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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 17
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Imhof, Franz: Berliner Kunstausstellungen: die Ausstellung der "Sezession" (II)
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Frankfurt a. M. Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0308
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268

Die Aunst-Halle

malten Leinwand „Nixensee' van Exter mit dem lebens-
großen Lauernknecht, der ganz vorn theilnahmlos ans
dein Bilde herausschaut, steht nian fragend, wie vor jenem
altvenetianischen Idyll der „Familie des Giorgione." Das
Thierstück „Truthühner unter Bäumen" von p. von peyden
hat die bekannten schönen (Dualitäten des hoch zu schätzen-
den Künstlers. Schramm-Zittau ist ähnlich großzügig
in einigen Bildern. Dagegen schmerzt es, einen früheren
Großen dieser Spezialität, p. Zügel, auf so abfallender
Ebene wiederzusehen. Der Impressionismus ist seinem ge-
sunden Farbengefühl schließlich verhängnißvoll geworden.
Vor seiner „Rastenden Schafheerde" haben Manche an ein
frisch geöffnetes pünengrab gedacht. Ich meine, die Steine
könnten auch Schweine vorstellen. Aber Schafe? —
Paul pöuigers Arbeiterbild ist in Zeichnung und Stimmung
nicht übel. kV. Leistikow ist dieses Mal recht ungleich;
die große Grunewaldszenerie ziehe ich der kleinen Land-
schaft vor, wo das summarische Malverfahren denn doch
zu aufdringlich wirkt, um eine künstlerische Wirkung mög-
lich zu machen. M. Liebermanns „Biergarten in Leyden"
wirkt wie die Wiederholung eines bekannten älteren
Motivs. Dir beiden dürftigen „Reiter am Strande" zeigen,
auf welches künstlerisch-geistige Niveau der Maler der
armen Leute emporgesunken ist. Pans Lichtenberger bringt
kleine Aktstudien mit vorwiegenden schwarzen und grauen
Tönen; interessanter Atelierkram, nichts mehr. Auch bei
Landenberger, der das Motiv der badenden Knaben gern
wiederholt, behält, die Leinwand Studiencharakter. Der
Berlinerskarbina und derNorwegerw er ensk io Id wollen
als Naturalisten ungefähr dasselbe; jener giebt aber
belgische und französische Fischertypen, malt Perspektiven
von der Seine mit feiner Beobachtung des Lebens, des
Lichtes und der Luft, während dieser aus dein heimischen
Boden seine Frende an der Rauheit, Frische und Echtheit
der ihm naheliegenden Motive zu schöpfen scheint und
deshalb gerade durch die Sprödigkeit der malerischen Be-
handlung ursprünglich wirkt, wie Skarbina, trotz technischer
Ueberlegenheit, niemals. A. Zorn führt den Pinsel am
sichersten, beinahe elegant; und wenn er meint, in solchen
keck studienmäßigen Bildern und Impressionen „Auf der
Treppe," Jin „Brauhaus" seine koloristischen Absichten erreicht
zu haben, müssen wir ihm glauben und zufrieden sein.
w. Trübuer, der mir in den drei vorhandenen Land-
schaften so sympathische Meister, kann in dem „paris-
urtheil" sicherlich nicht seine Absichten verwirklicht haben,
wenn ihm nicht daran lag, in dem hohen Grade von
pölzernheit und Unbeseelung aller Figuren den Entschluß
des dummen pirtenjünglings zu xersifliren. Kurt Stövings
ideale Szene „Von der Güte" hat die Zartheit und Innig-
keit der alten Sienesen wiederbelebt, Pans Looschen will
mit der kleinen frommen Monika im rothen Mantel wohl
nur die Illustration eines Kindermärchens geben Franz
Staffens ruhender Pan, der sicherlich von Meister Böcklin
tränmt, und Ernst Noethers bärtiger Kopf eines Faun
sind zwei famose Arbeiten. M. Schlichting hat, um eine
nichtssagende Flachlandschaft zu beleben, hinten eine
glühende Mondscheibe, vorn die Fliederfarbe eines Frauen-
kostüms gesetzt. F. von Uhde bevölkert drei Garten-
interieurs mit den obligaten Lichtflecken und seinen blonden
Töchtern. G. Reinigers große, derb hingehauene großeBanm-
landschaft bietet natürlich keine Augenweide, sie will be-
weisen, wie verlogen alles Gerede von der Schönheit dieser

Welt ist. K. Laughammer giebt eine gut gemalte märkische
Landschaft. Meister Raffaellis zwei pariser Straßen-
ansichten zeigen all den Reiz in Ton nnd Ausdruck, den
dieser Künstler mit seinem eigenthümlichen Malverfahren
bei derartigen Motiven zu entfalten weiß. Unter den
Bildnissen sind mir besonders zwei Frauenporträts von
Lavery aufgefallen, keineswegs als die besten, die dem
schottischen Maler bisher gelungen sind. Ich hebe sie aber
mn so mehr hervor, als einzelne Porträtisten der Sezession
(Sabine Lepsius, L. v. König) sichtlich unter Laverys Ein-
fluß stehen. Eine bemerkenswerthe Künstlerin in Kinder-
porträts ist Maria Slavona, Paris.
Die plastische Abtheilung enthält manche wirklich an-
crkennenswerthe und edle Arbeit, wie den bronzenen
„Stirnbinder" von St. Tauer, und A. volkmanus getönten
„Läufer am Ziel," dessen Ruhe freilich nicht die Aufregung
des vorhergegangenen Wettkampfes erklären hilft. August
Gauls Thierfiguren, zumal eine lebensgroße Löwin, ver-
dienen nnd finden volle Würdigung. Porträtbüsten von
Felderhoff, Klimsch, Gppler u. a. sind zum Theil tüchtig
und gelungen. Der „große" Rodin ist mit 7 Nummern
vertreten; die beiden größeren Stücke, „Ein Bürger von
Talais" und „Die innere Stimme" zieren als weiße Gipse
den Vorraum. Um in dein elenden Gipsfragment, das den
letzteren Titel führt, anscheinend eine verkrümmte Frauen-
gestalt vorstellend, überhaupt eiuen tieferen Sinn zu ent-
decken, dazu gehört wohl die ganze Verlogenheit von
Leuten, welche die „schöne" Gabe besitzen, Alles zu ver-
stehen und zu bewundern, was von der ihnen maßgebenden
Stelle als gedankenvoll und erhaben bezeichnet wird.
Franz Imhof.
X
frankkun a M.
UtllMbriel.
Zwei portraitausstellungen nehmen in den letzten
Wochen das Hauptinteresse der Kunstsreunde in Anspruch.
In Goldschmidt's Salon dominirte eine Lenbach-
kollektion nut über zwei Dutzend Bildnissen älteren, neueren
und neuesten Datums; unter letzteren ein Miguelbildniß
von (90f. Lenbach hat mit diesem Bilde wieder einmal
eine prächtige Probe seiner geistvollen Tharakterisirungs-
kunst gegeben. Wie fein ist in den Zügen des vielge-
nannten Staatsmannes der Ausdruck der Bouhomie, der
Schläue und der Klugheit wiedergegeben. Die Aehnlichkeit
ist zudem so frappant, daß man das Bild anreden möchte,
wie Michel Angelo feinen Moses: llsroks non parli! Auch
in den Bildnissen des Grafen Schack, Arnold Böcklius,
Kaiser Friedrichs und namentlich in dem Portrait einer
hiesigen Dame erweist sich Lenbach wieder als ein svoeateur
cles amss — ein Seelenbeschwörer von altmeisterlicher
Gröke. Weniger glücklich sind ein paar allzu billig ge-
machte Saharetköpfe uud die Bildnisse der Prinzessinnen
Kleinentine von Koburg und Mathilde. — Ans dieser
Lenbach-Ausstellung in die p. An gelt-Ausstellung im
Kunstverein zu gelangen, das ist so ungefähr ein
Abenteuer, wie das des Phaeton, der vom Sonnenwagen
gestürzt. Angeli zählt hier zwar treue Kunden, und all-
jährlich macht er hier seine Besuche. Die Preise, die er
sich für seine Bildnisse bezahlen läßt, sind die bei „pof-
 
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