Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

DOI Heft:
Nummer 21
DOI Artikel:
Dworaczek, Wilhelm: Gustav Gurschner
DOI Artikel:
Juanita: Die Pariser Salons, 2
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0374
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
326

ch- Die Run st-Halle

ihres künstlerischen Empfindens nieder. Der Ein-
fluß, welchen sie auf die Geschmacksrichtung übten,
war ein bedeutsamer. Das Kunstwerk begann,
vielleicht im Anfang von der Mode gefördert,
bald aber aus dem geläuterten Geschmack des
Publikums heraus die kostbarste Fabrikwaare zu ver-
drängen, und immer zahlreichere Talente wandten
ihr Können diesem neuen und fruchtbaren Zweige
künstlerischen Schaffens zu. Rasch zu Anerkennung
und besonderer Werthung hat sich der Wiener Bild-
hauer Gustav Gurschner durchgerungen. Ein zwei-
jähriger Aufenthalt in Paris hat die Entwicklung
seiner Begabung gewiß gefördert. Heute steht er
fast an der Spitze unserer Kleinplastcker. Er hat
reiche, quellende Phantasie und eine üppige
Schaffenskraft. Dabei arbeitet er leicht und sicher
und verbindet Feingefühl und Subtilität in der
Komposition mit einer vortrefflichen Technik.
Seine kleinen Figürchen haben eine schlanke,
schrvermüthige Grazie, und was sie auch immer dar-
stellen mögen, immer offenbart sich eine sehr glück-
liche Verbindung der schöpferischen Idee mit dein
Gebrauchszwecke des Gegenstandes. Dies giebt
seinen Schöpfungen neben der formalen Schönheit
noch den Reiz der Erfindung und bietet dem Künstler
Gelegenheit zu reicherer Vertiefung in Form und
Ausdruck. Er nennt eine elektrische Lampe „Licht-
geheimniß" und stellt eine schlanke, verhüllte Frauen-
gestalt dar, welche eine runde Glühlampe wie einen
Globus über dem Haupte hält. Ein von demselben
niederfallendes Tuch verhüllt geheimnißvoll das Ge-
sicht der Gestalt. Oder ein Tintenfaß, das er
„Repos" nennt, stellt ein halb geneigtes umgestürztes
Faß dar, an welchem, mit dem Haupte angelehnt,
eine zusammengekauerte Figur schläft. Eme Muschel
lampe, „Flut", trägt auf einem, gleich aufgepeitschten
Mellen ansteigenden arabesken Stil eine große perl-
muttermuschel, welche den Behälter für ein Glüh-
licht bildet. Darüber hinaus hebt sich, die beiden
Arme in der Richtung des freien Lichtstrahls ge-
breitet, eine nackte Mädchengestalt nut vom Mind
nach rückwärts gepeitschten Haaren. Eine elektrische
Figur, „Wahrheit" betitelt, stellt ein hohes, schlankes
Weib dar, die Formen von herber Jungfräulichkeit,
das in den beiden hoch erhobener: Armen einen
Schild trägt, von dessen Mitte das Licht zurück-
geworfen wird. Solche kleinen und zum Theil ent-
zückend anmuthigen Ideen hat unser Künstler in
reicher Menge verkörpert und verstand es so, die
schöpferische Phantasie in überaus ungezwungener
Weise in die Beschränkungen zu fügen, welche die
kunstgewerbliche Bestimmung der freien Idee natur-
gemäß auferlegt. Ueber seinen kleinen Figürchen,
welche den subtilen Wirkungen der feinen ver-
schwimmenden Formei: nachspüren, liegt der Zauber
einer poetischen Empfindung, diesohne manierirt oder
gesucht zu sein, dennoch nichts der süßlichen kon-

Nr. 2f

ventionellen Art hat, in welche die dekorative Klein-
plastik so leicht verfällt.
In Gurschn er spricht sich eben eine stark empfin-
dende, selbstständige Begabung aus, die an gute,:
Vorbildern herangereift, sehr bald zu persönlicher
Eigenart gelangte. Wer die Gurschnerschen Bronzen
genau kennt, wird seine Hand und seine künstlerische
Art sofort herausfinden. Und hierin liegt ein bedeut-
sames Moment echter Begabung, die dem jungen
Bildhauer einen geachteten Platz in der österreichischen
Kunst sichert. Nur sehr wenige unserer jungen
Künstler find so unbeirrt und zielbewußt ihren Ent-
wicklungsweg gegangen. Sein Ehrgeiz bescheidet
sich aber keineswegs mit den errungenen Erfolgen.
Er will auch auf das Gebiet der größeren Plastik
übergehen und hat eben eine in Marmor gedachte
Gruppe in Arbeit. Sein Fleiß und künstlerischer
Ernst lassen von dem jungen, erst 27jährigen Künstler
noch weit Bedeutenderes erhoffen. Seine kleinen
Bronzen bedeuten aber schon heute ein Stückchen
bester österreichischer Kunst.

Vis Pariser Saloys.
von Iuanita, Paris.
2. Die Ausstellung der „Zoeiste ckes
/Vrtiste8 Kran^ui8".
s ist nicht zu leugnen, daß es schwierig ist, die
vielen vortrefflicben Werke dieser Ausstellung
richtig zu beurtheilen, da sie in einem Meere von
Mittelmäßigkeiten Gefahr laufen, überfluthet zu
werden. Menn inan bedenkt, daß die Jury eine
unzählige Masse von Bildern zu beurtheilen hatte,
ehe sie 2s>00 der Aufnahme würdig hielt, ist es be-
greiflich, daß die Richter sich bisweilen geirrt und
Manches aufnahmen, das dem Begriff eines Kunst-
werkes schwerlich entspricht. Wir beginnen unsere
Rundschau nut der dekorativen Malerei, die hier einen
größeren Rang einnimmt, als in der benachbarten
Abtheilung. Meister Bonnat stellt ein allegorisches
Bild „Die Gerechtigkeit", ein Plafondgemälde für den
Iuftizpalast, aus. Eine auf festen Wolken sitzende,
blaugekleidete, energisch behandelte Frauenfigur, von
einem Glorienschein umgeben, streckt die eine Hand
aus, um die Schwachen zu beschützen, die andere,
um die Schuldigen zu strafen; über ihr hält ihr ein
von rothen Gewändern umgebenes Weib einen
Spiegel als Symbol der Wahrheit vor; weiter unten
flehen Witwen und Waisen die Gerechtigkeit an,
noch weiter unten werden die Bösen in den Abgrund
gestürzt. Die Korrektheit der Zeichnung, der meister-
hafte Aufbau, die kraftvolle Behandlung ersetzen in
dieser Komposition weder die Armuth des abge-
droschenen Symbols, noch die harte und reizlose
Ausführung. Könnten wir jedoch das Bild wirklich
als Plafond über unserm Haupte betrachten, so fiele
vielleicht unsere Beurtheilung weniger ungünstig aus.
Ein Gleiches ließe sich von dem großen Bilde
von Gabriel Terrier sagen, dessen sonniges Pla-
fond für das Theater von Nimes zur Verherrlichung
 
Annotationen