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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 17
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Imhof, Franz: Berliner Kunstausstellungen: die Ausstellung der "Sezession" (II)
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Die Aunst-Halle

Nr. s7

267

Rezession, wie sie die Berliner ist, hätte von Rechtswegen
der kräftig zugreifenden Jugend einen Rüst- nnd Kampf-
platz bieten müssen. Line Künstlerschaar, die sich non den
sogenannten Alten und deren Prinzipien so ostentativ ab-
sonderte, sollte es jedenfalls anders machen, als (wenn
auch nur nebenbei) mit einer schon historisch gewordenen
Malerei zu prunken, was sonst vorhanden ist, überwiegt
allerdings an Zahl, reicht aber nicht entfernt aus, ein
Bild des heutigen Schaffens zu geben. Das Publikum
erwartete, soweit es für künstlerischen Fortschritt empfäng-
lich ist, hier zu proben, wie an der Tafel der Sezession
der peurige schmeckt, nicht aber im jungen, sprossenden
Frühling auch init alten Konserven regalirt zu werden.
Davon giebt es hier eine ziemliche Menge. Line Wand
voll Leibis (das Leibi-Geschäft blüht freilich einstweilen
noch munterst eine wand mit Böcklins verschiedenen
wertstes gefüllt, ohne den jungen Larlo Böcklin, der auf
die pöhe einer entfernten Thür verwiesen wurde; dann
eine Anzahl älterer Bilder von Thoma; dazu die ganz
oder theilweise gar noch an Lourbets derbe, dunkle Mache
erinnernden Porträts und Marinen von Llaude Monet
und, gleichfalls aus den sechziger Jahren des verflossenen
Jahrhunderts, ein antiquirtes Damenbildnist von Renoir.
Dann folgen der greise Israels mit zwei großen Gemälden
von gewichtiger Dualität und der todte Jakob Maris mit
fünf Stücken; den herrlichen G. Segantini bei Leibe nicht zu
vergessen. So geht es auf verschiedenen Wandflächen
ungenirt weiter. Im Katalog wimmelt es von Kreuzen.
Der reine Kirchhof. lleberwiegend sind es nur mäßige
Arbeiten jener Koryphäen; auch einige echte perle» fehlen
nicht und beweisen zugleich, wie wahllos das Ganze zu
sammeugetragen ist, hierhergeschleudert von der pand des
Zufalles, durch die Welle des Knnsthandels. Niemand
zweifelt daran, daß sich alte Bilder in beliebiger Zahl zu
jeder Zeit zusammenbringen lassen. Sollten die perren
aber nichts Besseres leisten können, so wird inan ihre
stolzen Ankündigungen nicht sehr ernst nehmen.
Ich will dem Leser nachstehend einige Notizen, die
ich mir im Katalog gemacht habe, nicht vorenthalten.
Don Böcklins kleinen Sachen entzückt besonders der be-
kannte „Sommertag" und die „Denus Anadyomene".
Fraglich bleibt dagegen, ob seinem künstlerischen Andenken
durch die in die Mitte der Pauptwand gehängte hellfarbige
Ariost-Farce, die Rolands Raserei gegen den Feind als
den Kampf etwa eines Gorillas gegen weißbärtige Kretins
verbildlicht — überhaupt gedient ist? p. Baluscheks
Armeleutbild „Kohlenfuhren" beweist, daß die technischen
Unbeholfenheiten dieses Berliner Sittenschilderers ein so
großes Format der Leinwand ausschließen, wie leer, starr,
monoton wirken die Köpfe aller Figuren! Paul Baunr,
Berlin, bleibt in zwei Landschaften unentwegt auf dem
Boden des pariser „pleinairs" — vor zwanzig Jahren.
Benno Lecker liefert zwei neue Abendstimmungen im
obligaten dunkelgrün-blauen Ton; sein Sezefsionismus be-
hütet ihn nicht davor, in der eigenen Manier zu erstarren,
er scheint nach dem Ruhme zu streben, seinen kunstgeschicht-
lichen Platz zwischen Douzette und Sichel zu finden.
p. A. Besnard, Paris, „Pferdemarkt" leuchtet brillant
wie ein üppiges Bouquet. Aber man erlaubt sich be-
scheiden zu fragen, ob solche Farbenpoesie auf einen so
trivialen Stoff vergeudet werden darf? Die Sonne, heißt
es, scheint gleich hell auf Gute wie auf Böse; und so

mögen denn Manche fortfahren, ihre Misthaufen zu ver-
golden. Der Kolorist Ludwig von Pofmann ist glücklich
bei Besnard angekommen. Lr malte den Kampf zweier
Troglodyten um ein Weibchen und das püftbild einer
wohlgenährten Mänade, wie wenn Jemand mit aufge-
klebten bunten Briefmarken die Wirkung einer figürlich-
landschaftlichen Malerei zu erreichen sucht. Ltwas Fett-
ansatz konnten die von pofmannschen Figuren freilich
vertragen. Line neue Ltappe seiner Lntwickelnng im
fremden lkünstlerischen Revier bietet auch Martin
Brandenburg; die Leinwand „Menschen unter der
Wolke", aus der einige violette Rosen herabfallen, erinnert
an die abstruse und langweilige Räthselkunft gewisser
belgischer Symbolisten. Das Bischen Lrfreuliche, das
diese strebsamen jungen Künstler noch besaßen, ihren
Mptimismus, verlieren sie schließlich noch auf solcher Jagd
nach immer neuen Sensationen. Das Gemälde von
Brandenburg ist gedanklich wie koloristisch eine Deformität
schlimmster Art.
wenn inan die Hoffnungen der Sezession nennt, nennt
man auch Louis Lorinth. Die Generation des alten
naiven Lukas Lranach stand dem Ritterthum des Mittel-
alters so nahe, der Antike dagegen innerlich so fern, daß
man es verstehen kann, wem: Meister Lukas sich etwa den
Perseus, bei der Besreiung der Audromeda, als schwer-
gepanzerten Ritter dachte, wir aber, die wir herrliche
Derbildlichungen des antiken Paares und die Mythe des
Zeussohnes genau kennen, sehen in dem Gemälde von
Lorinth mit dem in einer Plattenrüstung unsichtbar ge-
machten peros und der entkleideten kurzbeinigen, drallen
Bauerndirne, hier Andromeda genannt, nnr einen klafter-
weiten künstlerischen Rückgang gegen frühere Leistungen,
ein rohes Machwerk, für ein Bierhaus offenbar geeigneter,
als für eine Kunstausstellung. Line Frucht von demselben
Baume ist Lorinths Damenfigur in Schwarz. Nnd dieser
Künstler setzte vor Jahren so hübsch, so vielversprechend
ein. Lin echter Sezessionist, also nach p. Grimms
„schönen" Worten ein Mann, der nach dem „Allein-sein-
wollen mit der Natur" sich sehnt, war Dincent
van Gogh (f). Nach dein Selbstporträt sah der Mann wie
ein wilder aus; und wenn der Mann allein sein wollte,
so hatte es möglicherweise den nämlichen guten Grund,
wie mit manchem Raucher, der seine Zigarre der
einsamen Natur opfert. Dieser Autor von fünf Landschaften,
die aus unglaublich roh und kindlich geschmierten bunten
Flecken zusammengesetzt sind, zog ungefähr die letzten
Konsequenzen jener Malmanier L. von Pofmanns . . Glück-
licher pugo Freiherr von pabermann! wie sonverän
streicht er die Bildnisse seiner nicht gerade schönen weib-
lichen Modelle über die Leinwand hin, mit diesem cynischen
Lächeln im Gesicht. So mancher gemalte Frauenkopf wirkt
wie ein Gedicht, dieses bnsenlose Bildniß von pabermanns
wie eine perverse Zote.
Auch einige wirklich gnte Sachen finden sich hier und
da. Ist das der scharfe Satiriker Th. Th. Peine, der
eine Dedute im Frühlingsschmuck, dieses „Flußthal", so
zart zu geben weiß? Die kleinen flotten Bilder von
G. p. Lngel ,.Altes Gehöft", „Fischerhaus" u. s. w. sieht
man mit Dergnügen; aber es find wohl nur Studien.
Das „Frühstück einer pandwerkerfamilie" von Julius
von Lhren fiel schon bei Schulte als famoses Interieur
vortheilhaft auf. Dor der großen, breit und kräftig ge-
 
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