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stellt die h l. Barbara dar, die von ihrem
Vater und seinen Helfershelfern verfolgt wird. —
Anmutiger ist neben dem Eremitenbilde der
Besuch der h l. Iungfrau bei Elisa -
beth, dramatischer gegenüber der Überfall der
Susanna durch die beiden
Richter im Garten nach dem
Propheten Daniel dargestellt.
Ein Juwel ist die M a d o n n a
mit dem lesenden Jesusknaben,
von Engelsköpfen umgeben, über
der Eingangstüre.
Jn dem weiteren Saale der
sieben sreienKünste(Abb.53),
die durch sitzende Frauengestal-
ten dargestellt sind, bewundern
wir am rneisten die über dem
Fenster thronenden Arithme-
tica und M u s i c a, die durch
Engel mit dem Borgia-Wappen
voneinander geschieden sind. Die
Musica, ganz von Pinturicchios
Hand, gruppiert um sich einen
kleinen Chor von Sängern und
Musikanten; sie selber streicht
die Geige. Zwei Putti zu ihren
Füßen spielen die Flöte, andere
Genossen haben Harfe und Man-
doline; rechts unten schlägt der
alttestamentliche Tubalkain, der
Erfinder musikalischer Jnstru-
mente, den Takt (Abb. 54). —
Die übrigen allegorischen Fi-
guren sind leider bis zur Un-
kenntlichkeit der Originale über-
malt; sie waren auch nicht vom
Meister selber, sondern nach sei-
nen Skizzen von den Schülern
ausgeführt.
Der Saal des Orsäo (Abb.55)
und der anstoßende, die im Turm
Alexanders VI. liegen, haben
außer der zierlichen Decken-
dekoration in Stuck und den
von Pinturicchio selber ausge-
führten Verzierungen in den
Fensterwänden nur in den Lü-
netten die Halbfiguren von Pro-
pheten, Aposteln und Sibyllen; die Wandflächen
trugen ehemals gewebte Teppiche, unten aber
wohl Holzgetäfel mit eingelegter Jntarsia-Arbeit,
wie wir es im Saale ciol Lnnti sehen, wohin
Seitz sie bei der Restauration unter Leo XIII.
aus der alten Bibliothek Sixtus' IV. übertragen
ließ.-
Welch blütenreichen Garten Hatten wir durch-
wandert, und hatten doch nur hier und da bei
einer besonders schönen und duftigen Blume ver-
weilen dürfen! Gewiß, wir mußten wieder und
wieder zurückkehren, um bei jedem neuen Besuch
im Vatikan diese wunderbare
und einzige Pracht mehr ver-
stehen und genießen zu lernen.
Und wie Vieles und Herr-
liches blieb uns noch zur Be-
sichtigung übrig! Die Galerie
der antiken Skulpturen hatten
wir nur teilweise und flüchtig
auf unserem Wege vom Garten
zu der Oulsrln ckoZli ^rru^^i
durchwandert, von denGemälden
der Pinakothek noch nichts ge-
sehen, die Bibliothek und das
Museum christlicher Altertümer
harrten noch unser, und dann
erst die Sixtinische Kapelle mit
dem Deckengemälde und dem
Jüngsten Gerichte von Michel-
angelo!
Unsere Pläne für die fol-
genden Tage wurden grausam
zerstört durch ein Telegramm
von der schweren Erkrankung
meines Bischofs, das mich zur
sofortigen Abreise nötigte. Unser
Kunsthistoriker hatte ohnehin
schon für die folgenden Tage
seine Heimreise festgelegt. —
Werden wir uns im nächsten
Jahre wieder in Rom zusammen-
finden, um das Alte von neuem,
und so viel Neues zu dem
Alten zu genießen? — Auf
Wiedersehen im Vatikan! Aber
Dank schon jetzt, tausend Dank
den Päpsten, die für die Welt
ihr Haus zum Heim und zur
Schule aller Künste gemacht
haben!
Die Entwicklung der Welt-
geschichte hat dem Papsttum seine
weltliche Macht nicht erhalten
können, aber keine Vergewalti-
gung konnte ihm das Szepter der Herrschaft über
Millionen und Millionen auf dem ganzen Erd-
kreis aus den Händen winden, und auch keine
Hand wird es vermögen, von seiner Stirne die
Glorienkrone zu reißen, in welche die größten
Meister die Juwelen und Perlen ihrer höchsten
Kunst gesügt haben.
Abb. ss iTcxt S. 32, Phot. Anderson
Rnffact, Ornnmcntalcr Schmuck
aus dcn Stanzcn
Anm. d. R c d. Zu dcn Abb. 2 und 23 wird bcmerkt, daß auf Raffacl die erste Jdee zurückgeht. Ausgcführt
wurden die Gemälde von seinen Schülern (vgl. Text S. 17(. — Bei den ornamentalen Teilcn in den Stanzcn und
Loggicn (Abb. 11 und 56) bedicntc sich Raffacl sciner Schüler in wcitgehendstcm Maße.
stellt die h l. Barbara dar, die von ihrem
Vater und seinen Helfershelfern verfolgt wird. —
Anmutiger ist neben dem Eremitenbilde der
Besuch der h l. Iungfrau bei Elisa -
beth, dramatischer gegenüber der Überfall der
Susanna durch die beiden
Richter im Garten nach dem
Propheten Daniel dargestellt.
Ein Juwel ist die M a d o n n a
mit dem lesenden Jesusknaben,
von Engelsköpfen umgeben, über
der Eingangstüre.
Jn dem weiteren Saale der
sieben sreienKünste(Abb.53),
die durch sitzende Frauengestal-
ten dargestellt sind, bewundern
wir am rneisten die über dem
Fenster thronenden Arithme-
tica und M u s i c a, die durch
Engel mit dem Borgia-Wappen
voneinander geschieden sind. Die
Musica, ganz von Pinturicchios
Hand, gruppiert um sich einen
kleinen Chor von Sängern und
Musikanten; sie selber streicht
die Geige. Zwei Putti zu ihren
Füßen spielen die Flöte, andere
Genossen haben Harfe und Man-
doline; rechts unten schlägt der
alttestamentliche Tubalkain, der
Erfinder musikalischer Jnstru-
mente, den Takt (Abb. 54). —
Die übrigen allegorischen Fi-
guren sind leider bis zur Un-
kenntlichkeit der Originale über-
malt; sie waren auch nicht vom
Meister selber, sondern nach sei-
nen Skizzen von den Schülern
ausgeführt.
Der Saal des Orsäo (Abb.55)
und der anstoßende, die im Turm
Alexanders VI. liegen, haben
außer der zierlichen Decken-
dekoration in Stuck und den
von Pinturicchio selber ausge-
führten Verzierungen in den
Fensterwänden nur in den Lü-
netten die Halbfiguren von Pro-
pheten, Aposteln und Sibyllen; die Wandflächen
trugen ehemals gewebte Teppiche, unten aber
wohl Holzgetäfel mit eingelegter Jntarsia-Arbeit,
wie wir es im Saale ciol Lnnti sehen, wohin
Seitz sie bei der Restauration unter Leo XIII.
aus der alten Bibliothek Sixtus' IV. übertragen
ließ.-
Welch blütenreichen Garten Hatten wir durch-
wandert, und hatten doch nur hier und da bei
einer besonders schönen und duftigen Blume ver-
weilen dürfen! Gewiß, wir mußten wieder und
wieder zurückkehren, um bei jedem neuen Besuch
im Vatikan diese wunderbare
und einzige Pracht mehr ver-
stehen und genießen zu lernen.
Und wie Vieles und Herr-
liches blieb uns noch zur Be-
sichtigung übrig! Die Galerie
der antiken Skulpturen hatten
wir nur teilweise und flüchtig
auf unserem Wege vom Garten
zu der Oulsrln ckoZli ^rru^^i
durchwandert, von denGemälden
der Pinakothek noch nichts ge-
sehen, die Bibliothek und das
Museum christlicher Altertümer
harrten noch unser, und dann
erst die Sixtinische Kapelle mit
dem Deckengemälde und dem
Jüngsten Gerichte von Michel-
angelo!
Unsere Pläne für die fol-
genden Tage wurden grausam
zerstört durch ein Telegramm
von der schweren Erkrankung
meines Bischofs, das mich zur
sofortigen Abreise nötigte. Unser
Kunsthistoriker hatte ohnehin
schon für die folgenden Tage
seine Heimreise festgelegt. —
Werden wir uns im nächsten
Jahre wieder in Rom zusammen-
finden, um das Alte von neuem,
und so viel Neues zu dem
Alten zu genießen? — Auf
Wiedersehen im Vatikan! Aber
Dank schon jetzt, tausend Dank
den Päpsten, die für die Welt
ihr Haus zum Heim und zur
Schule aller Künste gemacht
haben!
Die Entwicklung der Welt-
geschichte hat dem Papsttum seine
weltliche Macht nicht erhalten
können, aber keine Vergewalti-
gung konnte ihm das Szepter der Herrschaft über
Millionen und Millionen auf dem ganzen Erd-
kreis aus den Händen winden, und auch keine
Hand wird es vermögen, von seiner Stirne die
Glorienkrone zu reißen, in welche die größten
Meister die Juwelen und Perlen ihrer höchsten
Kunst gesügt haben.
Abb. ss iTcxt S. 32, Phot. Anderson
Rnffact, Ornnmcntalcr Schmuck
aus dcn Stanzcn
Anm. d. R c d. Zu dcn Abb. 2 und 23 wird bcmerkt, daß auf Raffacl die erste Jdee zurückgeht. Ausgcführt
wurden die Gemälde von seinen Schülern (vgl. Text S. 17(. — Bei den ornamentalen Teilcn in den Stanzcn und
Loggicn (Abb. 11 und 56) bedicntc sich Raffacl sciner Schüler in wcitgehendstcm Maße.