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Die Kunst dem Volke <München> — 1924 (Nr. 13 Nachdruck)

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Waal, Anton de: Ein Besuch im Vatikan
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https://doi.org/10.11588/diglit.21940#0041
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teristisch bei diesen raffaelitischen Arrazzi sind die
auf dem unteren Rande ausgeführten Szenen
aus dem Leben des Papstes Leo X.

Zu diesen gesellt sich nun eine Reihe wei-
terer Teppiche, die meisten aus jüngerer Zeit,
als Geschenk Franz I. von Frankreich, in Kom-
position, Zeichnung und Kolorit wesentlich min-
derwertiger, in historischer Reihenfolge: Ge-
burt Christi, Anbetung der Weisen, Darstellung
inr Tempel, Kindermord von Bethlehem; dann
Auferstehung Christi, seine Erscheinung vor Mag-
dalena, die Jünger von Emmaus, Himmelfahrt,
Sendung des Hl. Geistes, Krönung Mariä.

Der Vatikan besitzt aber noch eine ganze An-
zahl weiterer Teppiche, die zum Teil in verschie-
denen Salen aufgehängt, teils eingerollt sind und
nur einmal im Jahre, im Sonimer, aufgerollt wer-
den, wo man sie reinigt und von neuem mit
Kampfer bestreut. Leo XIII. erhielt von der
Königin von Spanien zu seinem Papstjubiläum
einen Teppich, für den keine Wandfläche im Vati-
kan groß genug war.

Die Unbilden von vier Jahrhuitderten haben
den raffaelitischen Teppichen viel von ihrer ur-
sprünglichen Schönheit genommen; wie herrlich
müssen sie gewesen sein, als die Farben noch frisch,
die Goldsäden noch nicht durch das Alter ge-
schwärzt waren! Von Raffael und seinen Schülern
haben wir in der Hauptsache nur die Komposition
und die Farbenangabe vor uns. Aber wie tief
gefühlt ist beim reichen Fischfang (Abb. 41) der vor
dem Herrn auf 'die Knie gesunkene Petrus, und

welche Hoheit liegt auf der Erscheinung des sitzen-
den Herrn: wir glauben aus dem Munde beider
die Worte zu vernehmen: „Herr, gehe von mir,
denn ich bin ein sündiger Mensch" — „Von nun
an sollst du Menschen fangen;" Andreas, der hin-
ter seinem Bruder steht, gibt der demütigen Ver-
wunderung über das Wunder Ausdruck, dessen
Wirkung uns in dem anstoßenden Kahne durch
das mühsame Aufziehen des gefüllten Netzes, so-
wie durch die beutegierigen Kraniche am Ufer
klargelegt wird. — Bei der llbergabe des Hirten-
amtes (Abb. 42) kniet Petrus, die Schlüssel in den
Händen, vor dem Herrn, der auch körperlich größer
als die umstehenden Apostel, in einen weißen, mit
silbernen (jetzt schwarz gewordenen) Sternen be-
kleideten Mantel gehüllt, mit der Linken auf die
Herde hinweist, deren Weide der Meister dem
hl. Petrus überweist. Der Chor der Apostel, an
ihrer Spitze Andreas und Johannes, erscheint
als Zeuge bei dem feierlichen Akte, der zugleich
auch ihre eigene Berufung zum großen Hirten-
amte in sich schließt. Auf beiden Teppichen bil-
det eine prächtige Landschaft den anmutigen Hin-
tergrund. — Die Heilung des Lahmen durch den
Apostelfürsten an der Seite des Johannes läßt
Raffael im Jnnern der alten Peterskirche vor sich
gehen, wo die, angeblich aus Jerusalem stammen-
den gewundenen Säulen sich vor dem Sank-
tuarinm erhoben. Mit welch hoheitsvoller Würde
spricht Petrus zu dem Lahmen, den er mit der
linken Hand aufhebt; im Seitenschiffe hofft ein
Krüppel auf ein gleiches Wunder; Männer und
 
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