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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 8
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Meyer, Bruno; Jessen, Jarno [Mitarb.]: Berliner Kunstsalons
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0143

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Nr. 8

Die Aunst-Halle -4-

s2s

„Bergfee" mit wenig Witz das ewig nackte Nyinphlein
auf dem Leisen am (Huell nachahmt, ist er in seinen Litho-
graphien und farbigen Zeichnungen achtunggebietender.
Bei „Bauer und Tod" ist schon die Absicht, Thoma nach-
zueifern, schätzenswerth. Karl Schmidt - Helmbrechts, der
sich als Radirer und Zeichner vorstellt, vereint mit düsterer
Phantasie einen beschaulichen Zug zu mittelalterlicher
Giebelwelt. Albert Franken-Weber, der in seiner „Pan-
dora" ein schwaches Machwerk, ohne jegliche plastischen und
farbigen Reize brachte, leistet ebenfalls mehr in Schwarz-
weiß- Arbeiten. Diesem Aufmarsch des Minderwerthigen
reiht Ludwig Stiller eine unbedeutende und geschmacklose
Modellszene „Im Atelier" an.
Das Zwitterhafte ist der Lharakterzug der meisten
diesmaligen Aussteller im Salon Gurlitt. Daher erscheinen
auch die Werke des Engländers Gray Hill aus Liverpool
überraschend ungleich. Seine Reihe großzügiger Blumen-
stücke, die wie steife Tapetenmuster wirken, und die kleinen,
zarten Landschaftsausschnitte orientalischer Ratur scheinen
für ein und denselben Künstler kaum verständlich. Er be-
handelt uns grob oder süßlich. Dennoch ist in den Blumen-
bildern, die ihre viereckigen Rahmen bis in jedes Eckchen
der Leinwand mit Inhalt ausfüllen, viel fleißiges Studium
der Naturformen und koloristischer Sinn unverkennbar
Besonders die Masse von Gelb über Rothbraun zu Rolh
schattirter Thrysanthemen, wie die purpurnen und violetten
Trauben der Bohnenblüthe und die Büschel des Ielänger-
Ielieber zeigen diese Eigenschaft. wir können solche
Blumenstücke jedoch nur als dekorative Borwürfe gelten
lassen; denn für das Stillleben, wie für jeden künstlerischen
Borwurf, gilt das Gesetz von der Nothwendigkeit einer
gewissen Stilisirung.
Interessant ist eine Sammlung französischer, farbiger
Künstlerätzungen, derer: malerische Wirkung den Tonwerthen
der (Originale vollauf gerecht wird, fie häufig sogar zu er-
höhen, ja gewissermaßen zu verklären scheint. Inhaltlich
zeigen sie den Naturalismus und das Demiviergethum, die
in der Kunst von heute so breiten Raum gewonnen.
Jarno Jessen.
Bei Keller A Reiner muß man sich vorzugs-
weise an die Plastik halten, wenn man auf die Kosten
kommen will. Freilich Richard Engelmanns Gipsbüste
Böcklins kann die Verehrer des dargestellten Meisters
schwerlich befriedigen, dazu ist die Auffassung zu oberfläch-
lich und geistlos. Auch die zerfließende „Wolke" Flaums
in Marmor (klein), begreifbar nur als eine gänzlich unver-
standene uud unfähige Nachahmung Rodins, läßt man am
besten auf sich beruhen. Aber eine weibliche Bronze-Büste
mit eingesetzten Augen, von A. Metz, ist viel mehr als
eine Merkwürdigkeit: eine eindrucksvolle und interessante
Arbeit (während seine Malversuche, wie es scheint, im
Charakter antiker Wandgemälde beabsichtigt, wohl an die
Unbeholfenheit, nicht aber an die Größe der Vorbilder
hinanreichen). Das Bedeutendste bietet August Heer. Seine
Bronze-Büste Jakob Burckhardts ist, wenn auch nicht be-
geisternd, doch durchaus tüchtig. Sehr schön aber wirkt die
lebensgroße marmorne Idealfigur „die letzte Rose", die
inan freilich am ehesten wohl für eine Grabfigur halten
möchte. Die leichte Bewegung der ein wenig nacb ihrer
Rechten eingebogenen Gestalt hat den anmuthigsten Fluß,
bis in die eine Rose haltende Hand hinein, ohne an Adel

einzubüßen. Der Kopf ist von vornehmem Gepräge und
tiefem Ausdruck, die Gewandung von vortrefflichen Linien.
Ls ist eines von jenen seltenen Werken, denen gegenüber
man vom ersten Augenblicke an das Gefühl hat, als ob sie
Einen: längst vertraut wären, — weil sie einen guten Ge-
danken und eine edle Empfindung schlagend und ergreifend
verkörpern. Es ist eben ein riesengroßer Abstand zwischen
dem Kunstwerke, an dem nichts wesentliches auszusetzen
ist, und demjenigen, das uns unmittelbar in seinen
Bann zieht.
Bon der Malerei ist wenig Tröstliches zu berichten.
Das Erfreulichste bietet Paul Höniger in einem Damen-
porträt, Kniestück, einer sehr hübschen, aber etwas glatten
Halbfigur „Auf den: Balkon", einer Dame am Kamin,
einer anderen vor dem Spiegel, einem im Schlendern Arm
in Arm sich so recht innig küssenden Liebespaar und meh-
reren minder bemerkenswerten Bildern Hermann Hendrich
erreicht seine beste Wirkung wohl mit einem „Sommertag
am Meere", einem Bilde, das durch eine auffällig gute
und anmuthige am Strande ausgestreckt liegende nackte
weibliche Figur eine Präzision bekommt, wie sie den Werken
des Künstlers sonst wohl nicht eigen. Er zielt auf Stim-
mung und Ausdruck, ohne ihrer jedoch so recht habhaft zu
werden. Seinem „fliegenden Holländer" geht jede Spur
von Gespenstischem ab: man wüßte ohne die beigegebene
Benennung nicht, was man aus dem Bilde machen sollte;
und so weiß man es erst recht nicht. Am eindringlichsten
ist der beabsichtigte Ton sicherlich bei der „Gewitterstimmung
am Garda-See" getroffen. Nächstdem fesseln einige unter
den Bildern von Mar Rabes: ein recht malerischer „tür-
kischer Kiosk", eine „Brücke bei Brusfa" und ein „türkisches
Dorf". Möglich, daß man die Bilder an dieser Stelle
etwas zu überschätzen geneigt ist, wovon auch Johannes
Martini — „Winter an: Kanal", „Abend am See" u. A. —
profitier. Denn die ganz unzulänglichen Skizzen von
Theodor Iohannsen-Tondern, die spurenhaften ersten Unter-
malungen von H. Tietgens-Hamburg, die Einein als Ge-
mälde zu nehmen zugemuthet wird, und die albern, wenn
nicht impertinent unmöglichen Figuren in den Bildern von
Heinrich Vogeler - Worpswede (mag der liebe Gott in
Gnaden denjenigen verzeihen, die in der Weltflucht dieser
einsamen Künstler-Kolonie eine Großthat und die Aussaat
für zukünftiges Kunstheil gewittert und verkündet haben!)
erwecken nur eine klassische Reminiscenz: „Da wendet sieb
der Gast mit Grausen"! B. M.
X
KuustchromK.
* Berlin. Eine historische Kunstausstellung
wird auf Befehl des Kaisers aus Anlaß der 200jährigen
Jubelfeier des Königreichs Preußen in den Sälen der
Akademie in diesen Tagen eröffnet werden. Neben den
Porträts der preußischen Könige sollen die Bilder von
militärischen oder staatsmännischen Persönlichkeiten ausge-
stellt werden, die den Herrschern ihrer Epoche nahe ge-
standen baden. Ferner werden große historische Mo-
mente, die in die Zeit von bis 190; fielen und von
hervorragenden Künstlern malerisch festgehalten wurden,
in einer Reihe von Gemälden vorgeführt.
Berlin. Die Nationalgallerie wird am 2(.
März die 25. Wiederkehr des Tages feiern können, an
dem Kaiser Wilhelm die Einweihung der Gallerie vollzog.
 
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