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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Rothes, Walter: Anton van Dyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0087
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Abb. 14 (Text S. 211

Die Madonna mii dcm Kinde und cinem Stister

Leuchten des südlichen Himmels umsonnten Gipfel
seines Schaffens.

Nicht ganz auf die gleiche lichte Höhe, die seine
Bildnismalerei hier erreichte, vermochte das an-
gestaunte Vorbild die religiösen Schöpfungen
van Dycks zu bringen. Daß eine verständnis-
voll nachgeahmte und virtuos gemalte Madonna
noch längst nicht jener Gottesmutter, reinsten
Jungfrau und Himmelskönigin gleicht, die heilige
visionäre Jnbrunst selbsttätig schuf, das beweisen
gerade die Mariendarstellungen van Dycks. Er
konnte Tizians „Madonna der Familie Pesaro"
ihre Stellung vor der Säule, anmutige Bewegungs-
kontraste und vielleicht die reife Majestät der
Formen absehen, — aber wie der hohe Genius
Tizians diese glücklichen Motive zu einer un-
vergleichlichen Einheit erhob, diese individuelle
Tat läßt sich nicht lernen, nicht kopieren. Van
Dycks Madonnen und Heilige haben sich an den
italienischen Vorbildern vervollkommnet; sie sind

mit vollendeter Kunst ge-
schaffen, voller Anmut
und Grazie und werden in
der Geschichte der Kunst-
gestaltung allzeit einen
Ehrenplatz behaupten,
aber das innerlich Große,
eigenmächtig Empfundene
und der Schöpfung also
Eingeprägte fehlt ihnen.
Das wird bei allem künst-
lerischen und sentimenta-
len Schwung, der aber
zu leicht zur äußerlichen,
stereotypen Pose wird, die
religiösen Schöpfungen
eines van Dyck von jenen
eines Tizian wie auch
von jenen seines großen
Landsmannes Rubens
allzeit unterscheiden.

Jmmerhin sind van
Dycks religiöse Bilder an
künstlerischer Qualität
reich, und wir dürfen in
einem gesonderten Ab-
schnitt die zahlreichen
Proben der kirchlichen
Kunst van Dycks, die er
bei einem späteren Auf-
enthalt in Antwerpen als
Nachfolger des heimge-
gangenen Rubens auf
Bestellung anzufertigen
hatte, mit Genuß verfol-
gen. Bildnismalerei, die
ihm seine ureigentliche
Begabung nahelegte, Kir-
chenmalerei, die örtliche
und zeitliche Umstände
Ph°t. F. Bru-tmann von ihm fvrderten — auf
diesen beiden Stoffgebie-
ten erschöpfte sich seine
künstlerische Tätigkeit fast ausschließlich. Die we-
nigen mythologischen und allegorischen Bilder, die
paar Darstellungen aus Sage und Geschichte, die
vereinzelten Stilleben und Tierstücke geben sich
als Versuche, als Gelegenheitsstücke, die in seinem
künstlerischen Gesamtwerk so gut wie keine Rolle
spielen. Vor allem finden wir in diesen Stücken
am wenigsten Ausdruck eigener künstlerischer
Persönlichkeit. So sucht in seinen frühen mytho-
logischen und allegorischen Versuchen der zart-
besaitete Rubensschüler die urwüchsige Kraft des
Lehrmeisters nachzuahmen, so in seinen Bildern
„Dädalus und Jkarus" (England, Althorp-
Haus, Graf Spencer, Abb. 25) „Der trunkene
Silen" (Galerie zu Brüssel und Dresden),
„Nymphen von Satyrn überrascht" (Kaiser-
Friedrich-Museum zu Berlin). Jn van Dycks
späterer Zeit aber erscheinensie als Nachahmungen
italienischer Vorbilder etwa einesCorreggio, eines
Giorgione, eines Tizian, so „Amor mit Blumen"

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