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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 22
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Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellungen
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Harrach, Max: Die Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie 1904
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Die Kunst-Halle.

Nr. 22

malerisch mit Shawls drapirten Männer sind würdevoll
und lebenswahr dargestellt. Hat der Künstler ihnen
auch nichts speziell Lharakteristisches gegeben, so ist der
Erfolg dafür echter, da er diesmal ohne krasse Effekte
oder Uebertreibung erzielt wurde. Die Malerei ist
merkwürdig glatt, die Szene erscheint fast wie im
Spiegel gesehen. Nothenstein hat damit durch eine
neue Manier überrascht, freilich ohne die künstlerische
Intention stärker zum Ausdruck gebracht zu haben, als
in den anderen, mehr auf Popularität hinzielenden
Bildern, die er in diesjähriger Saison ausgestellt hat.
Die Kunstrichtung des Tages ist der künstlerischen
Entwicklung hier nicht günstig, wo nun einmal die
Vorliebe für das blos Aeußerliche und Oberflächliche
eine reine und tiefe Begeisterung selten aufkommen
läßt. Line Ausnahme bildet jedoch Swan, welcher
temperamentvolle und wahrhaft gediegene Künstler eine
Kollektion von Studien und Zeichnungen wilder Thiere
in der vius Loeiety, Louä Street, ausgestellt hat.
Das sind Darbietungen, von denen der intelligente
Kunstschüler weit mehr lernen kann, als von irgend
welchen der in London zur Zeit vorgeführten Merke.
Diese Sicherheit der Linienführung, die bewunderns-
werthe Zartheit, mit der hier der Stift gehandhabt
ist, und die Naturwahrheit dieser herrlichen Zeichnungen
dürften nicht leicht zu übertreffen sein. Es sind Por-
träts der schön gestalteten Geschöpfe der wildniß in
ihrer noch nicht von der Kultur beeinträchtigten ani-
malischen Kraft, die bei Allem, was sie thun, selbst in
den einfachsten Situationen, beim Gehen und Ruhen,
Essen und Trinken eine unbewußte Grazie und Har-
monie des Gliederbaues zeigen, wie dies das schwäch-
liche zivilisirte Menschengeschlecht längst verwirkt hat.
M
Zie MMIung Ser ZsrmtMer
AölirNerkolonie IM.
von Mar Harrach, Frankfurt a. M.
ieder regt es sich auf den stillen baumbeschatteten
bvegen der Mathildenhöhe. Meiße, venetianische
Masten ragen in langen Reihen den viktoria-
Melittaweg entlang und bunte Mimpel flattern lustig
im Sommerwinde. Die stille Residenz am großen Woog
ist wieder Ausstellungsstadt. Vorüber sind die beschau-
lichen Zeiten, da Heine's Witz sich an der Idylle der
kleinen, feudalbürgerlichen Residenz labte. . . Nach
dreijähriger Pause macht die vielgenannte und wieder-
holt schon todt gesagte Künstlerkolonie abermals von sich
reden. Drei Haupttheile sind es, die diesmal die Aus-
stellung zu einem achtunggebietenden Ganzen machen:
Die Dreihäusergruppe, das Lrnst-Ludwigshaus mit ihren
Sonderkollektionen und das Ausstellungs-Restaurant.
Die Dreihäusergruppe. Sie stellt eine Er-
weiterung und eine Fortsetzung der im Jahre ssjOs be-
gonnenen Bauanlage am Viktoria-Melittaring dar. Alle
drei Häuser zeigen Olbrich'sche Stilformen. Die Kunst
dieses wiener Architekten hat sich nicht verändert und
man weiß nicht, ob man dies als einen Vorzug oder
als einen Mangel anerkennen soll. Man freut sich wieder
der hübschen Einfälle in den ornamentalen Details,
der leicht graziösen und kapriziösen wienerischen Eleganz,
mit der da auf vier Grundmauern eine Reihe von

Erkern, Winkeln, Giebeln und Dächern aufgeschichtet
sind. Dann aber kommen die „Leute vom Fach" und
demonstriren, daß die Bauanlage, vor allem des Künstler-
hauses, von einer fast rührenden Unerfahrenheit zeugt.
Dunkle Korridore, wo Licht und Luft in Fülle sich
schaffen ließe, Wohnräume für Kolonisten, die mehr zur
Anlage eines Kartoffelkellers geeignet sind, Ateliers, die
für Miniaturmaler, aber nicht für Dekorationskünstler
berechnet zu sein scheinen. Ja, die Praxis . . .
Nun zur Dreihäusergruppe. Das „Eckhaus" sieht
nut den breit ausladenden Mauern und dem hohen
Satteldach gar stattlich aus. Durch den blaugestrichenen
Lisenzaun blickt man in's trauliche Gärtchen, wo junge
Pflanzen die Neuanlage verrathen Das Innere desHauses
enthält Diele, Wohnzimmer, Speisezimmer und Loggia.
Olbrich hat diese Räume entworfen. Seine Vorliebe
für die vertikale fcharf gebrochene Linie und die Helle,
kreidige Farbtönung fallen auf und unterscheiden sich
von zwei Räumen, die ein neues Mitglied der Kolonie,
Paul Haustein, entworfen hat. Auch die Ausstellung
von Affichen im Dachgeschoß stammt von einem Ersatz-
kolonisten, dem Maler Jos. Vinzenz Lissarz. Er
ist vor allem Buchkünstler und wie sehr seine Begabung
nach den graphischen Künsten gravitirt, zeigt das von
ihm entworfene offizielle Ausstellungsplakat. Es zählt
gewiß schon mehr zu den künstlerischen Gemeinplätzen,
wenn einer immer und immer wieder Pallas Athene
mit Helm und Schild auf das Kunstplakat zitirt. In
diesem Falle aber hat es Lissarz verstanden, das aus-
geschundene Motiv in reizvollster und auch originell
wirksamer weise zu variiren.
Im „Blauen Hanse" fällt uns die reiche An-
wendung von Fliesen auf. Das tiefe, intensive Blau-
schwarz bringt eine neue Note in die Farbenskala
moderner Architektonik. Im parterre hat eine Sonder-
kollektion der Firma Hch. Lantz Platz gefunden. Die
Arbeiten sind nach Entwürfen Olbrich's, Haustein's und
Lissarz' ausgeführt. Bemerkenswerth ist übrigens, daß
diesmal fast durchwegs kleinere Darmstädter Firmen
an der Herstellung der Häuschen betheiligt sind,
während bei der ersten Ausstellung die Hoffirma
Glückert den Hauptantheil an der Herstellung der
Möbel und sonstiger Interieurdekorationen hatte.
Im ersten Stockwerk des „Blauen Hauses" sehen
wir ein Speise- und Schlafzimmer nach Haustein's Ent-
würfen und ein Bad von Olbrich. Jin Dachgeschoß,
beängstigend niedrig und gedrückt, aber hell und freund-
lich, ist eine Ausstellung der Altdeutschen Weberei
in Alsfeld (Oberhessen) vorgeführt. Auch das Leinen-
haus von Becker bringt hübsche Arbeiten der Textil-
kunst nach Zeichnungen Lissarz' und Haustein's. Gra-
phische Sachen in reicher Zahl zeigt die Hofbuch-
druckerei von Hofmann-Darmstadt. Hier sehen wir
die Hauptstärke der für die angewandte Kunst arbeitenden
Kolonisten; es ist so angenehm und dankbar, für den
Buchdruck künstlerisch zu arbeiten; jedes Ornament er-
fährt tausendfache Verbreitung und dann sichert die
raffinirt fortgeschrittene moderne Drucktechnik diesen
Entwürfen eine mustergiltige Reproduktion.
In den Kellerräumen finden wir eine nach Hau-
stein eingerichtete Musterküche. Hier feiert der
sezesfiouistische Küchengeschmack seine Triumphe und nur
die Kaprizen in Olbrich's elektrischer Küche im
„Grauen Hause" führen noch einen Schritt weiter.
Das Graue Haus ist yom Großherzog als Dienst«
wohnung für den Hofprediger Lrhardt bestimmt; es
ist schlichter und ruhiger in der Wirkung, als die
beiden vorgenannten Gebäude. Eine Sonderausstellung
von Joseph Stade und eine Serie Linkrusta aus
 
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