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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Zils, Wilhelm: Ludwig Knaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0117
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Abb. L <Tex1 S. 21) Mit Gcnchmigung der Photographischcn Gcseltschast, Charlotienburg

Jn tausend Angsten

Begriff der Genremalerei hat heute
für viele etwas Rückständiges an sich.
Die Vertreter der Genrekunst müssen
bziv. mußten sich den Vorwurf, Ver-
altetes zu pflegen, machen lassen.
Jn einer Zeit, in der die „absolute" oder „Malerei
schlechthin" am höchsten bewertet zu werden schien,
und in der vom Maler lediglich technisches Können
und dies nur häufig in der Form des Farben-
experiments verlangt wurde, trat, nicht zuletzt
durch die ganze wirtschaftliche Nmwälzung des
Weltkriegs, eine Änderung ein. Wer offencn Auges
die letzten großen Ausstellungen durchwanderte,
konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der
allgemeine Umschwung auch an dem Kunstleben
nicht spurlos vorüber ging. Der Grund liegt
außer in der Selbstbesinnung auf die unserer
deutschen Kunst innewohnenden Werte in der alten
Weisheit, die Alwin SchulzH einmal ausdrückt:
„Die Genremalerei ist es ja, die sich zur Aus-
schmückungderZimmereineswohlhabendenPrivat-
mannes am besten eignet . . ."

Und seien wir einmnl ehrlich und vergegenwär-
tigen wir uns die bisherigen Verhältnisse: Die
gegenstandslose, rein malerische Kunst erhoben
Tageskritiker über alles Maß und der kaufkräftige
Kunstliebhaber, schließlich der letzte und oberste
Kunstrichter, schloß sich dieser Anschauung an, um
sich dem allgemeinen Zuge der Zeit nicht entgegen
zu werfen, erwarb aber zu weit höherem Markt-
preis ein Bild „mit Jnhalt" meist von älteren

Meistern, das ihm auch in Stunden der Erholung
Anregungen bot. Die Gegner der Genrekunst
vergessen ganz, daß es zu allen Zeiten und zwar
meist dann, wenn die Kunst sich zur höchsten
Blüte entfaltete, Schilderungen aus dem Bürger-,
Bauern-, Familien- oder Gesellschaftsleben gab.

Man braucht bei einer Beurteilung der Be-
deutung der Sittenschilderung im Gesamtrahmen
der Kunstgeschichte durchaus nicht auf die pom-
pejanische Zeit oder auf eine noch frühere Ver-
gangenheit zurückzugehen. Jn der deutschen Kunst
des 14. Jahrhunderts finden sich solche Darstel-
lungen auf Minnetruhen und Spiegelkapseln und
seit dem 15. Jahrhundert wußten sie die besten
Künstler zu fesseln. Neben den Holländern stachen
nnd vervielfältigten deutsche Meister wie Martin
Schongauer und Albrecht Dürer Genreszenen. Da
es zu weit sühren würde, hier einen Ausschnitt
aus der Geschichte der Genrekunst zu geben, sei
nur angedeutet, daß im Laufe aller Jahrhunderte
die besten Meister aller Länder es waren, die die
Sittenschilderung zu den ihren zählt.

Diejenigen, denen der Jnhalt des Bildes, das
„Was", gegenüber der technischen Durchbildung,
dem „Wie", ein nichts bedeutet, übersehen aber
auch, daß die Genremalerei"), die sich mit der
unmittelbaren Geschichte der Gegenwart, in der
das Herz des Volkes pocht, beschäftigt, das Leben
des Volkes bedeutet. Sw vergessen serner, daß die
sogenannte Novellenmalerei nur dann zu bean-
standen ist, wenn unter dem Deckmantel der
 
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