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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 4
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Galland, Georg: Vom deutschen Goldschmiedtage
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0064
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50

4- Die Aunst-Halle —
° .

Nr.

den neulich deutsche Goldschmiede und Juweliere auf
der pariser Weltausstellung errangen und unter-
dessen vollem Eindruck noch die Versammlung in
jenen Festtagen stand. So durften die Herren es
nur den eigenen Verdiensten zuschreiben, wenn die
erlebten Tage auch für weitere Kreise nicht ungehört
und unverstanden verrauschten, wenn selbst die
preußische Staatsregierung und derBerliner Magistrat,
sowie einzelne Museen und Vereine, sich nicht die
Gelegenheit nehmen lassen wollten, ihre Theilnahme
für den Arbeitsplan des deutschen Goldschmiedetages
auszudrücken. Abgehalten im Mittelpunkte des Reiches,
an einer der Kunst und den Künstlern gewidmeten
Stätte, im Berliner Künstlerhause, wird er ohne
Zweifel allen betheiligten Angehörigen des Faches
dauernd im Gedächtniß bleiben, zugleich als Ehren-
tag für die Berliner Innung gelten und einen Mark-
stein in der Geschichte der deutschen Goldschmiede^
kunst bilden. War doch das erste handgreifliche
Resultat des Zusammenkommens, wobei Besprechungen,
Gedankenaustausch und mancherlei Anregungen zur
Hebung des nationalen Gewerbes gepflogen wurden,
die Gründung eines Verbandes deutscher Juwelier-,
Gold- und Silberschmiede-Innungen. Von diesem
engen Zusammenschluß erwarten die Betheiligten eine
künftige Besserung gewisser noch herrschender Miß-
stände und damit eine Hebung des kunsthandwerklichen
Niveaus in ihrem Fache.
Auch im Uebrigen nabm der deutsche Gold-
schmiedetag einen würdigen Verlauf. Sitzung reihte
sich an Sitzung, Fest an Fest und dazwischen galt
das ganz besondere Interesse der Theilnehmer dem
Besuch hervorragender Sammlungen. War doch im
Programm ausdrücklich angekündigt worden, daß
Kleinodien zur Besichtigung gelangen würden, welche
sonst schwer, ja zum Theil garnicht zugänglich sind.
Das Märkische Provinzialmuseum, welches in
seinem neuen provisorischen Heim in der Zimmer-
straße erst in diesen Tagen der Allgemeinheit geöffnet
wurde, hatte im voraus Toilette gemacht und den
deutschen Goldschmieden seine werthvollen historischen
Stücke, die einst den Kirchen, Rathhäusern, Gilden re.
der Heimathprovinz angehörten, und ferner zum
ersten Male die vom verstorbenen Stadtrath Löwe
dem Museum geschenkte Sammlung von Kostbarkeiten
durch Kustos Buchholz vorgeführt. Geheimrath Ernst
Friedel hatte hierzu bei seiner Begrüßung der Ver-
sammlung im Künstlerhause am Morgen des
2. Novembers feinsinnige Erläuterungen gegeben im
Zusammenhang mit einem fesselnden geschichtlichen
Ueberblick über die pflege der Goldschmiedekunst am
Hofe der Hohenzollern. Geheimrath Prof. I. Lessing
erweiterte diese geschichtlichen Betrachtungen unter
Hinweis auf die zu Ehrer: des gegenwärtigen Unter-
nehmens im Lichthofe des Kunstgewerbemuseums
leider nur für ein paar Tage bestimmte reichhaltige
Sonderausstellung, die am Nachmittag zugleich nur

den: sog. Goldsaale des Museums unter berufener
Führung in Augenschein genommen wurde. Da dem
Schreiber die Autopsie des Gebotenen fehlt, sei es
ihm gestattet, einige Worte unseres I. I.-Mitarbeiters
anzuführen:
Den Mitteltheil des Lichthofes nahmen die
Urkunden der Berliner Goldschmiede-Innung ein, die
mit Ehrfurcht vor dieser Jahrhunderte alten
Korporation erfüllten. Viel beachtet wurden des
Hamburgers Jakob Moers Original-Entwürfe, die
dem s6. Jahrhundert entstammen. Eine Anzahl
prunkvoller Pokale und Tafelaufsätze zeigen künstle-
risch höchst ansprechende Formen z. B. ein stattliches
Tafelschiff im Frührenaissancestil. In den mittleren
Gängen des Saales sah man zumal in Kupferstich
reproduzirte Entwürfe aus verschiedenen Blüthe-
epochen dieses Kunsthandwerks. Köstliche Geräthe
und Schmuckstücke aus althellenischer und namentlich
aus altrömischer Zeit, wie die berühmten Fundstücke
von Vernay, Bosco Reale am Vesuv und Hildesheim,
gaben von dem respektablen Können und dem ver-
feinerten Geschmack der Antike Zeugniß. Nicht minder
bemerkenswerth war das Mittelalter durch kunstreiche
Geräthe des kirchlichen Ritus aus romanischen und
gothischen Epochen vertreten. Die vollendete Schön-
heit der Werke der Renaissance Italiens und Deutsch-
lands, deren Mittelpunkte einerseits die pollajuolo
und Tellini, andererseits ein Iamnitzer waren,
lernten die Besucher vornehmlich aus ausgelegten
Heften und Blättern kennen und schätzen. Natürlich
fehlten in dieser Sammlung weder die andern Länder
noch die späteren Stilarten wie das Rokoko, sodaß
ein ziemlich geschlossenes Bild der Gesammt-
entwickelung der Goldschmiedekunst ermöglicht wurde.
Am 5. November galt der Besuch der Theil-
nehmer zunächst dem Kgl. Museum für Völkerkunde,
den prähistorischen Goldfunden und den durch die
Schliemannschen Ausgrabungen gewonnenen tro-
janischen Goldalterthümern daselbst. Nachmittags
krönte die Reihe dieser Vorführungen die Besichtigung
der sonst nicht leicht zugänglichen Kunstwerke im alten
Stadtschlosse. Man sah hier das Silberbüffet in: sog.
Rittersaale mit den erstrangigen großen Prunkstücken
aus den: s6. bis s8. Jahrhundert, ferner die Silber-
kammer mit ihren in Gold bezw. in Silber ge-
schmiedeten äußerst opulenten Tafelschmuckgeräthen
und -gefäßen aus früheren und jüngsten Zeiten und
endlich die Juwelen und anderen Kostbarkeiten des
Krontresors.
Der Vierjahrhundert-Feier für Benvenuto
Tellini galt besonders die Festrede, die am Abend
des zweiten Tages vom Direktor Dr. Jessen über
den genialen Renaissancemeister gehalten wurde. Sie
gab auf der Basis der temperamentvollen eigenen
Lebensbeschreibung Tellinis ein Bild des wunder-
baren Handwerkers, der zugleich ein Künstler ohne
Furcht und Tadel war, ein lebendiges Bild des ehr-
 
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