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lag selbst der Unterschied zwischen van Dycks
und der gewiß auch adeligen Porträtmalerei des
Rubens, dessen temperamentvolle eigenmächtige
Persönlichkeit aber solche Scheu vor dem Modell
nicht kannte, solche Rücksicht auf dasselbe nicht
nahm. Des weiteren kennzeichnet van Dycks
Bildnisse eine gewisse Gleichmäßigkeit, anfänglich
selbst Nüchternheit der Anordnung. Unser Maler
stellt seine Modelle vor eine einfache dunkle Wand
oder vor einen farbigen Vorhang, der vor eine
Säule gerafft ist. Das meist dunkle Kostüm
pflegt mit slottem Strich und, Rubens gegenüber,
auffallend handwerksmäßig hingepinselt zu sein.
Die Personen sind fast durchweg stehend und in
Dreiviertelsansicht gegeben. Die Haltung ist un-
gesucht, aber oft auch ausdrucksleer. Die Art,
wie die Hand der Männer gern die Finger spreizt
und krümmt, die herabhängende Hand bei Frauen
leblos in spitzen Fingern ausläuft oder im Schatten
versteckt ist, wirkt gelegentlich recht unerfreulich,
während im allgemeinen die Sprache der Hände
und Finger bei van Dycks Personen eine größte
Rolle spielt, so groß, daß nur wenige andere
Bildnismaler in dieser Spezialität ihm gleich-
kommen, geschweige denn ihn übertreffen. Man
wird dann gar an Lionardo da Vinci erinnert
und an die überragende Bedeutung, die das
Spiel der Hände z. B. in dessen „Abendmahl" hat.
Besonders seit seinem italienischen
Aufenthalt, nachdem van Dyck von
den Geheimnissen Tizians und der
großenJtaliener insich aufgenommen
hat, werden unseres Meisters Bild-
nisse von immer größerem Zauber in
Anordnung, Zeichnung und Kolorit.
Sehr charakteristisch sind fürvanDyck
die außerordentliche Helligkeit und
Leuchtkraft der Fleischfarbe, die
warmen fast gleichmäßig blauen
Lichter und die kühlen grauen
Schatten, die in der größten Dunkel-
heit oft fast schwarz werden, wäh-
rend Rubens Fleischfarbe gleichzeitig
die bläulichen Halbtöne, bräunlichen
Schatten und rötlichen Lichter zeigt.
Und während Rubens in den
Schatten: zwischen den Fingern, im
Mund, in der Ohrmuschel u. s. f.
zur Auflichtung gern einen roten
Reflexton aussetzt, finden wir bei
van Dyck an der gleichen Stelle oft
einen undurchsichtigen tiefschwarzen
Strich. Die Lichtwirkung ist bei
van Dyck noch intensiver, das Hell-
dunkel ist wesentlich tieser gestimmt.
Endlich erhöht auch die nervöse Reiz-
barkeit, die unser Künstler seinen
Gestalten verleiht, die Lebendigkeit
seiner Bildnisse in pikanter Weise.
Die Porträtdarstellungen, die
unser jugendlicher Künstler in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit geschaffen
hat, zählen nach vielen Hunderten,
grenztenvielleichtandasTausend. EineSchaffens-
lust und eine Schaffenskraft bewies er in solcher
künstlerischer Betätigung seiner Hauptneigung,
wie sie wohl in der Jugendgeschichte großer
Künstler einzig dastehen. Kaum einer der rou-
tiniertesten Schnellmaler hat auf der Höhe seiner
Tätigkeit Gleiches geleistet. Kein Wunder, daß
van Dyck im Porträtieren sich eine ungemeine
Fertigkeit und Vollendung erwarb, kein Wunder
aber auch, daß diese vorzüglichen Eigenschaften
in des Meisters letzterSchaffensperiode zur Manier
ausarteten.
Die vornehme Auffassung, die veredelnde,
„schmeichelnde" Art zu porträtieren sicherte dem
van Dyck die glänzendsten Erfolge, zumal in
adeligstenundreichstenKreisen. Oberin Flandern,
ob in Jtalien, ob in England tätig war, man
riß sich um ihn, die Aufträge regneten nur so,
bis zuletzt als Folge solchen Verwöhnens seine
Preise unerschwinglich wurden und dann Hoch-
mut vor dem Fall kam. Jn van Dycks Porträt-
kunst wird bei gutem künstlerischem Festhalten
wesentlicher Erscheinungszüge jedes Modell zum
vollendeten Edelmann bezw. zu solcher Edeldame.
Solche Auffassung gefiel. Stellen wir neben-
einander, wie der größte spanische Bildnismaler
Velazquez und der größte flämische Bildnismaler
van Dyck je einen Bildhaner malten, ersterer
Abb. 44 <Tcxt S. 3b> Fiirst Rhodokanakis-Giustiniani Phot. Franz Hanfstaengl
lag selbst der Unterschied zwischen van Dycks
und der gewiß auch adeligen Porträtmalerei des
Rubens, dessen temperamentvolle eigenmächtige
Persönlichkeit aber solche Scheu vor dem Modell
nicht kannte, solche Rücksicht auf dasselbe nicht
nahm. Des weiteren kennzeichnet van Dycks
Bildnisse eine gewisse Gleichmäßigkeit, anfänglich
selbst Nüchternheit der Anordnung. Unser Maler
stellt seine Modelle vor eine einfache dunkle Wand
oder vor einen farbigen Vorhang, der vor eine
Säule gerafft ist. Das meist dunkle Kostüm
pflegt mit slottem Strich und, Rubens gegenüber,
auffallend handwerksmäßig hingepinselt zu sein.
Die Personen sind fast durchweg stehend und in
Dreiviertelsansicht gegeben. Die Haltung ist un-
gesucht, aber oft auch ausdrucksleer. Die Art,
wie die Hand der Männer gern die Finger spreizt
und krümmt, die herabhängende Hand bei Frauen
leblos in spitzen Fingern ausläuft oder im Schatten
versteckt ist, wirkt gelegentlich recht unerfreulich,
während im allgemeinen die Sprache der Hände
und Finger bei van Dycks Personen eine größte
Rolle spielt, so groß, daß nur wenige andere
Bildnismaler in dieser Spezialität ihm gleich-
kommen, geschweige denn ihn übertreffen. Man
wird dann gar an Lionardo da Vinci erinnert
und an die überragende Bedeutung, die das
Spiel der Hände z. B. in dessen „Abendmahl" hat.
Besonders seit seinem italienischen
Aufenthalt, nachdem van Dyck von
den Geheimnissen Tizians und der
großenJtaliener insich aufgenommen
hat, werden unseres Meisters Bild-
nisse von immer größerem Zauber in
Anordnung, Zeichnung und Kolorit.
Sehr charakteristisch sind fürvanDyck
die außerordentliche Helligkeit und
Leuchtkraft der Fleischfarbe, die
warmen fast gleichmäßig blauen
Lichter und die kühlen grauen
Schatten, die in der größten Dunkel-
heit oft fast schwarz werden, wäh-
rend Rubens Fleischfarbe gleichzeitig
die bläulichen Halbtöne, bräunlichen
Schatten und rötlichen Lichter zeigt.
Und während Rubens in den
Schatten: zwischen den Fingern, im
Mund, in der Ohrmuschel u. s. f.
zur Auflichtung gern einen roten
Reflexton aussetzt, finden wir bei
van Dyck an der gleichen Stelle oft
einen undurchsichtigen tiefschwarzen
Strich. Die Lichtwirkung ist bei
van Dyck noch intensiver, das Hell-
dunkel ist wesentlich tieser gestimmt.
Endlich erhöht auch die nervöse Reiz-
barkeit, die unser Künstler seinen
Gestalten verleiht, die Lebendigkeit
seiner Bildnisse in pikanter Weise.
Die Porträtdarstellungen, die
unser jugendlicher Künstler in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit geschaffen
hat, zählen nach vielen Hunderten,
grenztenvielleichtandasTausend. EineSchaffens-
lust und eine Schaffenskraft bewies er in solcher
künstlerischer Betätigung seiner Hauptneigung,
wie sie wohl in der Jugendgeschichte großer
Künstler einzig dastehen. Kaum einer der rou-
tiniertesten Schnellmaler hat auf der Höhe seiner
Tätigkeit Gleiches geleistet. Kein Wunder, daß
van Dyck im Porträtieren sich eine ungemeine
Fertigkeit und Vollendung erwarb, kein Wunder
aber auch, daß diese vorzüglichen Eigenschaften
in des Meisters letzterSchaffensperiode zur Manier
ausarteten.
Die vornehme Auffassung, die veredelnde,
„schmeichelnde" Art zu porträtieren sicherte dem
van Dyck die glänzendsten Erfolge, zumal in
adeligstenundreichstenKreisen. Oberin Flandern,
ob in Jtalien, ob in England tätig war, man
riß sich um ihn, die Aufträge regneten nur so,
bis zuletzt als Folge solchen Verwöhnens seine
Preise unerschwinglich wurden und dann Hoch-
mut vor dem Fall kam. Jn van Dycks Porträt-
kunst wird bei gutem künstlerischem Festhalten
wesentlicher Erscheinungszüge jedes Modell zum
vollendeten Edelmann bezw. zu solcher Edeldame.
Solche Auffassung gefiel. Stellen wir neben-
einander, wie der größte spanische Bildnismaler
Velazquez und der größte flämische Bildnismaler
van Dyck je einen Bildhaner malten, ersterer
Abb. 44 <Tcxt S. 3b> Fiirst Rhodokanakis-Giustiniani Phot. Franz Hanfstaengl