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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 4
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Galland, Georg: Vom deutschen Goldschmiedtage
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W., D.: Die Goldschmiedekunst zur Zeit Benvenuto Cellinis
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0065
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Nr. H

4- Die Aunst-Halle

5l

geizigen Goldschmiedes, der — halb Diener halb
Berather, — für jüäpste, Kardinale, Fürsten und
Fürstinnen arbeitete und dabei durch zwei, von Justus
Brinkmann ins Deutsche übertragene Abhandlungen
über die Goldschmiedekunst und über die Skulptur
nachhaltig als Lehrer wirkte, auch ein Bild des merk-
würdigsten Menschen voll großartigen edlen Schwunges,
der daneben freilich mit allen Fehlern seiner rücksichts-
losen Generation behaftet war und gleich ihr nie
Bedenken trug, den harten Lebenskampf des be-
neideten Künstlers selbst mit allen unerlaubten Waffen
aufzunehmen.
Natürlich klang die Festrede wie jede der früher
gehörten Begrüßungreden in einem warmherzigen
Appell an die lebende Generation der deutschen Gold-
schmiede aus. Ls gilt fürwahr, nach dem großen
Borbild Cellini, auch heute das bsöchste in dein Fache
mit den ehrlichsten technischen und künstlerischen
Mitteln zu erstreben, um dadurch das Jahrhunderte
alte Aistehen des edlen Kunsthandwerks für die Gegen-
wart und Zukunft zu erneuern und zu kräftigen.
Wir schließen uns aus vollem bserzen diesen
Wünschen an! O. 0.
X
Vie üoiaschmieaeklllM rur Leit
venvenuto LelliniZ.
Den Festtheilnehmern am Goldschmiedetage in
Berlin hat das „Journal der Goldschmiedekunst"
ein geschmackvolles Büchlein gewidmet, das vorn auf
dem Umschlag mit dem Bildniß des berühmten
Meisters ^>es Cinquecentos geschmückt ist und einige
illustrirte Betrachtungen über heutige Arbeiten des
Juweliers und Goldschmiedes enthält. Zn der ge-
schichtlichen Einführung wird unter dem Titel:
„Die Goldschmiedekunst zu Tellinis Zeit und in der
Gegenwart" bemerkt, daß es nicht ohne Reiz sei,
gewisse Uebereinstimmungen dieses Kunsthandwerks
von damals und heute zu erkennen. Gb dies rein
zufällig so gekommen oder aber eine logische Folge
der Entwickelung des Geschmacks sei, könne hier nicht
näher untersucht werden. Es genüge für uns, in
großen Zügen-darauf aufmerksam zu machen, daß
namentlich die italienische Renaissance eine ganze
Menge mit unserer gegenwärtigen Kunstrichtung ge-
meinsame Züge hat und daß diese gerade in der
Geschmeide- und Edelschmiedekunst überzeugend zu
Tage treten.
„Sehen wir uns das Geschmeide aus der Zeit
Tellinis an, so finden wir schon in der Art ihrer
Anwendungen ganz ähnliche, wie solche in der aller-
jüngsten Zeit Mode sind. Insbesondere freilich er-
freute sich der Kettenschmuck einer allgemeinen
Beliebtheit und überwog dessen Gebrauch bei Weitem
den unsrigen und zwar derart, daß man sich mit
demselben nicht selten fömlich zu panzern pflegte.
Dann aber war es der aus dem Kettenschmuck hervor-
gegangene Anhänger, dem man die größte Auf-
merksamkeit und das größte Interesse zuwandte.
Die besten Meister des s6. Jahrhunderts, allen

voran Lellini, beschäftigten sich mit der Herstellung
derartiger künstlerischer Miniatur-Werke, die be-
stimmt waren, die Brust der Edelsten und Vor-
nehmsten zu schmücken. Und auch heute erleben wir
die Wiederbelebung dieser Mode, sowie daß die besten
Meister der Gegenwart, wir nennen nur den pariser
Rens Lalique, hierin Schönes und Bedeutsames
leisten. Ein durch die moderne Richtung wieder zu
Ehren gekommenes Requisit des Renaissance-Kostüms
ist der sich natürlich in der Gegenwart nur auf die
Frauenkleidung beschränkende Gürtel und der daran
befindliche Schmuck, die Gürtelschnalle und im be-
schränkten Maße die ihr ähnliche Mantelschließe.
Auch die CHLtelaine ist ein Schmuckstück, welches
in der Zeit der Renaissance sich allgemeiner Beliebt-
heit erfreute und schließlich auch das „Charivari",
in Form von einer Anzahl Berloques, Amulettes,
Trophäen oder zierlicher Gebrauchsgegenstände.
Auch die Tabelliere hat in Gestalt von Cigarren-
und Cigaretten-Etuis als Schmuckstück wieder
ihre Auferstehung erlebt.
Doch nicht nur in der Gebrauchsform, sondern
auch in der technischen Behandlung und in dem
Material hat in der Gegenwart das Geschmeide ab-
weichend von dem der jüngst verstossenen Epochen
ungemein Vieles mit dem des s6. Jahrhunderts
gemein. Der unserer modernen künstlerischen An-
schauung zu Grunde liegende Gedanke, die Natur als
das Vorbild künstlerischer Schönheit zu betrachten,
bringt es mit sich, daß gleich wie in der Zeit der
Renaissance das Gold in seiner natürlichen Farbe an
Werthschätzung verliert, daß es verschiedentlich gefärbt
oder mit Email überzogen und mit buntfarbigen
Edelsteinen in Verbindung gebracht wird, unter denen
dem Diamanten nicht die Rolle des Werthobjektes,
sondern nur die der Darstellung eines Effektes in der
Natur zufällt. Auch darin liegt das Gemeinsame,
daß das Schmuckstück nicht blos eine ornamentale
Zuthat zum Kostüm bildet, sondern daß es Sprache
erhält und einen Gedanken zum Ausdruck zu
bringen hat. Zn diesem Gedanken aber liegt auch
der Unterschied zwischen Renaissance des f6. Jahr-
hunderts und, wir können sie ungescheut so bezeichnen,
der Renaissance der Gegenwart. Die Kunst
des f6. Jahrhunderts war in Fracht, Reichthum und
lärmender Freude geboren und trug daher das Antlitz
ihrer übersprudelnden Zeit, heiter und voller Lebens-
freude. Anders die Kunst unserer Zeit. Sie hat
sich durch ein Jahrhundert voll Sorge und bitteren
Lebensernst hindurch gerungen, die siKosa des
materiellen Lehens und der grübelnde Zweifel an
dem Wesen des Göttlichen hat an ihrer Wiege ge-
standen und ihr den wehmüthigen, ernst überlegenden
Zug mit auf den Weg gegeben, sodaß man die
gegenwärtige Kunst die der „schauenden Ueberlegung"
nennen könnte. Auch finden wir in einer Eigenart
sowohl der Renaissance, als auch der neuen Richtung
gleichzeitig Gemeinsames und Unterschiedliches, nämlich
in der Darstellung des menschlichen Körpers, die
sowohl in dem Geschmeide, als auch und zwar
vornehmlich auf den Zier- und s)runkgefäßen zur
Anwendung kommt. Die Renaissance bevorzugt
ebenso wie die Moderne „das Unverhüllte", lehnt
sich aber dabei vollständig an die klassischen Formen
der Antike an, während der Künstler unserer Zeit
„hinein ins volle Menschenleben greift" und nicht
Zdeale, sondern lebenathmende Figuren schafft, Figuren,
die nicht begeistern, sondern zum Nachdenken anregen.
Ein typisches Beispiel für die charakteristischen
 
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