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Die Kunst dem Volke <München> — 1924 (Nr. 13 Nachdruck)

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Waal, Anton de: Ein Besuch im Vatikan
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https://doi.org/10.11588/diglit.21940#0038
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Abb. 45 (Text S. 42) Der Papstsaal im Appartemcnto Borgia Phot. Anderson

zont die Sabinerberge und die Ausläufer der
Apenninen.

Was dem vatikanischen Garten seinen ganz
einzigen Reiz gibt, ist der immer wiederkehrende
Blick auf die Peterskirche, die mit ihrem Riesem
bau uns ganz nahe gerückt ist und die wir hier
nicht von der Ebene, sondern von der Anhöhe
aus überschauen. (Abb. 40).

Blumenanlagen finden sich nur wenige im
päpstlichen Garten; Rebenpflanzungen wechseln
ab mit Waldung, wo hier und da eine Statue
oder Säule zur Zierde aufgestellt ist; aber ini
Frühjahr ergötzt uns der Gesang der Vögel, die
hier unter päpstlichem Schutze sich vor ihren Ver-
folgern sicher fühlen.

Der eigeutliche Blumengarten, der die Sträuße
für hohe Kirchenfeste oder zu besonderen Gelegen-
heiten liesert, liegt auf der anderen Seite des
päpstlichen Palastes, hinter dem Belvedere. Dort
wachseu, im Winter zum Teil in Treibhäusern,
in üppigster Fülle die Rosen und Kamelien, Ana-
nas und Zierpflanzen aller Art, der ganze Reich-
tum südlicher Vegetation, mit Blumenhecken und
Laubgängen und Sitzplätzen.

Jm ganzen bietet der päpstliche Garten so-
wohl in den Anlagen als im Blumenflor nicht
viel Besonderes; nur an wenigen Punkten er-
schließt sich eine Aussicht, bei der wir gerne länger
verweilen. Selbst das Landhaus Leos XIII. bei
dem einen der antiken Festungstürme, ist ein nüch-
terner, schmuckloser Bau: wieviel schöner und ge-
schmackvoller faüd unser Architekt das Kasino.

Ein einziges Mal und an einem schönen Tage
durchwandert man mit Wohlgesallen diese An-
lagen in der Vorstellung, daß hier der Papst um-

Herwandelt, wenn die Last der Geschäfte ihm eine
Viertelstunde Erholung gestattet Z.

V.

Die Oillelliil (ItzZ'Ii tiii'llxxi.

Altslandrische Gewebe — Die Teppiche
Nassaels, Teppiche späterer Schulen.

Die alte Papstchronik (der Oidor poutili-
oulis) berichtet uns an zahlreichen Stellen, wie
die Päpste für die großen Kircheu der ewigen
Stadt Teppiche anfertigen ließen oder aus dem
Orient bezogeu, die an Festtagen zwischen den
Säulen oder an den Wänden des Presbyteriums
aufgehängt wurden. Einen ähnlichen Schmuck
wünschte Leo X. für die Sixtinische Kapelle. Mit
der Zeichnung und Kolorierung der Vorlagen
beauftragte er im Jahre 1515 Raffael; ausgeführt

p Jm Jahre 1873 begegnete ich an einem köstlichcn
Maimorgen im päpstlichen Garten dem Gencral Kanzler,
meinem Landsmann aus Baden, der damals bei den
Jtalianissimi der bestgehaßte Mann war, weil er als Be-
fehlshabcr des päpstlichen Heeres die Stadt nicht ohnc
Widerstand hatte übergeben wollen. „Sie mögen", sagtc
ich ihm, „sich leicht darüber hinwegsetzen, daß Sie den
Vatikan nicht verlassen dürfen, da Jhnen dieser herrliche
Garten zur Verfügung steht." „Müßte ich für meine Ge-
sundheit mir nicht manchmal Bewcgung machen, würdc
ich keinen Fuß in diesen Garten setzen." „Warum dcnn
nicht?" fragte ich verwundert. „Sie glauben nicht", gab er
zur Antwort, „>vie deprimierend auf dieDauer derGedanke
wirkt: Du darfst über diese Mauern nicht hinaus. Auch ein
goldener Käfig bleibt für den Vogel ein Gefängnis."
 
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