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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Rothes, Walter: Anton van Dyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0090
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12

zu werden, wenn sie uns ver-
sichern, daß sie in ihren Malereien
aus diesem oder jenem Grunde
auf eine ins kleinste gehende ge-
naue Zeichnung in allen Teilen
absichtlich verzichten. Van Dyck,
der Meister der Farbe, der die
zeichnenden Künste, die Graphik,
als Endzweck für sich niemals in
Betracht kommen ließ, war ein
vorzüglicher, höchst gewandter,
perfekter Zeichner. (Abb. 10, 17,

18, 54bis56.) Sein italienisches
Skizzenbuch, dessen Besitz heute
den Herzog von Devonshire zu
Chatsworth erfreut, beweist das
vor allem. Wie van Dyck hierin
die Schöpfungen bedeutender Jta-
liener mit wenigen, oft rapiden
und doch immer ausdrucksvollen
Federzügen nachgezeichnet hat, das
läßt uns ein hervorragendes
zeichnerisches Talent unbestreit-
bar erkennen, zugleich, daß des
jungen flämischen Künstlers Blick
nicht durch ästhetische Brillen am
unbefangenen Sehen verhindert
war. Er zeichnete die aldo-
brandinische Hochzeit, zeichnete
nach Raffael, aber auch nach sei-
nem Landsmann Brueghel und
nach Dürer. Den größten Teil
des Buches jedoch füllen Blätter
nach Werken der großen Vene-
zianer des Cinquecento von Gior-
gione bis Tizian, Paolo Veronese,

Tintoretto. Und was van Dyck
zeichnet, das zeichnet er mit Verve,
mit Schwung, mit nie fehlender Geschicklichkeit;
er weiß in jedemFalle das Wesentliche zu erkennen,
festzuhalten und zu betonen. Auch Flächenver-
teilung, Raumverwertung, Färbung. Ton merkt
er sich richtig und genau. Ein paar treffende
erläuternde Notizen präzisieren noch aus diesem
oder jenem Blatt des Skizzenbuchs die charak-
teristische Schwarzweiß- oder Buntzeichnung.

Die Kunst van Dycks ist ein Spiegelbild seines
Lebens. Der ganze Mensch van Dyck liegt in
seiner Kunst: DasJntelligente, das Schwungvolle,
das Vornehme, das Zarte, das Verweichlichte,
das llnstete, das Ilnselbständige, das Flatterhaste,
das Leichtlebige. Jn so hohem Maße wie nur bei
wenigen andern Künstlern bilden Lebensführung
und Kunstcharakter bei van Dyck eine Einheit.

Anton (flämisch: Anthonis) van Dyck, geboren
zu Antwerpen am 22. März 1599, stammte aus
einer künstlerisch veranlagten Kaufmannsfamilie.
Der begüterte Vater Franz van Dyck soll vorher
Glasmaler gewesen sein. Maria Cuypers, die

Abb. (Text S. 23»
Die

Phot. F. Bruckinann

Gottcsmutter erscheint dcm seligen Hermann Joscph

Mutter Antons, die diesem als 7. unter 12 Ge-
schwistern das Leben schenkte, besaß Ruf wegen
ihrer ausgezeichneten Stickereien. Die elemen-
tarsten künstlerischen Anfangsgründe dürfte unser
Meister von ihr empsangen haben. Dann über-
nahm Hendrik van Balen den Ilnterricht. Von
der philiströsen Manier dieses Pedanten loszu-
kommen und in das berühmte Atelier des Rubens
eintreten zu dürsen, galt Antons ganzes Streben.
Die milden und doch lebhaften Augen des sein-
fühligen hübschen Knaben (Abb. 31), seine an-
schmiegendeArt, seineBegabung, seineBegeisterung
für den Lehrmeister hatten es Rubens bald angetan.
Anton van Dyck wurde nicht nur Lieblingsschüler
und bevorzugter Gehilfe des Peter Paul Rubens,
sondern auch dessen Haus- und Tischgenosse.
Solches innige Verhältnis zwischen den beiden
großen Flamen bestand hauptsächlich in den Jahren
1618 bis 1620. Bereits im Februar 1618 war
der junge van Dyck in die Antwerpener Maler-
gilde vom heiligen Lukas aufgenommen worden.
Die gefälligen Frühwerke des begabten Rubens-
schülers erregten Aufmerksamkeit. Ilnd schon im
Sommer 1620 bemühte sich der britische Mäzen
Thomas Howard, Graf von Arundcl, den jungen
 
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