rubens und van Dyck.
Jn der Renaissance gewann das Marienbild
an äußeren Reizen, verlor aber an innerlicher
Vertiefung, verweltlichte, wurde oft geradezu zu
Bildnissen irgend welcher vornehmen Damen.
Aus dem Verfall erhob sich die Madonnenmalerei
in der Zeit der Romantik. Die Na-
zarener. Friedrich Overbeck an der Spitze,
haben erst wieder Besserung gebracht; sie ver-
banden warmes Gefühl und aufrichtige Hingabe
mit hoher künstlerischer Begabung. Die Kunst
eines Philipp Veit, Joseph von Führich, Edward
von Steinle vermochte das religiöse Bewußtsein
Unzähliger wieder zu wecken, zu nähren, zu er-
freuen, und ihr Einfluß ging über die Grenzen
Deutschlands hinaus,um
in England einen Burne
Jones, in Frankreich
einen Bouguereau, einen
Delaroche, in Belgien
einenJanssens undWan-
te anzufeuern. — Mün-
ch en blieb bis zu unserer
Zeit im Besitze trefflicher
Künstler von starker per-
sönlicher Art; manches
tief christlich gefühlte
Madonnenbild verdanken
wir ihnen. Jn monu-
mentaler und klassischer
Formensprache geben die
Maler der Beuroner
Schule ihren Einge-
bungen Ausdruck.
Eine Blüteperiode frei-
lich durchlebt in unseren
Tagen die Madonnen-
malerei nicht, so wenig
wie die kirchliche Kunst
im allgemeinen. Aber es
wühlt und wirkt und
seufzt ein Drang nach
einem neuen Aufschwung
zum hohen Himmel der
heiligen Kunst der Kir-
che. Ein Läuterungs-
prozeß ist unverkennbar,
er wirkt nicht in Schulen,
sondern in der Eigenart
einzelner Kunstbegnade-
ter, die allenthalben ver-
streut die Hhmnen ihrer Kunst zur Mutter
Gottes emporsteigen lassen. Möchten diese er-
freulichen und stets zahlreicher werdenden Kunst-
erscheinungen, welche wir in unseren Tagen wahr-
nehmen. die Vorgänger eines zukünftigen, hell-
jubelnden „Magnificat" der Malerei sein, von
Begeisterung getragen dahinrauschend über das
unendliche Gebiet der Schönheiten unserer hei-
ligen Religion.
Abb. 6S
Flämische Schule, Madorma <Text uebenan)
Aix, Museum
schenKunst, zu deren ersten und glänzendsten
Vertretern die Brüder van Eyck gehörten. Jan
van Eyck schuf die sitzende Madonna des zum
größten Teile nach Berlin gekommenen Genter
Altares, ein Werk von unvergleichlicher Monu-
mentalität. (Abb. 61.) Meister wiePetrusCristus,
Rogier van derWeyden, HansMemling (Abb. 60)
entwickelten die niederländische Madonnenmalerei
weiter. Memling war ein geborener Madonnen-
maler für das aufrichtige flämische Volksgemüt.
Da liegt eine Atmosphäre heiliger Ruhe und feier-
lichen Ernstes über all
diesen Madonnen aus-
gebreitet, in welchen sich
das stille, tieffromme Ge-
fühl seines Volkscharak-
ters so deutlich wider-
spiegelt. Das Motiv und
die ganze Umgebung ist
in höchster Vollendung
bis ins einzelne durch-
geführt, wie die kostbare
Sammlung seiner be-
rühmtesten Werke — die
das St. Johanneshospi-
tal zu Brügge zusammen-
zuhalten wußte — un-
mittelbar und überzeu-
gend beweist. Auch Ge-
rard David haben wir
schon als hervorragenden
Schilderer des Madon-
nenideals kennen gelernt.
Wir zeigen hier noch eins
seiner besten Werke.
(Abb. 62.) Es gehört
dem Museum zu Rouen
und zeigt die Madonna,
wie sie im Kreise heiliger
Frauen und Jungfrauen
thront und liebliche Engel
ihr die Huldigung der
Töne darbringen. Nicht
von allen Meistern sind
die Namen bekannt: so
zum Beispiel nicht von
jenem, dem wir die schöne,
dem Museum von Aix gehörige Darstellung der
in Wolken thronenden Madonna verdanken, die
von Heiligen und dem Stifter des Bildes ver-
ehrt wird. (Abb. 63.) Jhren Gipfel erreichte die
niederländische Kunst in den überwältigenden
Schöpfungen eines Rubens und van Dyck.
Jn der Renaissance gewann das Marienbild
an äußeren Reizen, verlor aber an innerlicher
Vertiefung, verweltlichte, wurde oft geradezu zu
Bildnissen irgend welcher vornehmen Damen.
Aus dem Verfall erhob sich die Madonnenmalerei
in der Zeit der Romantik. Die Na-
zarener. Friedrich Overbeck an der Spitze,
haben erst wieder Besserung gebracht; sie ver-
banden warmes Gefühl und aufrichtige Hingabe
mit hoher künstlerischer Begabung. Die Kunst
eines Philipp Veit, Joseph von Führich, Edward
von Steinle vermochte das religiöse Bewußtsein
Unzähliger wieder zu wecken, zu nähren, zu er-
freuen, und ihr Einfluß ging über die Grenzen
Deutschlands hinaus,um
in England einen Burne
Jones, in Frankreich
einen Bouguereau, einen
Delaroche, in Belgien
einenJanssens undWan-
te anzufeuern. — Mün-
ch en blieb bis zu unserer
Zeit im Besitze trefflicher
Künstler von starker per-
sönlicher Art; manches
tief christlich gefühlte
Madonnenbild verdanken
wir ihnen. Jn monu-
mentaler und klassischer
Formensprache geben die
Maler der Beuroner
Schule ihren Einge-
bungen Ausdruck.
Eine Blüteperiode frei-
lich durchlebt in unseren
Tagen die Madonnen-
malerei nicht, so wenig
wie die kirchliche Kunst
im allgemeinen. Aber es
wühlt und wirkt und
seufzt ein Drang nach
einem neuen Aufschwung
zum hohen Himmel der
heiligen Kunst der Kir-
che. Ein Läuterungs-
prozeß ist unverkennbar,
er wirkt nicht in Schulen,
sondern in der Eigenart
einzelner Kunstbegnade-
ter, die allenthalben ver-
streut die Hhmnen ihrer Kunst zur Mutter
Gottes emporsteigen lassen. Möchten diese er-
freulichen und stets zahlreicher werdenden Kunst-
erscheinungen, welche wir in unseren Tagen wahr-
nehmen. die Vorgänger eines zukünftigen, hell-
jubelnden „Magnificat" der Malerei sein, von
Begeisterung getragen dahinrauschend über das
unendliche Gebiet der Schönheiten unserer hei-
ligen Religion.
Abb. 6S
Flämische Schule, Madorma <Text uebenan)
Aix, Museum