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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 14
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Galland, Georg: Die Berliner Geschichtsmalerei vor Menzel
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Zimmern, Helen: Pietro Canonica
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0249
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Nr.

4- Die Kunst-Halle

2(5

Ls ist dasselbe Bild, welches zuerst aus der akademischen
Kunstausstellung von (787 gezeigt wurde. Aus der
ersten Ausstellung von (786 wurde Tuningham noch
als „Bildnißmaler aus London" in: Katalog be-
zeichnet, ein Jahr nachher rangirte er bereits unter
die „Berlinischen Künstler", und bei der vierten Aus-
stellung wurde er Historienmaler und akademisches
Mitglied genannt. Auch der Begründer seiner
Nichtung der Historienschilderung in London,
Benjamin West, war ordentliches Mitglied der
Berliner Akademie, die seinen Lod in ihrer Ätzung
am 30. April (82 ( beklagte.
Liner genauen Untersuchung des aussindbaren
Materials muß es überlassen bleiben, künftig zu ent-
scheiden, ob der kunstgeschichtliche Thatbestand in den:
Schadowschen Buche zu Ungunsten unseres Bernhard
Kode etwa verschleiert und die dortige Angabe
event. zu korrigiren sei. Jedenfalls scheint es mir
wichtig, festzustellen, daß Node schon im Jahre der
Eröffnung der akademischen Ausstellungen nicht weniger
als 22 Historienbilder, zum Theil mit lebensgroßen
Figuren, zeigen konnte, und es ist wohl anzunehme.i,
daß manches dieser Merke aus der Zeit vor Tuning-
hams Ankunft in Berlin stammte. Allein (^ Stücke
dieser Sammlung bezogen sich auf die vaterländische
Geschichte. Ls muß uns vorläufig genügen, nur
die Themata kennen zu lernen : Burggraf Friedrich IN
übergiebt den: Kaiser Ludwig von Bayern den Degen
des von ihm besiegten Gegenkaisers. Friedrich t.
wird vom Kaiser Siegismund mit der Kurwürde be-
lehnt. Kurfürst Friedrich II. schlägt die böhmische
Krone aus. Albrecht Achilles erobert eine seindliche
Fahne. Johann Ticero als thatkräftiger Friedens-
fürst. Krönung der Kinder Joachims l. Joachim II.
nimmt zuerst den Kelch beim Hl. Abendmahl. Johann
Georg vertheilt an seine Söhne das fürstliche Lrbe.
Joachim Friedrich stiftet den Geheimen Staatsrath.
Johann Sigismund schließt eine protestantische Union.
Georg Wilhelms Unterredung mit Gustav Adolf von
Schweden. Der Große Kurfürst mit Derflinger auf
dem Kurischen Haff. Die Königskrönung Friedrichs IU.
König Friedrich Wilhelm belagert Stralsund . . .
Bis auf die damalige Gegenwart ist der Schöpfer
dieser Bilderfolge hier noch nicht gegangen. Auf jener
ersten Berliner Kunstausstellung führte ferner Daniel
Thodowiecki u. v. A. eine Allegorie auf den Frieden
der Kaiserin Katharina II. mit Polen und der Türkei
in Federzeichnung vor, dagegen sein jüngerer Bruder
Gottfried Thodowiecki 3 kleine Aquarelle: Schlachten-
bilder aus den: russisch-türkischen Kriege von (769
und (770 — also Zeitgeschichte im realen Gewände.
(Lin Schlußartikel folgt.)

Pieki-o Eayoyics.
Don Helen Zimmern, Florenz.

der modernen Kunst Italiens auch nur
reden, ist heutigen Tages fast verpönt
weit ist sie von den reinen alten Idealen
abgewichen. Ausstellung auf Ausstellung wird ver-
anstaltet — nach einen: Kunstwerk von wirklichem
Werth sieht man sich vergebens um. Bergangenen
Jahres in Venedig war ich aber auf's Angenehmste
überrascht, unter einer Menge der vulgärsten und
die Merkmale der Dekadenz aufweisenden Erzeugnisse
einen ans einen: Hellrothen Marmorblock gemeißelten
Mädchenkopf zu erblicken, der in jeder Linie ein so
überaus feines künstlerisches Empfinden darlegte, daß
ich bewundert vor den: einfachen Bildwerk stehen
blieb. Ls reizte mich, den Autor und sein bisheriges
Schaffen näher kennen zu lernen.
Pietro Tanonioa ist (869 in Turin geboren und
begann seine Studien, als er fast noch ein Knabe
war, an der Akademie seiner Vaterstadt, woselbst er
blieb, bis er sein siebzehntes Jahr zurückgelegt hatte.
Als er diesen Lebensabschnitt erwähnte, that er eine
Aeußerung, die für seine selbstständige Sinnesart
sprach. Er sagte, daß er in den Klassen zwar die
verschiedenei: Schülerpreise erhalten habe, doch bäte
er, dies nicht als eine Sache von Wichtigkeit zu
nehmen, sondern zu bedenken, wie wenig in jener Zeit
solche akademischen Auszeichnungen zu bedeuten hatten
und von welch geringen: Werth deren Erwerbung
war. Stürmisch und sorgenvoll waren seine Jünglings-
jahre, und das ist nicht ohne Einfluß auf sein Ge-
inüth gebliebei: und hat seinen: Wesei: einen Zug
von Melancholie beigemischt. Nachdem er die Akademie
verlasse,: hatte, arbeitete er auf eigene Hand, griff
nach allen möglichen Sujets, machte vielerlei ver-
suche und zerstörte oft, was er begönne,:. Im Jahre
s89f, in Palermo, stellte er zuerst aus. „Kontraste"
hatte er die kleine Figur einer bitterlich weinenden
jungen Ballett-Tänzerin benannt, deren Thränen das
zierliche Gekräusel ihres bauschigen Kostüms be-
netzten. Stellung und Züge wirkten so fesselnd, daß
dieses kleine Werk sofort das allgemeine Interesse
erregte. Auch wurde dem Künstler dafür die silberne
Medaille zuerkannt. Noch einige versuche, und dann
wurde er, gleich vielen seiner Tandsleute, des Wartens
aus Erfolg in Italien müde, und er sandte eine sehr
schöne, nackte Figur und eine Statue „Nach dem Ge-
lübde" auf die Pariser Ausstellung. Letztgenannte,
die Gestalt einer soeben eingekleideten jungen Novize
mit ernstem Antlitz, wirkt ergreifend durch den Aus-
druck tiefer seelischer Empfindung und der bei aller
Kindlichkeit, doch intensiven Ernsthaftigkeit ihres Ge-
fühls. Tanonica besitzt eine besondere Gabe für die
Darstellung von Kindergestalten und kindlichen Zügen.
Er hat die Antike studirt, mit Fleiß und Ausdauer,
weiß aber diese Studien selbstschöpferisch zu verwerthen,
so daß in Allem, was er hervorbringt, die Persönlich-
keit des Künstlers sich offenbart. Nie verfällt er in
schwächliche Nachahmung, die Idee des Kunstwerks,
die er mit den einfachsten Mitteln auszudrücken strebt,
ist stets seinem Geist entsprossen, aus seiner Seele
heraus entwickelt. Eine zielbewußte Gradheit ist der
Hauptzug in: Lharakter Lanonicas. Er geht den
direkten Weg zur Natur und sucht ihr abzugewinnen,
was sie ihm zu geben vermag. Dies ist vornehmlich
an einem Thristus zu erkennen, bei dem er zwar ge-
 
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