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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 17
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Rücklin, R.: Unpersönliche Kunst
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Harrach, Max: Die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0303
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Nr. f?

-2- DiÄ Aunsi-^alle -4-

265

wird sie unserer Kunst neuen Inhalt zuführen können,
aber sie wird nicht der Inhalt dieser Kunst sein,
was Allgemeingut geworden ist, kann nicht mehr
individuelle Kunst genannt werden. Aber deswegen
wird es gerade so gut und zeitgemäß sein können,
als wie zu der Zeit, da es noch eben erst von einem
Einzelnen gesunden war. Sei es noch einmal gesagt:
Unsere moderne Kunstentwickelung braucht nicht nur
verschieden große, sie braucht auch verschiedenartige
Kräste. Eine geschlossene Zeitkunst wollen wir ent-
wickeln, wo feder sich seiner Stelle freut, auch wenn
er nicht auf sich allein steht, wo es Jeden: wichtiger
ist, daß er überhaupt der Kunst dient, als daß er-
es aus eine ganz besondere, einzigartige Art thue.
X

Vie HuMellung M
varnmäMr Wmtlerkolonie.
von Riax Harr ach, Frankfurt a. Ui.

C^^H^M^ohl selten hat ein künstlerisches Unter-
nehmen noch während des Entstehens so
vielfaches Interesse erregt, wie das der
Darmstädter Künstlerkolonie, um damit sene unver-
meidlichen vorurtheile wachzurufen, die irr Zeiten
künstlerischer Reformstreitigkeiten und Parteikämpfe
wohl mit einer gewissen ingrimmigen Behaglichkeit
ausgesponnen zu werden pflegen, Heute, wo das
Werk vollendet, ist auch dem unparteiischen Thro-
nisten Gelegenheit gegeben, zu dein Streit der Riei-
nungen zwischen Für und wider Stellung zu nehmen.
Darmstadt gilt bei denen, die an „Großstadtlust"
gewöhnt sind, als eine Art „Gähnwinkel" — eine
Gegend, der man nicht gerade den Vorwurf über-
mäßiger Anregung machen kam:. Uiir hat die Haupt-
stadt des Hessenlaudes immer durch den ernsten, ge-
diegenen Eharakter imponirt, dei: kleine Residenzen
immer habe,:, sofern sie nicht „Großstadt spielen"
wollen. Nähert man sich mit der Bahn von Norden
her der Stadt, so leuchten uns voi: der Hammels-
trift — der freien Ebene, wo die Frankfurt - Darm-
stadt - Uiainzer Linieu sich kreuzen — eigenartig ent-
worfene große Plakate in grellen Farben entgegen,
ein Hinweis auf das große Schaustück, das unser
auf der „Räathildenhöhe" wartet.
wir gelangen, in langsamer Steigung durch die
Straßen der Altstadt wandernd, an einer Reihe
freundlicher Villen vorbei, deren eine Rieister Wallot
in geistvoller Neurenaissance geschaffen hat. Bald
gelangen wir auf das parkähnliche Gebiet, die
Riathildenböhe, wo die Gebäude der Ausstellung
und die Künstlerkolonie sich befinden. Das eigent-
liche Ausstellungsgebiet umfaßt dei: ganzen Bergab-
hang der Mathildenhöhe zur Rechten der neuen
russischen Kapelle und erstreckt sich auch links von
dieser bis zum platanenhain, um sich schließlich in
einer breiten, den Volksbelustigungen gewidmeten
Rasenfläche zum Ring zu schließen. Gegei: Sie Stadt
zu begrenzt ein originelles Geländer das Ausstellungs-
gebiet. Reber hell getöntes, hohes Drahtgeflecht er-
hebe,: sich in gleichen Abständen hohe Stände, die

Plakate tragen, welche künstlerisch entworfen und in
Oel auf Leinwand gemalt sind.
Betrete,: wir dei: kühn entworfenen Haupt -
eingang, der mit seinen breiten, hochstrebenden
Formen eine sehr originelle Wirkung erzielt, so sehen
wir bereits die gärtnerische,: Anlagen mit dei: da-
zwischen liegenden Hauptgebäuden in malerischer An-
ordnung gruppirt. Der Haupteingang ist von I. Ri.
Olbrich geschaffen; er hat auch die Pläne fast aller
übrigen Baulichkeitei: entworfen und dem ganzen
Unternehmen in Bezug auf architektonische Wirkung
seinen persönlichen künstlerischen Stempel ausgeprägt.
Wer dei: Entwicklungsgang dieses modernen Archi-
tekten verfolgt hat, voi: dei: erste:: Anfängen mit
Beiträgen zu dei: bekannten zarten Künstlerkarten, die
das „wiener Genre" gewissermaßen populär gemacht
Habei:, voi: dem Bau des wiener Sezessionsgebäudes,
über das sich „tout wieu" eine Zeitlang weidlich
moguirte, bis auf die zahlreichen Entwürfe für Bauten
und Innenarchitektur, Grabdenkmäler und Brunnen
und dergl. in den letzten Jahren, der muß staunen
über die reiche, überquellende Phantasie und dei:
originellen Erfindergeist, über dei: dieser Künstler
verfügt. Er ist in seinen: Fache eine proteusnatur
von unerschöpflichem Gedankenreichthum, der freilich
zuweilen der feine Sim: für weises Riaßhalten in
der architektonisch begründeten Linie bedenklich
mangelt. Er liebt vor Allen: spärlichen Zierrath
mit Anlehnung ai: die Naturformen. — voi: den
Hauptgebäuden interessirt in erster Linie der große
Bau für Fläch en kun st, äußerlich eine mehr breite
als hohe Halle nut mäßig geschwungenem Satteldach
und einen: riesig breiien Fenster an der Hauptfassade.
In diesen: eigentlichen Hauptgebäude für Ausstellungs-
zwecke ist das Prinzip, das die „Sezessionisten" zu
ihren: eigenen vortheil oft beherzigt haben, mit
Konsequenz durchgeführt: „wenig, aber gut." Nur
weinge eingeladene Künstler zeigen hier gediegene
Proben sener Art von „angewandter" Kunst, die von
dei: Riodernen nut dein Sammelnamen Flächen -
kunst bezeichnet wird. In diese Rubrik fallen alle
Gattungen dekorativer Wandmalereien, Glasfenster,
Teppich- und Wandbehangmuster, Plakate, Buch-
schmuck- und Stickereientwürfe aller Art. Auf diesen:
Gebiet arbeiten voi: dei: sieben Kolonisten der Rialer
Hans Thristiansen, der namentlich in seinen Ent-
würfen für Glasgemälde ein eigengeartetes, fein-
fühlendes Dekorationstalent bekundet, die Rialer
Peter Behrens und Paul Bürk, die in Teppich-
und Wandbehängen, Buchschmuck- und Stickereient-
würfen viel Originelles geschaffen haben. Beide
sind von der „hohen Kunst" zur angewandten Kunst
übergetreten — nicht zu ihrem Schaden, wie die von
ihnen geschaffenen Oelbilder, Landschaftei: und Por-
träts beweise::.
Nach den: Ausstellungsbau für Flächenkunst be-
ansprucht das Künstlerhaus der Kolonisten, das sog.
Ernst Ludwigshaus, das Hauptinteresse. Eine
mehr breite als hohe Riauer mit einer Reihe kleiner
Fenster bildet die Hauptfassade, über die das Dach
schmal überhängt. Von außerordentlicher Monumen-
talität in der Wirkung ist das Eingangsthor, das
voi: zwei großen, von: Bildhauer Ludwig Habich
modellirten Figuren flankirt ist. Der Eingang führt
direkt zur Halle, die als Gesellschaftsraum gedacht
ist, wo sich die Kolonisten nach des Tages Arbeit zu
fröhlichem Thun vereinigen sollen. Rechts und links
von der Halle liege:: kleinere Ateliers. Die beiden
kleineren Figuren, die den Thorweg schmücken, sind
 
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