Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

DOI Heft:
Nummer 8
DOI Artikel:
E. Doeplers d. A. Lebenserinnerungen, [1]
DOI Artikel:
Gustav, Leopold: München: "Die Winterausstellung der Sezession"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0139
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 8

Die Aunst-Halle


mit den Worten: „Bie haben sich da einen großen
Meister erwählt, ich wünsche schnell Glück dazu!
Adieu!"
„Durch gemeinsame Betheiligung an Festvor-
bereitungen und durch die Zusammenkünfte auf der
Redaktion der „Fliegenden Blätter" war ich nach und
nach mit Moritz von Bchwind mehr und mehr be-
kannt geworden, sodaß ich mich wohl zu seinen Freunden
zählen durfte. Bein „Ritter Kurt's Brautfahrt",
„Die sieben Raben" und seine „Bieben Werke der
Barmherzigkeit" hatten mich entzückt, und sein echt
künstlerisches Wesen ihn mir außerordentlich werth
und lieb gemacht. — wenig bekannt dürfte wohl
seine geistreiche Aeußerung sein bei der Verleihung
seines ersten Ordens: „Z mach iner net besonders
viel aus dem Zäug, nur is mir oans angenehm,
man geht net mehr so nacket zu Hof!" Moritz von
Bchwind war ein ganz origineller Mann, der bei
aller Liebe zur Kunst doch manchmal für die Ver-
treter anderer Richtungen ein derbes Wort bei der
Hand hatte, so nannte er alle modernen Maler, die
in einer gewissen Technik erzellirten, „die Hundskerl"
oder die „Galanterie-Arbeiter", die ganze Richtung
pilotys und seiner Schüler „Unglück in Wasserstiefeln!"
— Lines Tages, als ich ein Bild, welches ich eben
mit Kohle entworfen hatte, „Kurfürst Ferdinand
Maria, seine Braut die Prinzessin Adelheid von
Bavoyen bei Kufstein an der Grenze des Bayerlandes
empfangend" von einem Atelier nach einem anderen
über den Korridor der Akademie bringen ließ, nnd
von Bchwind, der von mir erfahren, daß ich bei
piloty eingetreten sei, dazu kam, stellte er die Arbeiter,
die das Bild trugen und sagte zu mir: „Zetzt müssens
nur mal zeigen, woas Bie malen wollen! Nachdem
er die Komposition einige Zeit, nicht ohne Wohl-
wollen in seinem Gesichtsausdruck betrachtet hatte,
sagte er: „Na schauens, dös sein schon a Wasser-
stiefeln, wies ja beim piloty net anders san koan,
aber wenigstens is dösmal koa Unglück dabei! Gott
befohlen, na machen Bie's guat!" Auf der Akademie
war einst ein großer Btreit unter den Professoren
entstanden, um ein Bild „Apoll den Marsyas
schindend", und dessen Lchtheit von Vielen bestritten
wurde. Als von Bchwind darüber nun auch befragt
wurde, sagte er: „Dös is ganz gleichmütig, so viel is
g'wiß, daß Raffael sich nur n'e Lhr draus machen
koan, wenn ihm ean so guates Bild, wie dös da
zug'schrieben wird!" — Ich hatte mich auf der
Akademie immatrikuliren lassen, um Theil an: Akt-
zeichnen nehmen zu können und mußte, als beinahe
Zojähriger Mann unter 73—HO jungen Renten von
s6—20 Jahren sitzen, und mich von den verschiedenen
Professoren der Akademie korrigiren lassen. Lin jeder
Professor hatte eine Woche die Korrektur zu über-
nehmen und so traf es sich, daß Moritz von Bchwind
auch an die Reihe kann wir hatten als Modell
einen jungen Mann, der von meinem schlechten Platz
aus nur eine Btreifbeleuchtung hatte und eine wenig
dankbare Zeichnung versprach. Bchwind erschien am
Anfang der Woche, begrüßte mich kordial, als er an
meinen Platz kam, wie inan einen guten Freund be-
grüßt, und sagte dann: „Jetzt soagen's mal lieber
Doepler, malen's den Ofen, oder malen's den Mann?"
Lin schwarzer Bäulenofen stand nicht weit vom Modell
und so mochte die Frage am Beginn der Arbeit nicht
ganz ohne Berechtigung erscheinen. Am Schluß der
Woche erschien Professor Bchwind zur Bchlußkorrektur
und jagte, nachdem er mich begrüßt: „Nun schauen's,

da haben Bie ean ganz schönen Akt gemacht, und
schwer war er a!", „Z gratulier!" Dieses Lob hob
mich sehr in der Achtung der ganzen halbwüchsigen
Gesellschaft der Mitarbeiter an dem Akt."
(Schluß folgt.)
Miincken-
„Die Wiliterallsstkllung der LeWon."
leich der vorjährigen Winterveranstaltung birgt das
Ausstellungsgebäude am Königsplatz wiederum Ab-
güsse und Reproduktionen von Werken alter Meister.
Letztere umfassen eine ziemlich erschöpfende Auswahl der
Bilder von Rembrandt nnd Franz Hals. Die Plastik mit
den Pisanos beginnend und mit Leone Leoni endigend
bevorzugt jedoch völlig die Frührenaissance.
wir beginnen bei den Gemälden. Die Kohledrucke
von Braun, Element Eo geben ja die Feinheiten der
(Originale mit der bis jetzt möglichsten Schärfe wieder und
es ist jedensalls von instruktivem Werth, die in den vielen
Gallerien zerstreuten Werke Rembrandts und Hals hier
beieinander zu sehen. Damit wir auch nicht gänzlich der
Farbe entbehren müssen, finden sich einige Kopien von
Mar Liebermann vor. Die vier Stücke sind sämmtlich nach
Franz Hals gemalt. Ls ist die Zigeunerin aus dem Louvre,
je zwei Fragmente aus dein Doelenftück in Haarlem und
eine Figur aus dem Bilde: „Die Regenten des Waisen-
hauses in Haarlem". Diese Werke sind in der Pinsel-
sührung keine sklavischen Nachahmungen, entbehren aber
darum auch die sichere Ruhe des alten Meisters. Bei aller
Feinheit des Tons sind die Bilder nicht ganz frei von
moderner Nervosität.
Zn der Plastik sehen wir außer den Abgüssen eine
von Erwin Kurz subtil ausgeführte Marmorbüste nach
Verrochio aus dem Besitze des Prinzen Ernst von Meiningen
und ferner der: fliegenden Merkur von Giovanni da Bologna
von der Erzgießerei „Renaissance" in Bronze ausgeführt;
eine Arbeit, die man mit ungeschmälerter Freude genießen
kann. Die getönten Abgüsse geben von den Originalen mehr
als eine hübsche Ahnung nnd wir sehen mit Freude, daß
das Publikum es sich vielfach nicht entgehen läßt, solche
für ihr Heim zu erwerben; die Kinderköpfe Donatellos und
Desiderios erfreuen sich hierbei besonderer Vorliebe.
Manches fehlt, was inan gerne sehen würde; manches
könnte man schließlich entbehren; aber das ist auch wieder
in gewissem Sinne individuell; es genügt wohl in großen
Zügen anzudeuten, welche Werke die Ausstellung besitzt.
Von Niccolo und Giovanni Pisano das Relief der Geburt
Ehristi von der Kanzel des Domes in Siena; von letzterem
Meister die Madonna della Eintola und von Santa Maria
del Fiore. Von Guercia Reliefs vom Hauptthore der
Kirche von S. Petronio in Bologna und die Statuette des
Johannes des Täufers aus Siena. Eivitale ist hauptsäch-
lich mit seinen Werken aus der Kirche San Martino in
Lucca vertreten. Von Verrochio sehen wir die Davidstatue,
den Brunnen im Palazzo Vecchio, Halbreliefs iMath.
Eorvinus) und Büsten, auch über Mino da Fiesoles Büsten
findet man eine gute Ilebersicht. Donatellos lachender
Bambino ist schon genannt worden; die Anbetung und die
Maria mit dem Kinde (Kensington-Museum) genügen, da
der Meister im vorigen Winter in solch ausführlicher weise
vorgeführt wurde.
Von Andrea della Robbia greifen wir die Begegnung
des heiligen Dominikus mit dem heiligen Franziskus heraus
und von Luca die lieblichen Kinderreliefs an der Sänger-
tribüne in Florenz.
Das Halbjahrtausendjubiläum Benvenuto Eellinis hat
die Veranlassung gegeben, auch diesen mit seiner Büste
Gregors VAI. und dem Perseus einzureihen; zu dein sich
Leone Leoni, Giovanni da Bologna und Bernini gesellen.
Leopold Gustav.
L
 
Annotationen