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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Rothes, Walter: Anton van Dyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0089
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Abb. 17 <Tc;t S. 12i Phot. F. Biuctmann

Engelreigen. Teilskizze zur Ruhe auf der Flucht riach Ägypten

lyrische künstlerische Sonderart sich eignete, denn
selbst diese Kopien nach Rubensschen Skizzen mußte
der Lehrmeister wieder mit eigenhändigem Pinsel
derartig überfahren, datz von der künstlerischen
Handschrift van Dycks kaum noch etivas übrig
blieb. Daher dürfen diese Bilder, die jetzt in der
Liechtensteinscheu Galerie zu Wien sind und als
Vorlagen für Wandteppiche diencn sollten, nur
unter dem Namen Nubens gehen. Namentlich
das letzte, kriegerischste
Stückder Folge „Schlacht
und Tod dcs Konsuls"
ist ein so offenbarer,
so ausschlietzlicher „Nu-
bens", datz, falls sich van
Dyck überhaupt an diese
„Schlacht" magte, nach
der abermaligen Uberar-
beitung durch Rubens
keine Linie, kein Pinsel-
strich, der sichtbar ist, auf
van Dyck mehr zurück-
geht. Nicht von der Hand
zu weisen ist aber auch
die Annahme, daß der
Zyklus in der Liechten-
steinschen Galerie die Ru-
bensschen Originale sind,
die er in einem seiner
Briefe an Dudley Carle-
ton, mit dem er wegen des
Austausches einer Reihe
hervorragender Bilder
seiner Hand gegen eine
Sammlung von antiken
Marmorbildwerken in

Unterhandlung stand, bei
dieser Gelegenheit „außeror-
dentlich prächlige Kartons"
nannte, während die unter
weitgehender Mithilfe van
Dycks angefertigten und nach-
hcr noch einmal von Rubens
übermalten Kopien jene Wie-
derholungen der Gemälde des
genannten Zyklus sind, die
auf Versteigerungen der zwei-
ten Hälfte des 18. Jahrhun-
derts mehrfach auftauchen
und, soweit nicht verschollen,
in verschiedentlichem Privat-
besitz jetzt zerstreut sind.

Van Dyck, ein Künstler von
leichter, behender Auffassung,
von größter Anpassungsfähig-
keit, von slinkster, geschicktester
Hand, war an Werken außer-
ordentlich fruchtbar. Obwohl
der Vteister nur ein Alter von
42 Jahren erreichte, dürfte
die Zahl seiner Gemälde, für
die er verantwortlich zu zeichnen hätte, die Ziffer
Tausend, vielleicht sogar um eiu Beträchtliches,
überschreiten. Ein wahrer Arbeitsfuror hetzte den
jungen Künstler zeit seines Lebens von Gemälde
zu Gemälde. Jn Genua allein, wo van Dyck eine
Zeitlang tätig war, zählte man noch im Jahre
1780, als doch eine ganze Anzahl Werke dieses
Malers schon von dort ins Ausland gewandert
oder daselbst zugrunde gegangen waren, 99 Ge-

mälde van Dycks und cha-
raktcristischerweise dar-
unter allein 72 Porträts.

Von dem Grade der
tatsächlichen Begabung
eines Künstlers, von dem
Bestand seines techni-
schen Könnens werden
immerdieZeichnungen,
seien es völlig ausgeführte
oder Skizzen, am schla-
gendsten Zeugnis ablegen
können. Das gilt auch für
den Maler, der behauptet,
die Farbe sei das haupt-
sächlichste Ausdrucksmit-
tel seiner Kunst. Das ist
z. B. ein ausgezeichneter
Maßstab für die Bewer-
tung modernster „Jm-
pressionisten" und „Ex-
pressionisten". Man ver-
tiefe sich in ihreZeichnun-
gen. Haben sie uns be-
wiesen, daß sie zeichnen
können, dann haben sie
cinRechhernstgenommen

Abb. 18 (Tert S. 12) Kopf eines Kindes

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