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Die Kunst dem Volke <München> — 1918 (Nr. 33-36)

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Zils, Wilhelm: Ludwig Knaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.21072#0130
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der Dorfgeschichte ihr Recht
abspricht, sollte auf ein Se-
mester die Schreibstube ver-
lassen."

„Das hessische Leichenbe-
gängnis" von 1871 (Abb. 12)
— zwar fehlt auch hier nicht
der Anflug eines leichten
Humors, wie der Lehrer be-
müht ist, seine Schulkinder,
die vor Frost von einem
Fuß auf den anderen tre-
ten, zum ordnungsgemäßen
Trauergesang zusammenzu-
halten. Doch herrscht im
ganzen Bild der Tod und
der von ihm ausgelösteKum-
mer vor. Das Bild entstand
1871, also zur Kriegszeit,
und aus ihr wird die Stim-
mung geboren. Knaus war
kein Schlachten- oder Histo-
rienmaler. Diese Gattung
der Bildniskunst wider-
sprach seiner gesamten Ver-
anlagung. Daß derDeutsch-
Französische Krieg seine Teil-
nahme erweckte, wissen wir
aus Zeichnungen, die er von
gefangenen Turkos auf der
Wahner Heide machte. Mit
dem inneren Kriegserlebnis
fand er sich jedoch aus seine
Art ab, und die Gefühle, die
ihn damals bewegten, legte
er in dem „Begräbnis"
nieder, in dem der ganze

Mit Genehmigung dcr Photographischen Gesellschast, Charlottcnburg
Salomonische Weisheit

blick gespannt zuschauenden Kinder, vor denen
der Lehrer nur mühsam dem Hochzeitspaar die
Bahn frei machen kann. Und die drei Alten
neben dem Geiger zwischen den beiden Eichen
sind ein Kunstwerk für sich. Der Dorfschulze,
der selbst beim Freudenfeste seine Würde nicht
vergißt und die zwei Alten, die sich wehmütig
erinnern, daß ihnen die Feier des Ehejubiläums
nicht vergönnt war. Jn der „Taufe", die eben-
falls in Frankreichs Hauptstadt die Staffelei ver-
ließ, bemängelte man, daß die junge Mutter im
Gegensatz zu den anderen Gestalten des ländlichen
Typus entbehre. Aber mag es nicht gerade Ab-
sicht des Künstlers gewesen sein, diesen Gegen-
satz zwischen Land und Stadt, in der der junge
Bauernsohn eine Tochter während der Militär-
zeit freite, herauszuschälen? Die Frage bejaht
sich um so leichter, als der Künstler auch sonst
diesen Gegensatz gern zum künstlerischen Vorwurf
gestaltete, wie in dem „Besuch auf dem Land"
von 1864. Das beste Linnen nahm die Bäuerin
aus der Lade, um ihren „Städtern" auf dem

Schmerz über den Heimgang Uhh (Text S. is>
eines geliebten Familienan-
gehörigen zum Ausdruck
kommt. Wir haben es ja in unseren Tagen
erlebt, wie sich gerade die besten der Künstler fern
von der Darstellung der Zeitereignisse halten,
wie des Künstlers Psyche zunächst ringen muß
mit dem Erlebnis, bis es seinen Niederschlag auf
der Staffelei findet.

Jn Paris malte der Meister noch u. a. die be-
wegt komponierte und farbenreiche „Goldene Hoch-
zeit". Die idyllisch vertiefte Darstellung ist, noch
ehe man das Wort erfand, ins Freilicht gestellt.
Dem wohlbekanntesten Knausbild gebührtesowohl,
was die gesamte Anlage als die einzelnen har-
monisch verbundenen Szenen angeht, eine aus-
sührlichere Besprechung, hätte es eben nicht durch
Stiche und Schnitte die weiteste Verbreitung im
deutschen Volk gefunden und legte nicht die
Besprechung des gewaltigen Lebenswerkes im
Rahmen eines Heftes Beschränkung auf. Kurz
hervorgehoben seien nur das sich ernst und würde-
voll höchstwahrscheinlich im letzten Walzer drehende
Jubelpaar, dessen Schwiegertochter mit dem
Säugling auf dem Arm, die dem seltenen An-
 
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