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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Rothes, Walter: Anton van Dyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0094
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16

kostbares Leben rettete; am 9. Dezember 1641,
am gleichen Tage, als seine acht Tage vor-
her geborene Tochter getauft wurde, hauchte
Anton van Dyck sein unruhiges, hochstrebendes

Leben aus, 42 Jahre und ll'/z Monate alt.
Das Ehrengrab, das sein königlicher Gönner
Karl I. ihm errichten ließ, siel einer Feuersbrunst
zum Opfer.

Die kirchliche Aunst des Knton van Dyck.

Die Religionskämpfe, welche in den Nieder-
landender Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts
folgten, der endgültige Abfall des weitaus größten
Teils Hollands von Rom, die Wiedergewinnung
der flämischen Provinzen für den Katholizismus
durch denJesuitenorden
blieben auf die Kunst-
entwicklung in den Nie-
derlanden nicht ohne
Einfluß; sie veranlaßten
eine völlige Zweitei-
lung derselben. Jn Bel-
gien blieb die Kirche
nach wie vor die haupt-
sächlichste Auftraggebe-
rin. Altarbilder aber
verlangen einen monu-
mentalen Stil. Ilnd so
kann es uns nicht wun-
dernehmen, daß gerade
die Kunst der beiden be-
deutendsten slämischen
Meister Rubens und van
Tchck in erster Linie
eine Monumentalkunst
geworden ist. Dabei
schliefdieniederländische
Neigung zum Jntimen,
zum Genre keineswegs.

Die Sittenmalerei der
Teniers, Breughel, eines
Adriaen Brouwer geht
neben der Monumental-
malerei der großen
Meister nebenher. Aber
während in Holland,
wo derProtestantismus
die Malerei aus den Kirchen vertrieb, solche
Kleinkunst alle vorhandene künstlerische Kraft
aufsaugen mußte, weil größere Aufgaben, wie
in Flandern, von Kirchen und Fürsten eben
nicht gestellt wurden; wührend in Holland das
wohlhabende Bürgertum für die Wandflächen
seiner Salons gelegentlich Bilder kaufte und so
wenigstens den völligen Ruin der Kunst in Hol-
land verhinderte, konnten die slämischen Künstler
den Monumentalaufträgen, die ihnen sortgesetzt
zugingen, trotz schier unglaublicher Arbeitskraft
und sast übermäßiger Gesellenhilfe kaum allen
entsprechen. Rubens und van Dyck erwarben
sich Reichtümer, Rembrandt starb im Elende.

Für den allseitigen Rubens war die religiöse
Kunst mindestens so wesentlich wie irgendein
anderer Zweig der Malerei. Etwas anders liegt

der Fall bei van Dpck. Dieser Künstler war aus-
gesprochen in erster Linie Porträtist. Und so
kommt sein überhaupt nicht künstlerisch allzu-
scharf ausgeprägtes Jndividuelles im Kirchenbild
noch weniger zur Geltung als im Porträt. Er

ist im Kirchenbild noch
weit abhängiger von
fremden Mustern, zu-
nächst von seinem Lehr-
meister Rubens, dann,
seit seiner Jtalienreise,
von denJtalienern. Mit
dem ureigensten Emp-
finden van Dpcks da-
gegenmageszusammen-
hängen, daß ein Ge-
fühlsmäßiges, Senti-
mentales sich in seinen
religiösen Gemälden
sehr vordrängt. Von
solcher Stimmung ist
wiederum die Wahl
der Themen beeinslußt,
welche die Passion des
Herrn und vor allem
d en gekreuzigten Heiland
bevorzugt erscheinen
läßt.

stellung, wie der Lahme des Evangeliums
vom Heiland die Heilung ersleht (Abb. 3).
Die gewährende Milde in der Physiognomie
des Gottessohnes sowie in seinen Handbewegun-
gen kommt ebenso wie die Bedürftigkeit und
das unerschütterliche Vertrauen des Lahmen
prächtig zum Ausdruck. Der anwesende Lieblings-
jünger Johannes trägt einen überaus edel mo-
dellierten typischen Römerkopf. Jm Gesichte der
anwesenden vierten Gestalt, im Hintergrunde
links, bricht die Neugierde, ob der Heiland helfen
werde, augenscheinlich hervor. Eine Toten-
erweckung, die Auferweckung des Lazarus, gibt ein
Bild der Pinakothek zu Turin. Das Gemälde
steht noch völlig unter dem Einfluß des Rubens,
die markige Gestalt des erstehenden Lazarus,
seine kräftigen Schwestern und ebenso die anderen

Abb. 25 <Text S. g) Dädalus und Jkarus Phot. F. Bruckmann
Jm Besitze des Grafeu Spencer, Althorp-Haus

NurwemgeBilderbe-
handeln das dem Leiden
vorhergehendeLebendes
Erlösers in der Öffent-
lichkeit. Jm Bucking-
hampalast zu London
ist eine recht gute,
selbständig empfundene
und komponierte Dar-
 
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