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Abb. 3 (Text S. 16) Chiistus hcilt dcn Lahmen Phot. F. Bruclinann
Leben und Lharakteristik.
ür einen großen Künstler ist es ein
fragwürdiges Los, im Schatten eines
noch größeren wandeln zu müssen,
auch wenn die Arbeiten des letzteren
das Schasfen des ersteren noch so sehr
befruchten. So aber liegt das Verhältnis zwischen
van Dyck und Rubens, dem glänzenden Doppel-
gestirn am Himmel flä-
mischer Kunst. Die
Leuchtkraft des Rubens-
sternes, aus eigenem in-
dioiduellem Licht ent-
flammend, strahlt doch
ungleich intensiver und
erwärmender als jene
des Sterns van Dycks,
dessen freundliches mil-
des Licht erst anderwärts
entzündet iverden muß.
Wohl mag es unter kunst-
liebenden Laien viele ge-
ben, welchen die sanfte
lyrische Tonart van
Dycks mehr zusagt als
das kräftige dramatische
„Forte" des Rubens, das
sind Geschmacksachen,
über die sich nicht streiten
läßt, aber vom Stand-
punkt genialen Kunst-
schasfens aus betrachtet,
geben auch Max Rooses
und Wilhelm von Bode,
Kunstforscher, welche die
Qualitäten van Dycks
besonders hoch einschätzen, — weit höher als fast
alle anderen Fachkollegen — die überragendere
Begabung, die unbestreitbare Ilberlegenheit eines
Rubens zu.
Gegenüber einer möglichen Ilberschätzung, weil
sich die Kunst van Dycks äußerlich so überaus
gefällig und vornehm darbietet, muß aber auch
vordem entgegengesetzten
Extrem gewarnt werden,
das in der Kunst van
Dycks lediglich Kopie,
Flüchtigkeit, mangelnde
Tiefe, wie überhaupt den
Ausfluß von Manieris-
mus erkennen will. Die
offenbare künstlerische
AbhängigkeitvonRubens
brachte van Dyck zuvör-
derst in solchen Ruf. Das
heißt aber denn doch für
das große persönliche
Talent van Dycks blind
sein. Der Eigenheit der
Kunst van Dycks wird
man am ehesten gerecht,
wenn man ihr Verhält-
nis zu jener des Rubens
ganz klar sieht. Ver-
suchenwir zunächst solche
Klarheit zu gewinnen.
Waren die beiden slä-
mischen Meister auch aus
ähnlichen Verhältnissen
hervorgegangen, in der
gleichenÄtmosphäre groß
Abb. 4 (Text S. 26) Phot. F. Bructniann
Dcr Evangelist JohanncL und JohanncL dcr Tüuser
Abb. 3 (Text S. 16) Chiistus hcilt dcn Lahmen Phot. F. Bruclinann
Leben und Lharakteristik.
ür einen großen Künstler ist es ein
fragwürdiges Los, im Schatten eines
noch größeren wandeln zu müssen,
auch wenn die Arbeiten des letzteren
das Schasfen des ersteren noch so sehr
befruchten. So aber liegt das Verhältnis zwischen
van Dyck und Rubens, dem glänzenden Doppel-
gestirn am Himmel flä-
mischer Kunst. Die
Leuchtkraft des Rubens-
sternes, aus eigenem in-
dioiduellem Licht ent-
flammend, strahlt doch
ungleich intensiver und
erwärmender als jene
des Sterns van Dycks,
dessen freundliches mil-
des Licht erst anderwärts
entzündet iverden muß.
Wohl mag es unter kunst-
liebenden Laien viele ge-
ben, welchen die sanfte
lyrische Tonart van
Dycks mehr zusagt als
das kräftige dramatische
„Forte" des Rubens, das
sind Geschmacksachen,
über die sich nicht streiten
läßt, aber vom Stand-
punkt genialen Kunst-
schasfens aus betrachtet,
geben auch Max Rooses
und Wilhelm von Bode,
Kunstforscher, welche die
Qualitäten van Dycks
besonders hoch einschätzen, — weit höher als fast
alle anderen Fachkollegen — die überragendere
Begabung, die unbestreitbare Ilberlegenheit eines
Rubens zu.
Gegenüber einer möglichen Ilberschätzung, weil
sich die Kunst van Dycks äußerlich so überaus
gefällig und vornehm darbietet, muß aber auch
vordem entgegengesetzten
Extrem gewarnt werden,
das in der Kunst van
Dycks lediglich Kopie,
Flüchtigkeit, mangelnde
Tiefe, wie überhaupt den
Ausfluß von Manieris-
mus erkennen will. Die
offenbare künstlerische
AbhängigkeitvonRubens
brachte van Dyck zuvör-
derst in solchen Ruf. Das
heißt aber denn doch für
das große persönliche
Talent van Dycks blind
sein. Der Eigenheit der
Kunst van Dycks wird
man am ehesten gerecht,
wenn man ihr Verhält-
nis zu jener des Rubens
ganz klar sieht. Ver-
suchenwir zunächst solche
Klarheit zu gewinnen.
Waren die beiden slä-
mischen Meister auch aus
ähnlichen Verhältnissen
hervorgegangen, in der
gleichenÄtmosphäre groß
Abb. 4 (Text S. 26) Phot. F. Bructniann
Dcr Evangelist JohanncL und JohanncL dcr Tüuser