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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Rothes, Walter: Anton van Dyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0108
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kümmerte sich irr dem Sinne gar
nicht um die Persönlichkeit des
zu Malenden im einzelnen, son-
dern ging von allgemeinen Vor-
stellungen, wie Noblesse, Liebens-
würdigkeit, Anmut usw. aus, von
Abstraktionen, welchen das Be-
sondere des Modells untergeord-
net wurde.

Den Wesensunterschied nicht
nur der Persönlichkeit des Rubens
und des van Dyck sondern in-
sonderheit auch ihrer Porträt-
kunst kann man vielleicht treffend
so sassen, daß ersterer die männ-
liche, letzterer die weibliche Seite
der flämischen Bildnismalerei
darstellt, einerlei, Angehörige
welchen Geschlechts beide Künstler
gerade porträtieren; auch des
Rubens weibliche Modelle schwel-
gen gern in gleichsam männlicher
Kraft, auch van Dycks männliche
Modelle zeigen mit Vorliebe einen
weiblichen Zug. Anmut, Eleganz,

Vornehmheit, Grazie, prächtige
Kleidung, auf diese weiblichen
Eigenschaften ist bei van Dpcks
männlichen Bildnissen (Abb. 28
bis3I, 36, 37, 40 und 44 bis 47)
augenscheinlich höchster Wert ge-
legt. Da in dieser Beziehung unser
tiebenswürdiger Künstler viel von
seinem eigenen Wesen in die Por-
träts, die er malte, hineinlegte,
so erscheint es nur selbstverständ-
lich, daß gerade die Selbstbild-
nisse des Meisters (Abb. 1 u. 31)
außerordentlich „feminin" an-
muten. Namentlich bei jenen aus
seiner Frühzeit möchte man auf
ein Edelfräulein raten, abgesehen
davon, daß der knabenhafte Schalk
zu sehr aus den fein geschnittenen
Gesichtszügen herauslacht. Bild-
nisse, in welchen männlicher Ernst
und Manneswürde betont scheint,
zeigen doch auch in Blässe,
äußerster Feinheit der Gesichts- Abb. 4g (Ter, S. 8 u. so,
konturen, nervöser Aufgeregtheit,
zur Schau getragener Gereiztheit
wieder zum Weiblichen neigende psychische Eigen-
tümlichkeiten. Das gilt auch von der Art, wie
sie sich geben; und erscheint auch die Haltung noch
so geschickt, noch so ungesucht, noch so natürlich,
sie stehen doch als Schauspieler ihres eigenen
„Jch" auf der Lebensbühne und denken stets an
den Zuschauer, der sie pflichtgemäß zu bewundern
hat. Selbst bei den in ihrer mehr innerlichen
Vornehmheit äußerlich einsachsten Typen tritt das
alles deutlich hervor, so bei Cornelis van der Geest
(Nationalgalerie zu London, bei dem Maler Jan
Wildens (Wiener Hofmuseum und Kasseler Ga-

Bildnis eines vornehrnen Genuesers
Kaiser.Fricdrich.Muscum zu Berlin

Phot. F. Bruckmann

lerie), dem Musiker des Pradomuseums zu Madrid
und dem Maler Marten Rijckaert an gleicher
Stelle. Viel selbstbewußter, stolzer und von ihrem
Wert überzeugter, bieten sich andere dar, bei deren
Anblick vielleicht schon dieser oder jener mitWorten
wie „Pose" oder gar „Hochmut" charakterisieren
möchte. Zu solchen gehören die Maler Gaspard
de Craper (Galerie Licchtenstein zu Wicn) und
Peters Snayers (Abb. 42), der Organist Heinrich
Liberti(Abb.30) und ein korpulenterHerr(Abb.47),
den man für Herzog Karl Alexander von Croy
hält, alle drei in der Münchener Pinakothek.
 
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