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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 14
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Galland, Georg: Die Berliner Geschichtsmalerei vor Menzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0248
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Die Aunst-Halle

Nr.


Malerdekorateure, deren letzte Größe Tiexolo damals
noch lebte, genommen werden. Mit ihnen theilte
Rode die Gepflogenheit, die Gestalten, die er schuf,
nicht charakteristisch durchzubilden, nicht invividuell zu
beseelen. DietypischeBehandlung der menschlichenFigur
und ihrer Glieder will indeß weniger als ein Fehler
des Meisters betrachtet sein, sondern sie offenbart die
Eigenschaft des Dekorateurs. Aber diese Eigenschaft
wirkt im Staffeleibilde, im Historiengemälde natürlich
so unvortheilhaft wie nur möglich. Die älteren Zeit-
genossen, wie Friedrich Nikolai und der Dichter
Ramler, der an ihn eine Gde richtete, hatten trotzdem
eine sehr hohe Meinung von Rode's Fähigkeit nicht
nur als Maler von Deckenfresken, sondern auch als
Schöpfer von Historien religiöser und weltlicher
Gattung, selbst als Porträtist und endlich als Radirer.
Ein großer Theil seiner Plafondmalereien, die für
die künstlerische Beurtheilung wohl wichtig wären,
ist leider zu Grunde gegangen; seine Altargemälde sind
sehr zerstreut und darum nicht leicht zugänglich. Was
ich von ihm allein kenne, seine Radirungen und ein
paar Gemälde, lassen ihn als einen Künstler erkennen,
der sehr geschickt Selbflersonnenes und auch von älteren
Meistern Entlehntes zu gefälligen Kompositionen
zu verbinden wußte. Seine Gruppirungen zeigen ent-
schieden malerischen Geschmack. Seine Farbe ist die
lichte, heitere der Rokokozeit. Zn seinen Historien
wirkt er zumeist übersichtlich und verständlich, und er
weiß auch Theilnahme für seinen Gegenstand zu ge-
winnen. Das ist sicherlich nicht Alles, was zu einem
wirklichen Historienmaler gehört; aber für jene Epoche
erscheinen die (Qualitäten Rode's immerhin beträcbtlich.
Es spricht für sein Können wie für die allgemeine
Anerkennung, die er frühzeitig fand, daß er für den
König ein von pesne unvollendet zurückgelassenes
großes Gemälde, einen „Raub der Helena", vollenden
durfte. Thodowiecki besaß von ihm — wie Nikolai
in seiner Topographie von Berlin und Potsdam lpD)
bemerkt — außer einigen Bibelbildern eine Historie,
den Tod Kaiser Barbarossas vorstellend.
Rode's Stoffgebiet war also, wie man aus meinen
flüchtigen Angaben schon entnehmen kann, recht um-
fassend. Das Interessanteste für uns aber ist wohü
daß er für die heimische Malerei das vaterländische
Gebiet inaugurirt hat — wie gesagt, 50 Jahre vor
Adolph Menzel. Daß die Kunstgeschichtsschreibung
unserer Tage eine so erhebliche Thatsache verschweigen
konnte, scheint mir im hohen Grade bedauerlich.
Statt dessen hat sie freilich ein analoges Verdienst,
welches sich ein Anglo-Amerikaner ungefähr um die-
selbe Zeit erwarb, als eine künstlerische Großthat ge-
feiert. Benjamin West und einige seiner Lands-
leute haben damals der Geschichte ihrer amerikanischen
Nation geeignete Stoffe entnommen. Gebührt diesen
Leistungen der Ausländer zeitlich und vom malerischen
Standpunkt jedenfalls der Vorrang, so ist doch wohl
daneben das Verdienst Rode's noch immer wenigstens

der nachdrücklichen Erwähnung werth, obwohl freilich
es von einem deutschen Autor fast zu viel verlangt
wäre, dem Propheten im eigenen Lande gerecht zu
werden, also lediglich anzuerkennen, daß in den Tagen,
da Winckelmann und Lessing die empfänglichsten
Geister für das klassische Alterthum fesselten und
schließlich selbst die Künstler allerwärts in die formen-
strenge ideale Richtung drängten, daß damals nicht nur in
London die Amerikaner West undToxley nationale und
moderne Geschichtsstoffe wählten, sondern auch einzelne
unbeachtete preußische Maler in Berlin, die hier sogar
eifrige Nachfolger fanden.
Vorläufig, da an der Hand unserer geringen
Kenntniß der Werke Rodes die Frage der englischen
Priorität und künstlerischen Ueberlegenheit nicht absolut
zu entscheiden ist, sind wir genöthigt, dem alten
Schadow Glauben zu schenken, der das Berliner
Historienbild von jener englisch-amerikanischen Richtung
ableitete. Trotzdem möchte ich die Möglichkeit nicht
ganz abweisen, daß der damalige Realismus der
Berliner Maler ein später Ausläufer der älteren
niederländischen Wirklichkeitskunst gewesen sein
möchte, die im s7. Jahrhundert eine Pflegestätte an
der Spree hatte und diese Nachwirkung hier wohl
zeitigen konnte. War doch damals auch in der
Bildnerei Tassaert, der Lehrmeister Schadows, ein
Niederländer, der als Altersgenosse Rode's die Statuen
der Generale Seydlitz und Keith im realistischen Zeit-
kostüm für den Wilhelmsplatz meißelte.
Dennoch spricht Anderes für die gegenteilige
Meinung Schadows. West's berühmtes Gemälde
„Tod des Generals Wolfe in der Schlacht bei (Hue-
beck am s3. Sept. j759Z zum ersten Male bereits
s768 in der Royal Academy zu London ausgestellt,
ivar zweifellos frühzeitig durch den Kupferstich auch
in Berlin bekannt geworden. Es ist hier eine gefühl-
volle Szene von fast realer Auffassung komponirt, die
später wohl für Hunderte von Todesdarstellungen
zum Vorbild diente. Ein Gleiches für die preußische
Geschichte zu leisten, schreibt Schadow, seien Tuning-
Ham und Tlemens im Jahre l.78^ nach Berlin ge-
kommen. Er knüpft also an ein ganz bestimmtes
Datum an für die Uebertragung des modernen
Realismus auf die Berliner Geschichtsmalerei durch
den englischen Maler Tuningham und den englischen
Kupferstecher Tlemens. Ersterer habe einen richtigen
Blick für die preußischen Militärkostüme und die
Haltung des Militärs gehabt und nahm sich heraus,
unsere Meister zu korrigiren, was gut angenommen
wurde. Dann weiter: Tuningham malte Porträts
in Pastel; ihm lag daran, die Ähnlichkeiten zu er-
halten von Personal, welches den König bei der großen
Revue umgab. Auf der kürzlichen preußischen Kron-
jubiläums-Ausstellung war in der That auch ein
Melgemälde auf Leinwand (H69 m X 2,^ m) von
diesem Engländer zu sehen: „Friedrich der Große
mit seinem Gefolge vom Manöver zurückkehrend".
 
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