Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

DOI issue:
Nummer 2
DOI article:
Gustav, Leopold: Die Münchener Jahresausstellung im Glaspalast
DOI article:
Frankfurt a. M. Kunstbericht
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0034
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

4- Die Aun st-Halle -4-^-

Nr. 2

?1ttori s Zoultorl itLiiaui ausgestellt. Cesare Laurenti
bringt eine große Allegorie „Gleichniß", die malerisch
wenigstens sehr lebensvoll gelöst ist. Noch sympathischer
ist mir der Künstler in „Hirtenleben" durch die feinfühlige
Zeichnung des weiblichen Aktes. Durch Fragiacomos
„Frühling" und „Abendfriede" weht etwas von segan-
tinischer Herbheit. Najams „Hirtenlied" erklingt von
einem baumlosen Bergrücken, den der Künstler doch
malerisch reizvoll zu bilden versteht. Als tüchtiger Marine-
maler zeigt sich der Venetianer G. Ciardi.
In dem Saale der „Deutschen Gesellschaft für
christliche Kunst" sehen wir viel Traditionelles, um
nicht zu sagen Banales. Die Bilder gerade, welche unser
künstlerisches Interesse erregen, werden wohl den Kirchen
fern bleiben. Leo Samberger hat einen Paulus gemalt
mit einem Kopf von stark individuellem Gepräge. Mathias
Schiestl „Verlorener Sohn" und „St. Wendelin" ergreifen
echt menschlich. Von Gysis sehen wir in einem Entwurf:
„Siehe, der Bräutigam kommt in Mitten der Nacht", das
geisterhaft-körperlose himmlischer Gestalten echt malerisch
dargestellt. Ls ist uns leider nicht mehr möglich, die zahl-
reichen Radirungen und Kunstblätter der Ausstellung zu
berücksichtigen. Linen künstlerisch guten Eindruck macht
die Kollektion des Münchener Vereins für Griginal-
radirung. wir begegnen hier u. A. Meyer-Basel, der uns
in Radirung und Lithographie wieder viele seiner zarten
Naturausschnitte bietet; ferner Graf, Hey, Dasio Reiffer-
scheid, u. a. m. In dem Saale der Vervielfältigenden
Künste, saußerhalb der Gruppenbildung) muß an erster
Stelle Doris Raabs neuer vollendeter Stich, die Madonna
von Holbein, nach dem Darmstädter Original, genannt
werden. Im Uebrigen hier nur noch ein paar Namen:
Börner (SchabkunstblLtter nach Böcklin), Bejot (Paris),
Kalckreuth, Kollwitz, Godin (farbige Radirungen) Bone
(Glasgow) und llbbelohde. Mannfeld ist in Gesellschaft
seiner Frankfurter Kunstjünger, von denen es mancher zu
schöner Reife und Selbständigkeit gebracht hat, vertreten.
Schließlich die Plastik. Gasteiger hat innerhalb der
Luitpoldgruppe einen Saal inne. Seine dekorativ
wirksame Kollektion ist eine Mischung harmlos lieb-
licher Brunnenfiguren nnd tiefer Problemdarstellungen. Von
den ersteren nenne ich nur das kleine mütterlich bediente
„Manneken-Pis". Ergreifend ist die Dornenkrönung Christi;
das blutüberströmte Gesicht ist bei allem Schmerzempfinden
hoheitsvoll. In kräftigem Gegensatz der Peiniger, eine
wahre bsts Kumulus. Auch technisch ist die Leistung
glänzend, ebenso Gasteigers „Prometheus". Dieser an den
Felsen geschmiedete Mann mit den schmerzverzerrten
Muskeln ist freilich ein Ueberwundener, kein Prometheus.
Netzers Brunnen zeigt eine fein modellirte Jünglings-
gestalt, einen (Orpheus dessen Klängen Reh und Löwin
lauschen. In dem Brucknerdenkmal von Zerritsch ist die
huldigende Nädchengestalt sehr reizvoll modellirt. (Die
Büste selbst stammt von D. Tilgner ff). Eduard Zimmer-
manns Abel macht mehr den Eindruck eines Schlafenden,
als eines Erschlagenen. Von Reinhold Begas sind zwei
etwas kühle Porträtbüsten vorhanden. Viel Grazie be-
kunden Adolf Fricks Bronze-Statuetten, Aicheles Schnitterin,
Hintersehers Waldidylle; auch Zerritsch muß wegen seiner
Mädchenbüste nochmals genannt werden. Der Turiner
Bistolsi bringt eine nicht leicht denkbare Allegorie:
„Die Lebensmüden", ein technisch beachtenswerthes
Flachrelief.
X
Frankfurt a. M.
Mit dem Beginn des letzten Kalenderviertels hat auch
bei uns die saisou morte ihr Ende erreicht und unsere
fünf Kunstsalons sind wieder in das Zeichen des friedlichen
Wettbewerbs getreten. Der Kunstverein führt seinen
Besuchern außer einer reichhaltigen Sammelausstellung
Berliner Künstler, die trotz einiger gewichtiger Namen,

wie A. v. Werner, Skarbina, Feldmann u. A., relativ
wenig Gutes enthält, einen schon anderwärts gezeigten
Napoleon-Zyklus des Pragers G. Rex vor. Auf etwa
zwei Dutzend im Format fast gleichartiger Bilder finden
wir Szenen aus dem Lebensdrama des großen Korsen, von
der Kriegsschule in St. Cyr bis zur Felsenküste von St.
Helena. Trotz aller virtuosen Mache gewähren die technisch
sehr tüchtigen Bilder keinen rechten Genuß; den fatalen
Gedanken an die berüchtigten „historischen Bilderbogen"
wird man nicht los.
Im Kunstsalon Schneider wird einem verstorbenen
Frankfurter Künstler eine posthume Ehrung zu Theil:
Peter Burnitz, der treffliche Landschafter aus der Schule
von Barbizon, ist mit einer Kollektion) von etwa 70
Nummern vertreten, wovon etwa zwei Drittel aus hiesigem
Privatbesitz stammen. Burnitz hat sich, trotzdem er erst
spät zur Malerei überging (er war von Haus aus Advokat),
zu einem stark persönlichen Stil durchgerungen. Ein Hauch
von Melancholie liegt fast über allen seinen Bildern. Ein-
same Flußläufe, von silberblättrigem Weidengebüsch um-
säumt, waren seine Lieblingsmotive. Ein Porträt des
Malers in Lebensgröße und ganzer Figur, unter einem
Baum in freier Landschaft sitzend, finden wir vor: der
Hand Hans Thomas und rückt uns den trefflichen Mann
auch menschlich näher. Debrigens besitzt unser Handels-
Museum zwei Hauptwerke von Burnitz: „Landschaft an
der Nidda" und „Bei Kronberg." Von den übrigen bei
Schneider ausgestellten Werken nennen wir noch drei Por-
träts von Fritz B o e h le-Frankfurt, derb und rustikal in
Auffassung und Darstellung, aber voll naiver Originalität.
Bei Goldschmidt hat L. Kunz-München eine Kol-
lektion Stillleben zur Schau gebracht. Die altmeisterliche
Virtuosität, mit der dieser Maler es den alten Nieder-
ländern gleich zu thun sucht, ist zu bekannt, als daß wir
darauf noch besonders Hinweisen sollten Einige der großen
Holztafeln weisen sogar eine ganz wunderhübsche Craque-
lure auf, und trügen die Tafeln nicht das Signum des
Künstlers, so hätte wohl schon längst ein Sammler diese
Bilder als authentische „echte" alte Meister um schweres
Geld erstanden, weniger gut schneidet Theodore Weber
mit seiner Kollektion Marinen ab. Daß seine virtuose
piuselfertigkeit Liebhaber findet, zeigt der häufige vermerk:
„verkauft"; nichtsdestoweniger ist man heute über diese
Art von Rezextmalerei doch um einige Kopflängen hinaus-
gewachsen. Mit schottischer Stimmungsmalerei hat es eine
Dame, Baronin E. v. Scharfenberg - Wannsee versucht.
Paterson und die boys ok AlasZow sind bei diesen Arbeiten
Pathe gestanden, aber die weiche, duftige und verschwommene
Art' der Schotten ist hier zum Schema geworden. — Bei
Rud. Bangel hat neben wilh. Steinhausen, F. Preller
und Ldm. Stexpes ein jüngerer Künstler, Hans Diehl-
Wollendorf, eine Sammlung tüchtiger und talentvoller Ar-
beiten verschiedenster Art ausgestellt.
Am reichhaltigsten und künstlerisch vornehmsten aber
xräsentirt sich wie immer die neu arrangirte Ausstellung
im Salon Hermes. Emile Claus, der bekannte bel-
gische Plainarist, wohl einer der konsequentesten Freilicht-
maler, ist mit einer Sammlung von (3 Gelgemälden ver-
treten. Die Virtuosität, mit der Claus das flimmernde
Sonnenlicht malt, ist verblüffend, aber nicht immer bleibt
er in den Grenzen, die uns mit voller lleberzeugung an
die Naturwahrheit glauben lassen. Ganz entzückend aber
 
Annotationen