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eigenem Sinnen und Suchen die gewiesenen Pfade
weiter verfolgen. Es stnd verschiedene Rinnsale,
in welche der Strom der Weisheit geleitet, wohl
auch verleitet wird, und neben Diogenes fehlt
Epikur nicht; alles ist auch nur rein menschliche,
von keinem göttlichen Lichtglanz erleuchtete und
erwärmte Weisheit; denn das volle, helle Licht
von oben wird uns erst auf dem gegenüber-
stehenden Gemalde erschlossen werden. Und doch,
wie ergreifend groß tritt uns hier das Ringen
des menschlichen Geistes nach wahrer Erkenntnis
und tiefster Ergründung vor Augen!
Und nun wenden wir uns hin nach dem
Bilde gegenüber, wo im Lichtglanze der über-
natürlichen Offenbarung uns das erhabenste Ge-
heimnis des christlichen Glaubens entgegen leuch-
tet: der Gottmensch inder Hostie, und
der Gottmensch in der Glorie. (Abb. 34.)
Wieviel ist über diese „Disputa"
geschrieben worden, gestritten wor-
den; aber immer ruft der Meister
selber, der katholische Meifter, uns
hin zu dem Grunddogma der katho-
lischen Kirche: der im Himmel in
Glorie thront, wohnt in Demut
verborgen in der Hostie auf unse-
ren Altären. Oben und unten
gruppieren sich um die großen Ge-
heimnisse: droben diejenigen, die
da schauen, unten diejenigen, die da
glauben, jene in ruhig seligem Be-
sitze, diese in heilig ernftem Streben,
aber doch auch schon in dem aller-
höchsten Lichte, das hienieden ver-
schleiert und verborgen, im Jenseits
aber enthüllt und erschlossen ist.
So ist von selber die ganze Kom-
position inzwei große Hälften geteilt,
deren Mittelpunkt in derHerrlichkeit
droben die menschgewordene Gott-
heit,auf demAltareunten der imSa-
kramente verborgene Gottmensch ist.
Uns fesselt zunächst die untere Komposition, welche
um den Altar die großen Theologen gruppiert, die
über das Altarsakrament geschrieben haben. Sie
knien nicht in demütigster Änbetung vor der Hostie,
sondern sie sitzen in einem weiten Halbkreis um den
Altar, wie im Pontifikal-Amt die Kardinäle um
den Thron des Papstes sitzen. Es ist ein heiliges
Konzil, das aber keine Dogmen festlegt, sondern
das durch den Gottessohn selber gegebene Dogma
ergründet und verkündet. Der Altar ist ein schlich-
ter Tisch, den keine Leuchter mit brennenden Ker-
zen, keine Blumen, kein Baldachin zieren, über
den sich kein Tempel wölbt, wo einzig und auch
hier in schlichter Form, die Monstranz steht, auf
die doch alle diese heiligen Gestalten, wie die
Strahlen zu der Sonne sich hinwenden, die allem
Licht und Leben spendet. — Aber nun weist, ähn-
lich wie in der Schule von Athen Plato, so der
Priester auf der Epistelseite des Altars, mit seiner
Hand nach oben. Wenn die antike Theologie nur
in Sehnsucht das Licht der Wahrheit erhoffte: im
Christentum, in der Kirche und ihrem hochheiligen
Altarsakrament erschließt sich der Himmel, und
das Äuge schaut, was es hienieden demütig an-
betete, droben enthüllt und verklärt: über der
Hostie den Gottessohn in seiner himmlischen Herr-
lichkeit. So öffnet sich dem gläubigen Äuge vor
der Monstranz der Himmel, und wie der heilige
Seher von Pathmos in der Vision die 24 Ältesten
schaute, die dem, der auf dem Throne sitzt, und
dem Lamme huldigen, so schart sich auch hier die
erlöste und verklärte Menschheit um den verklärten
und verherrlichten Welterlöser, der mit ausgebrei-
teten Armen die Wundmale seiner Häude. den
Preis unserer Erlösung uns vor Augen hält, er,
ein und derselbe unten in der Monstranz, und
droben in leuchtender Verklärung.
Schauen wir uns die beiden Gruppen neben
Abb. 39 lText S. 35)
Teil dcs vntikanischcn Gartens mit der Peterskuppel
Phot. Alinari
dem Altare näher an, so erscheinen dort Päpste,
Kardinäle, Bischöfe und Ordensleute, und zwar
durch ihre Namen in dem Heiligenschein erkennt-
lich. Bonaventura mit dem roten Kardinalshut,
Thomas von Aquin im Ordenskleide der Domini-
kaner und Ambrosius, links Hieronymus neben
Gregor dem Großen. Hinter BonaveNtura hat
auch Dante, den Lorbeerkranz um die Stirne,
seinen Platz gefunden; der Papst, der in vollem
Ornat die Stufen emporsteigt, ist Sixtus IV. An
den Chorschranken vorn werden die über eine
Stelle des hl. Buches Disputierenden durch einen
Jüngling mit langem Haar und in antiker Ge-
wandung (Johannes Ev.?) zur Lösung ihrer
Fragen auf das Sakrament, das Geheimnis des
Glaubens, hingewiesen; gegenüber bilden der
hl. Augustinus, der seinem Kleriker diktiert, und
die beiden vorn an der Brüstung, von denen der
eine den andern auf den Kirchenlehrer hinweist^
eine innerlich geschlossene Kette.
eigenem Sinnen und Suchen die gewiesenen Pfade
weiter verfolgen. Es stnd verschiedene Rinnsale,
in welche der Strom der Weisheit geleitet, wohl
auch verleitet wird, und neben Diogenes fehlt
Epikur nicht; alles ist auch nur rein menschliche,
von keinem göttlichen Lichtglanz erleuchtete und
erwärmte Weisheit; denn das volle, helle Licht
von oben wird uns erst auf dem gegenüber-
stehenden Gemalde erschlossen werden. Und doch,
wie ergreifend groß tritt uns hier das Ringen
des menschlichen Geistes nach wahrer Erkenntnis
und tiefster Ergründung vor Augen!
Und nun wenden wir uns hin nach dem
Bilde gegenüber, wo im Lichtglanze der über-
natürlichen Offenbarung uns das erhabenste Ge-
heimnis des christlichen Glaubens entgegen leuch-
tet: der Gottmensch inder Hostie, und
der Gottmensch in der Glorie. (Abb. 34.)
Wieviel ist über diese „Disputa"
geschrieben worden, gestritten wor-
den; aber immer ruft der Meister
selber, der katholische Meifter, uns
hin zu dem Grunddogma der katho-
lischen Kirche: der im Himmel in
Glorie thront, wohnt in Demut
verborgen in der Hostie auf unse-
ren Altären. Oben und unten
gruppieren sich um die großen Ge-
heimnisse: droben diejenigen, die
da schauen, unten diejenigen, die da
glauben, jene in ruhig seligem Be-
sitze, diese in heilig ernftem Streben,
aber doch auch schon in dem aller-
höchsten Lichte, das hienieden ver-
schleiert und verborgen, im Jenseits
aber enthüllt und erschlossen ist.
So ist von selber die ganze Kom-
position inzwei große Hälften geteilt,
deren Mittelpunkt in derHerrlichkeit
droben die menschgewordene Gott-
heit,auf demAltareunten der imSa-
kramente verborgene Gottmensch ist.
Uns fesselt zunächst die untere Komposition, welche
um den Altar die großen Theologen gruppiert, die
über das Altarsakrament geschrieben haben. Sie
knien nicht in demütigster Änbetung vor der Hostie,
sondern sie sitzen in einem weiten Halbkreis um den
Altar, wie im Pontifikal-Amt die Kardinäle um
den Thron des Papstes sitzen. Es ist ein heiliges
Konzil, das aber keine Dogmen festlegt, sondern
das durch den Gottessohn selber gegebene Dogma
ergründet und verkündet. Der Altar ist ein schlich-
ter Tisch, den keine Leuchter mit brennenden Ker-
zen, keine Blumen, kein Baldachin zieren, über
den sich kein Tempel wölbt, wo einzig und auch
hier in schlichter Form, die Monstranz steht, auf
die doch alle diese heiligen Gestalten, wie die
Strahlen zu der Sonne sich hinwenden, die allem
Licht und Leben spendet. — Aber nun weist, ähn-
lich wie in der Schule von Athen Plato, so der
Priester auf der Epistelseite des Altars, mit seiner
Hand nach oben. Wenn die antike Theologie nur
in Sehnsucht das Licht der Wahrheit erhoffte: im
Christentum, in der Kirche und ihrem hochheiligen
Altarsakrament erschließt sich der Himmel, und
das Äuge schaut, was es hienieden demütig an-
betete, droben enthüllt und verklärt: über der
Hostie den Gottessohn in seiner himmlischen Herr-
lichkeit. So öffnet sich dem gläubigen Äuge vor
der Monstranz der Himmel, und wie der heilige
Seher von Pathmos in der Vision die 24 Ältesten
schaute, die dem, der auf dem Throne sitzt, und
dem Lamme huldigen, so schart sich auch hier die
erlöste und verklärte Menschheit um den verklärten
und verherrlichten Welterlöser, der mit ausgebrei-
teten Armen die Wundmale seiner Häude. den
Preis unserer Erlösung uns vor Augen hält, er,
ein und derselbe unten in der Monstranz, und
droben in leuchtender Verklärung.
Schauen wir uns die beiden Gruppen neben
Abb. 39 lText S. 35)
Teil dcs vntikanischcn Gartens mit der Peterskuppel
Phot. Alinari
dem Altare näher an, so erscheinen dort Päpste,
Kardinäle, Bischöfe und Ordensleute, und zwar
durch ihre Namen in dem Heiligenschein erkennt-
lich. Bonaventura mit dem roten Kardinalshut,
Thomas von Aquin im Ordenskleide der Domini-
kaner und Ambrosius, links Hieronymus neben
Gregor dem Großen. Hinter BonaveNtura hat
auch Dante, den Lorbeerkranz um die Stirne,
seinen Platz gefunden; der Papst, der in vollem
Ornat die Stufen emporsteigt, ist Sixtus IV. An
den Chorschranken vorn werden die über eine
Stelle des hl. Buches Disputierenden durch einen
Jüngling mit langem Haar und in antiker Ge-
wandung (Johannes Ev.?) zur Lösung ihrer
Fragen auf das Sakrament, das Geheimnis des
Glaubens, hingewiesen; gegenüber bilden der
hl. Augustinus, der seinem Kleriker diktiert, und
die beiden vorn an der Brüstung, von denen der
eine den andern auf den Kirchenlehrer hinweist^
eine innerlich geschlossene Kette.