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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 15
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Imhof, Franz: Der Laie und das Kunsturtheil
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Gustav, Leopold: "München im 18. Jahrhundert": Ausstellung im Studiengebäude des Bayerischen Nationalmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0269
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Nr. 15

4- Die Aunst-Halle -4-

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viel verstehen wollen. Nur Lines soll er thun, sich durch
das Werk eine der Stimmungen, die in seiner Seele Hausen,
hervorlocken lassen. Der Betrachter muß jede mögliche
Stimmung schon erfahren haben. Aber gewiß ist nicht
jedes Werk geeignet, auch in diesem allseitigen, stimmungs-
reichen Beschauer eine Stimmung zum Klingen zu bringen.
Dann ist die Intention des Künstlers nicht stark genug
ausgedrückt; sein Gefühl war ohnmächtig. . . Das Publi-
kum soll nicht in Gallerien alter Werke Todtenkultus treiben.
Die Museen mögen werthvoll sein wie die Bibel- Aber es
giebt ein altes und ein neues Testament. Das Publikum
soll offenen Blickes durch die Natur, nicht durch die Museen
Italiens gehen, und, durch das moderne Leben schreitend,
für seine eigenen Gefühle nach künstlerischen Kompositionen
im eigenen Geiste suchen. So — im Geheimen als Künstler
wirkend — wird es den nach Neuem ringenden schaffenden
Künstler begreifen."
Mir scheint, daß der letztere Appell an das kunstge-
nießende Publikum durchaus Zustimmung verdient. Aber
ebenso verdienen die Worte eines Laien Beachtung: „wir
wollen aber gar nicht einen richtunggebenden Einfluß auf
die Entwicklung der Kunst nehmen, wir wollen bloß sagen
dürfen, ob uns ein Kunstwerk gefällt oder nicht; deshalb
gehen wir in eine Ausstellung. Bei jeder Ausstellung kann
man beobachten, daß die Herren Künstler gegen den Bei-
fall aus Laienmunde keineswegs unempfindlich sind. Den
Beifall heimst inan begierig ein, wagt es aber ein Laie,
ehrlich zu sagen: Das gefällt mir nicht! — so ist er urtheils-
los und soll mit der Beruhigung heimgehen, sein Enkel
werde schon auf den Geschmack kommen, warum nimmt
die Malerei ein Privilegium in Anspruch, das den anderen
Künsten nicht zukommt? wer urtheilt über den Schau-
spieler? Nur das Publikum; denn sein Kunstwerk ist nur
lebendig, so lange er spielt; er kann nicht auf die Aner-
kennung der Nachwelt warten. Die Geschichte zeigt uns
allerdings, daß große Kunstwerke erst spät ihre Würdigung
fanden; es wäre aber leicht zu zeigen, daß sehr häufig die
gleichzeitigen Künstler und Kritiker die Bedeutung eines
großen Kunstwerkes ebenso verkannten, wie die Laien.
Gewiß darf man aber nicht aus der Verkennung großer
Werke durch die Zeitgenossen den Schluß ziehen, daß alles
heute nicht Verstandene bei der Nachwelt ein besseres Ver-
ständniß finden werde; damit tröstet sich jedes verkannte
Genie. Also uns Laien ist nut der Verweisung auf die
Nachwelt wenig gedient, und wir hätten es lieber, den:
Künstler schwebte Schillers Satz vor: „wer den Besten
seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten."
Rio KKoäus, Mo sulbu!" —

Und ein Anderer meint gegenüber dem Tadel, den das
kritikübende Publikum im vorliegenden Falle bei manchen
Fachleuten fand: Um sich „vor der Gemeinheit der Straße"
zu schützen, sollten die Betheiligten ihre Einladungen nur
noch an akademische Maler, Bildhauer, Architekten oder
Kupferstecher versenden. „So lange sie aber Ausstellungen
veranstalten, Bestellungen für öffentliche Gebäude annehmen,
müssen sie es sich gefallen lassen, wenn der Beschauer mit
seinem Eintrittsgelds sich, wie überall, das Recht erkauft,
sein Urtheil zu fällen."
hiernach dürfte es wohl das Beste sein, sich gegen-
seitig vertragen und verstehen zu lernen. Und dazu hat
hoffentlich die öffentliche Aussprache beigetragen.

Franz Imhof.

„München im is. Zabrhunüett."
Ausstellung im Studiengebäude des
Bayerischen Nationalmuseums.

^^Wl^eim Durchschreiten der Säle habe ich vor
der Geschlossenheit und Harmonie der aus-
gestellten künstlerischen Erzeugnisse jener Ver-
gangenheit nicht ganz das Hochgefühl des modernen
Menschen bewahren können. Wie würde wohl
„München im Jahrhundert" in einer so abge-
kürzten Form sich ausnehmen? Wir stehen freilich
der Zeit zu»nahe, um den richtigen überschauenden
Blick für das wesentlichste zu gewinnen, den man
auch nicht bei den Autoren der Anthologien und
Sammelwerke, die uns schon an der Jahrhundert-
wende ein überhastetes Gesammtbild des abgerollten
säkulums gaben, voraussetzen darf . . Die von Gabriel
v. seid! und Nudols v. Seitz angeordnete Schau-

stellung ist jedenfalls geeignet, auch der zeitgenössischen
Kunst mancherlei Anregungen zu geben. Ihr Cha-
rakter ist dadurch, daß die Gegenstände aus ver-
schiedensten: Privatbesitz zusammengetragen sind, kein
streng systematischer. Wie bei der Aufstellung der
schätze des Nationalmuseums, hat man neben den
wissenschaftlichen auch die ästhetischen Gesichtspunkte
voll berücksichtigt. Ls galt, wie der „Führer" es
richtig bezeichnet, in erster Linie „Stimmungsbilder"
zu gestalten.

Die nut gärtnerischen: schmuck in: Stile des
s8. Jahrhunderts ausgestattete Eingangshalle
faßt den Wagenpark, Schlitten, einige portraits und
Iagdbilder; die prachtvolle Schmiedearbeit eines ver-
goldeten wirthshauszeichens, welche sich am saal-
eingang befindet, paßt trefflich zu den: Inhalt des
ersten Zimmers, welches das Münchener schenken-
leben veranschaulicht. Das interessanteste Stück auf
den: Wirthstische ist wohl der Fidibushalter. Licht-
putzscheere, Leuchter, kupferne Bierkühler, große Stein-
gutkrüge und solche in Fayence mit Zinndeckel; hier-
unter befindet sich manches sehr fein wirkende Stück.
Natürlich fehlen nicht Kruzifix, Weihwassergefäß und
Heiligbilder. Den modernen Theil des Raumes
nehmen Bilder von Peter Horen: ans ein. Diese
Darstellungen zeigen Feste sowohl bürgerlichen, wie
höfischen Charakters. Ihre nüchtern gegenständliche
Malweise gibt uns gerade dadurch von den Trachten
auf der Großhesseloher Kirchweih wie von allerhand
Gebrauchsgegenständen auf den portraits der Hof-
bediensteten ein genaues Bild. Saal II ist der
Wissenschaft und Kunst gewidmet; er zeigt er-
lesene Büchereinbände aus^ dem ehemaligen Besitze
Lorenz v. Westenrieders u. s. f., Musikdrucke und Hand-
schriften, ein Klavier und andere Musikinstrumente,
Sonnenuhren, Horizontaluhr nut Mittagskonone;
künstlerisch interessant war nur ein Merkur als Lupe-
halter. Die Gestalt des Götterboten ist zweifellos
von Giov. da Bologna angeregt. Line größere An-
sicht des gräfl. Törringschen Schlosses Winhöring nut
den zierlich gestutzten Hecken des Gartens veran-
schaulicht einen Sommersitz; einige portraits von
Künstlern und Musikern, ein von der Schwester des
Kurfürsten Max Joseph III gemaltes Familienbild
sind von Interesse; mehr noch ein Gemälde Jakob
Dörner d. Ae., den genannten Kurfürsten mit den:
Grafen salern an der Drehbank darstellend. Die
gespreizte Etiguette des Grafen bei der bürgerlichen
 
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