Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:
Das Leinöl als Sikkativ
DOI Artikel:
Die Krisis der Darmstädter Künstlerkolonie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0195

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



Uochen hat man die beſten Erfolge erzielt; bei längerem
Uochen nimmt die Trockenfähigkeit wieder ab, ein Um-
ſtand, der geeignet wäre, auf den erſten Moment zu ver-
blüffen. Indeſſen findet dies eine ganz natürliche Er-
klärung. Zu Anfang wird das im Leinöl enthaltene
waſſer verdrängt, im weiteren Verlaufe wird dann der
Eiweißſtoff zerſtört und ſchließlich Sauerſtoff aufgenommen.
Alle dieſe Prozeſſe ſind nach Ablauf von z Stunden beendet,
und das Leinöl enthält nichts mehr, was geeignet wäre,
ſeine Trockenfähigkeit weſentlich zu verzögern; wird aber
das Kochen dennoch weiter fortgeſetzt, ſo verdunſtet nun
ein Cheil der im Gele enthaltenen Gelſäure, außerdem
geht auch allmählich eine Zerſetzung des Geles vor ſich,
ſo daß das Produkt den an ein gutes Trockenöl geſtellten
Bedingungen nicht mehr entſpricht.

Setzt man dem Leinöl während des dreiſtündigen
Kochens Bleiglätte zu leine ſauerſtoffreiche Bleiverbindung),
ſo wird die Trockenfähigkeit noch erhöht; der Zweck hier-
von iſt, dem Gele in bequemer Form Sauerſtoff zuzuführen,
um dieſes zu orydiren. Indeſſen kann auch hier leicht des
Guten zu viel gethan werden. Wird nämlich dem Leinöl
in dieſer Weiſe im Uebermaaße Sauerſtoff zugeführt, ſo
trocknet es ſpäter zu ſchnell; die Oberfläche verhärtet ſich
alsdann und benimmt der darunter befindlichen Schicht die
Luft, ſo daß dieſe überhaupt nicht trocknen kann.

Außer Bleiglätte (Bleioxyd) eignet ſich von anderen
Metalloxyden nur noch Manganoxyd als Trockenmittel.
Die anderen Metalloxyde halten den Sauerſtoff zu feſt ge-
bunden, kommen daher für dieſen Zweck nicht in Frage.
Wie die Gryde von Blei und Mangan ſind auch die ent-
ſprechenden Karbonat-, Oral- und Borverbindungen als
Trockenmittel verwendbar. Nicht dagegen die Schwefel-
und Bariumverbindungen und Stoffe, wie Schlemmkreide,
Lampenruß, wie vielfach irrthümlich angenommen wird.

Wie der engliſche Chemiker Hartiley durch Verſuche
gefunden hat, trocknet Leinöl noch bedeutend beſſer, wenn
man ihm beim Kochen mit Trockenmitteln reichlich Luft
und Licht zuführt, und da hierbei gleichzeitig das Leinöl
ſehr viel heller wird, eignet ſich dieſes Trockenöl ganz be-
ſonders gut für hellere Farben.

Bekanntlich muß man nach dem Kochen der Trocken-
öle dieſe eine Zeitlang ruhig ſtehen laſſen, damit das
Trockenmittel, ſoweit es vom Leinöl nicht abſorbirt iſt,
Zeit findet, ſich zu ſetzen. Da dies häufig als ein Uebel-
ſtand empfunden wird, läßt man ſich nur zu oft dazu ver-
leiten, das Trockenöl zu frühzeitig in Gebrauch zu nehmen,
obwohl doch erfahrungsgemäß die Trockenkraft mit dem
Lagern noch zunimmt.

In Aonſumentenkreiſen begegnet man vielfach der
irrthümlichen Anſicht, daß man die Qualität eines Trocken-
öls an ſeiner Farbe erkennen könne, und daß ein Trocken-
öl um ſo beſſer ſei, je dunkler es iſt; das iſt aber garnicht
zutreffend; es giebt ſelbſt ganz helle Trockenöle, die beſſer
ſind als die dunkelſten, und vielfach ſind auch vom Fabri-
kanten die hellen Trockenöle gefärbt, damit dieſelben beim
käufer einen beſſeren Eindruck hervorrufen.

Seit einer langen Beihe von Jahren verwendet man
als Trockenmittel auch die verſchiedenſten Sorten von
Harzen. Der Dortheil derſelben liegt darin, daß ſie im
Leinöl vollſtändig löslich ſind; übrigens ſind ja auch im
Allgemeinen ſo hergeſtellte Trockenöle durchaus nicht
ſchlechter, als die erſt erwähnten; aber die leichte Löslich-
keit der Harze wird in letzter Zeit in einer Weiſe ausge-

nutzt, die nicht ſo ganz zu billigen iſt. Es wird nämlich
das Harz in einem äußerſt geringen Quantum Leinöl
durch Kochen zur Auflöſung gebracht, dieſe Löſung in
warmem Zuſtande mit rohem Leinöl vermiſcht und das
Gemiſch ſchließlich als „Gekochtes Leinöl“ verkauft. Es
braucht nicht erſt erwähnt zu werden, daß ein ſolches GOel
natürlich nicht dieſelben Eigenſchaften beſitzen kann, wie
ein mit wirklich gekochtem Leinöl hergeſtelltes. Es genügt
eben nicht, dem Leinöl eine gewiſſe Menge Harz zuzu-
führen; es muß auch der Waſſergehalt des Geles 2ꝛc. be-
ſeitigt werden. Ein nach dieſem ſonderbaren Verfahren
hergeſtelltes Trockenöl wird nie vollſtändig trocken, ſondern
wird ſich ſtets klebrig anfühlen. Hd.

%

Die Krilis
der darmſtädter Künſtlerkolonie.

8 on eingeweihter Seite wurde der „Germania“
kürzlich Folgendes geſchrieben: Der Stolz der
modernen Kunſtrichtung in Deutſchland, die
künſtlerkolonie in Darmſtadt, iſt ſeit Kurzem ſozuſagen in
ſchönſter Auflöſung begriffen. Wie bekannt, hatte der
Großherzog Ernſt Ludwig von Heſſen gegen Ende des
Jahres 1899 eine Reihe bekannter Vertreter der modernen
Kunſtbeſtrebungen eingeladen, in ſeiner Keſidenz ihren
Wohnſitz aufzuſchlagen, und hatte ihnen großherzig auf der
Mathildenhöhe Terrain für ihre Bausbauten zur Derfügung
geſtellt. Die Bauſummen wurden zum allergrößten Theil
vorgeſchoſſen; es war ſogar eine gewiſſe Ehrendotation
zugeſagt. Dieſe große Mäzenatenthat wurde von den
Modernen mit Recht enthuſiaſtiſch begrüßt. Um ſo be-
fremdlicher wirkt es, daß die an dieſes Unternehmen ge-
knüpften Hoffnungen ſich nicht erfüllt haben, wo doch die
Künſtler in ungehemmter Freiheit ihre Ideale realiſiren
konnten.

Schon die vorjährige Ausſtellung in Darmſtadt ſchloß
mit einem bedeutenden Defizit ab. Es wurden keine An-
käufe in nennenswertker Zahl, weder von Seiten des
Großherzogs, noch von Privaten, gemacht. Vach dem
Schluß der Ausſtellung mußten die Ausſteller das Ernſt-
Ludwig⸗Haus auf Verlangen des Miniſteriums ſofort räumen.
Die Anfangs vom Großherzog gezahlten Ehrenſolde wurden
vom Staate übernommen und die Begierung machte die
weitere Auszahlung davon abhängig, daß die Künſtler ihre
bisherigen „Leiſtungen“ namhaft machten. Darauf ver-
ließen zwei der jüngſten Künſtler, Bürck und Huber, ſofort
die Kolonie. Sie hatten der Begierung nicht geantwortet
und waren benachrichtigt worden, daß die Verpflichtungen
der Regierung ihnen gegenüber nunmehr aufhörten. Die
von den übrigen Künſtlern dem Miniſterium aufgezählten
Leiſtungen genügten dieſem jedenfalls nicht, denn es er-
folgte die Aufforderung, die Künſtler möchten neue Dor-
ſchläge zu einer Hebung und Nutzbarmachung ihrer Thätigkeit
bekannt geben. Die Regierung wünſchte „Meiſterkurſe“,
wie ſie Prof. Behrens in Nürnberg abgehalten hatte. Die
Differenzen wuchſen. Profeſſor Chriſtianſen verließ Darm-
ſtadt, um zunächſt nach Paris zu gehen. Joſ. M. Olbrich,
der Architekt der Kolonie, verzichtete auf ſein Gehalt.
Prof. Behrens ſcheint mit Boſſelt und Habich bleiben zu
 
Annotationen