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Die Kunst dem Volke <München> — 1924 (Nr. 13 Nachdruck)

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Waal, Anton de: Ein Besuch im Vatikan
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https://doi.org/10.11588/diglit.21940#0013
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Abb. 14 (Text S. 13) Moses bringt die GesctzcStaseln Phot. Alinnri

Wir durften übrigens diese Treppe nicht be-
nutzen, sondern der Wachtmeister wies uns gleich
rechts auf eine andere, von Pius IX. angelegte
Treppe hin, die uns in den Hof des Damasus
und von dort hinauf in das ssweite Stockwerk nnd
in die Wohnung des Hl. Vaters sühren werde.

Oben stehen päpstliche Gendarmen; wir zeigen
abermals unsern Brief vor und werden rechts hin-
über zu dem von einem Glasdache überspannten
Portal gewiesen. So schreiten wir quer über den
viereckigen Damasus-Hof (Abb. 7), über den in
drei Stockwerken der Riesenbau des Palastes auf-
steigt, auf allen drei Seiten vor uns mit riesigen
Fenstern, welche die Gemälde der Loggien vor
den Einslüssen der Witterung schützen.

Gleich am Eingange grüßen uns aus ge-
malten Fenstern die Figuren der beiden Apostel-
fürsten, ein Geschenk des Königs Ludwig I. von
Bayern, die der Prinzregent Luit-
pold erneuern ließ, als die Pulver-
explosion vom Jahre 1891 die alten
zerschlagen hatte. Und nun geht
es die Prachttreppe hinauf, die
Pius IX. gebaut hat, die Stufen
von weißem Marmor, die Wände
mit farbigem Marmor belegt, die
Decke mit Tonnengewölbe in reicher
Gliederung. Da ist kein flitterhafter
Luxus, sondern eine noble Pracht,
die auch der Deutsche Kaiser be-
wunderte, als er zu seinem ersten
Besuche LeosXIII. diese Treppe
hinaufstieg. Sie führt, in Absätzen
aufsteigend, zum ersten, dann zum
zweiten Stockwerk, und hier tat stch
nun sofort als grandioses Vor-
zimmer die 8 n 1 n OlSiiisntinn
auf (Abb. 8).

Hatte unser Architekt beim
Hinaufsteigen der Treppe schon

wiederholt seiner Bewuuderung Ausdruck
gegeben, der herrliche und, wie es scheint
in zwei Stockwerke hinaufreichende Saal
riß ihu wieder zu staunender Bewunde-
rung hin. Der ganze Flur 'ist in geo-
metrischenFiguren mit vielfarbigemMar-
mor belegt; in einem großen Kreise iu
der Mitte ist das Wappen des Papstes
Clemens XIII. (1758—69) in farbigen
Marmorplatten ausgeführt. Die Decke
ist in Wirklichkeit nur wenig gewölbt,
fast flach; allein der Maler hat in täu-
schender Perspektive hier Säulengänge
umhergezogen, welche die ganze Decke iu
die Höhe rücken.

Jm Hintergrund des Saales hält ein
Posten von zwölf Schweizern die Wache;
sie treten auf deutsches Kommando in
Reih und Glied und präsentieren ihre
Hellebarden, so oft ein Prälat erscheint,
der zur Audienz geht oder vom Hl. Vater
zurückkehrt.

Auf der rechtenSeite obenist einegroßeDoppel-
türe und dort steheu eiuige Diener, die Parafre-
nieri. Welche die Besucher einzuführen haben. Sic
sind in eine sehr malerische spanische Tracht ge-
kleidet von gemustertem rolem Samt, mit kurzen
Beinkleidern, in roten Strümpfen und niederen
Schuhen. Jhr Vorsteher oder Dekan, ein Herr im
Frack, aber ebenfalls in kurzen, schwarzen Bein-
kleidern, nimmt unseren Brief entgegen und nach-
dem er ihn gelesen, gibt er einem der Diener den
Auftrag, uns weiter zu geleiten. So gelangen
wir durch zwei Säle in einen dritten, desseu
Wände mit flandrischen Teppichen behängt sind.
(Abb. 9.) Jn überaus kunstvoller Weberstickerei
ist auf den einzelnen Bildern die Geschichte der
hl. Magdalena dargestellt, wie sie die Predigt
des Herrn hört, wie sie im Hause des Pharisäers
Simon sich zu den Füßen Jesu niedergeworfen
 
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