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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 24
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Günther, Julius: Grosse Kunstausstellung in Dresden 1904
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Nr. 2^

Die Kunst-Halle.

373

Der folgende Berliner Saal giebt ein gutes Bild
der dortigen Leistungsfähigkeit auf graphischem Gebiete;
alle Techniken fast sind vertreten, von der einfachen
Zeichnung bis zur farbigen Nadirung und der Monotypie;
Letztere ist besonders durch Larl Langhammer und Larl
Kappstein glänzend vertreten. Daß diese Blätter, ein
Mittelding zwischen Druck- und Handarbeit — um die
schon oben gebrauchte, vielleicht uicht ganz korrekte,
aber verständliche Ausdrucksweise zu wiederholen —
sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, ist hei dem
eigenen Reize, den dies Verfahren den Blättern giebt,
nicht verwunderlich; sie vereinen in sich den Vorzug
der Weichheit des farbigen Rupferdruckes mit dem Reize
des frischen, pastös wirkenden Farbenauftrages des Gel-
gemäldes. Als verwandt in der Wirkung sei ein Stein-
druck in Farben, „Mondschein" von F. Kallmorgen, an-
geführt. Gute Aquarelle finden wir von Skarbina,
Hans Herrmann und Leistikow, während Gtto H. Gugel
mit einigen Zeichnungen und einem Pastell „Friesin"
auffällt. Zn der kleinen Weimarer Kollektion finden
wir das beinahe 20 Zahre alte Doppelbildniß zweier
Schwestern in Pastell von Max Thedy, das heute, wie
damals, als es zuerst in Berlin zu sehen war, entzückt;
sonst wären noch einige Studien von L. von Hofmann
von ungleichem werthe zu erwähnen, deren beste aber
das Niveau von Weimar erheblich überragen. Die
Dresdner Säle weisen ebenso wie alle anderen manches
Blatt auf, das man gern missen würde, aber der
Durchschnitt ist ein sehr guter. Als sehr gutes und
stofflich amüsantes Blatt sei die Nadirung „Kriegs-
verhandlungen" von Georg Trier hervorgehoben; Auf-
fassung und Komposition sind von drastischer Komik
und die Ausführung vortrefflich. Weiter seien die
landschaftlichen Zeichnungen, Steindrucke und Nadirungen
von Gtto Fischer hervorgehoben, die ja genügend be-
kannt sind, so daß ihre künstlerischen Vorzüge hier nicht
besonders betont zu werden brauchen.
Weiter fallen W. Claudius mit guten Zeichnungen,
Zosef Goller mit einem vorzüglichen farbigen Entwurf
für eine Wandmalerei, die seiner Zeit seltsamer weise
bei einem Wettbewerb unxrämiirt blieb, und Herm.
Behrens mit einer sehr lebendigen Porträtzeichnung auf.
Line besondere Augenweide finden Freunde der
zeichnenden Künste in der Sonder-Ausstellung des
Schweden Larl Larsson. Auf seine Kunst paßt einmal
wirklich das so oft mißbrauchte Wort „eigenartig",
wie er streng, fast stets stilisirend konturirt, in wenigen
ruhigen Flächen tönt, um dann mit einem Male eine
Stelle, die er hervorheben will, in malerischster Weich-
heit und vollkommener Modellirung auszuführen, das
ist seine Ligenart, die seltsamer weise nie stillos wirkt.
Dabei ist seine Kontur bei aller Neigung zu ornamen-
taler Stilisirung von wohlthuender Feinfühligkeit, seine
Farbengebung aber kräftig.
Anders wirkt in dem Münchner Raum der frische,
durch malerische Kraft unterstützte Humor Lugen
Kirchner's; in ^3 Blatt, wovon acht Radirungen sind,
wird uns dieser feine Karikaturist vorgeführt, bei dem
sich großes Können mit einer drastischen Komik vereint.
Selbst wo er scheinbar objektiv studirt und ein Stück
Natur wiedergibt, merkt man ihm den Schalk an. von
sonstigen Münchnern seien noch Rudolf und Matthias
Schiestl, Paul Hey mit einigen sehr guten aquarellirten
Zeichnungen erwähnt und Olaf Gulbranson mit seinen
durch den „Simplicissimus" verbreiteten Karikaturen.
Aus der kleinen, aber gewählten Stuttgarter Abtheilung
seien die feintonigen Aquarelle von Larlos Grethe, ein
sehr gutes Aquarell-Bildniß von pankok, einige Stein-
drucke von Georg Lebrecht und solche von Heine Rath
rühmend hervorgehoben.

Den Stuttgartern näher als den Münchnern steht
Karl Schmoll von Lisenwerth. Seine kleine Abtheilung
zeigt uns einen Künstler, der es versteht, in kleinsten
Formaten und mit den geringen Mitteln eines farbigen
Papiers mit wenig Strichen und einigen Farbenflecken
außerordentlich intime landschaftliche Stimmungen zu
erreichen; daß er auch ein vortrefflicher Zeichner ist,
sieht man an einigen Zeichnungen, Algraphien und
Steindrucken. Zm letzten Saale finden wir die Karls-
ruher ziemlich vollzählig vertreten, an der Spitze Hans
Thoma mit ca. 20 Blatt verschiedenen werthes, wie
bei Thoma stets zu bemerken. Sonst seien noch zwei
farbige Zeichnungen von Gustav Kampmann und eine
Reihe geschmackvoller Entwürfe für Vorsatzpapiere und
Exlibris von Fr. Hein erwähnt.
was die Plastik anlangt, so war schon im ersten
Briefe gesagt, daß bedauerlicher weise der schöne große
Saal durch, von einer anderen Ausstellung her, stehen
gebliebene Einbauten seinen festlichen und für die Aus-
stellung von Bildwerken geeigneten Lharakter verloren
hat. Rm einen Ersatz zu schaffen, richtete man an
anderer Stelle einen architektonisch und dekorativ wunder-
vollen Kuppelbau her, der aber auch durch sein von
allen Seiten her reflektirtes zerstreutes Licht keine günstige
Wirkung für die Plastiken aufkommen läßt. Nodin's
wuchtige Formengebung, die an den Ausspruch, den
Ingres einmal von Lornelius gebraucht haben soll, ,,i1
est mchLäe cis lVIicttelLNAsIo", erinnert, kommt hier
nicht zur erfreuenden Geltung. Nur Hartmann-MaoLean's
keusches Werk „Mann und Weib" steht hier günstig
und erfüllt mit Respekt vor dem Künstler, der ein so
reines, schönes Bildwerk schuf. Ein Sonderraum ist
Robert Diez eingeräumt: als Hauptstück bringt er
einen Theil des einen der beiden Dresdner Brunnen
in Bronoe-Wachsguß, ein bekanntes Meisterwerk: be-
sonders interessirt der Kolossal-Kopf des Bismarck-
denkmals, dessen großen Vorzügen inan hier gerecht
werden kann. Weiter interessirt das Standbild Kaiser
Karl's IX". aus dem Reichstagsgebäude, eine außer-
ordentlich fein individualisirte Figur. Daß Diez auch
ein trefflicher Thierbildner ist, beweisen seine Thierstudien
und der im Ausdrucke zwingende Kopf einer Löwin in
Rosso-antico-Marmor mit sehr geschickt eingesetzten Augen
aus durchscheinendem Stein. Die beiden weiteren
Dresdner Plastikräume bringen die in Komposition und
Formbehandlung meisterhaften Reliefs aus dem Treppen-
haus des Albertinums von Herm. prell, ferner die von
der Stadt bestellten Bildwerke „Athlet" von Daniel
Fabricius, „Lhristus" von Fr. Hecht und „weibl.
Brunnenfigur" von Bruno Fischer. Diese bekunden
ebenso wie die folgend genannten Werke das gute
Niveau, auf dem die jetzige Dresdner Plastik sich hält,
ohne sich durch die hier geübte kritiklose Verhimmelung
der außerdeutschen Plastik beirren zu lassen. Als
tüchtige Vertreter der Dresdner Bildhauerei seien Peter
Pöppelmann, Larl Roeder, Selmar Werner, Oskar
Rühm, Otto petrenz, Arnold Kramer, Heinrich Lpler,
Aug. Schreitmüller, Heinrich wedemeyer und Rich.
König genannt; des Letzteren erst kürzlich aufgestellte
Gruppe „Rettung" muß als ein Werk von kühnem
künstlerischen Wurfe und energischer plastischer Gestaltung
besonders hervorgehoben werden.
Lp^er's Standbild Theodor Körner's für Lhemnitz
ist gleichfalls ein tüchtiges Werk, dem sich besonders
Schreitmüller's reizende Gruppe „Abend" und eine
Mädchenbüste in hellbräunlichem Marmor von Pöxpel-
mann als vollwerthig anschließen. Zn der großen Halle
endlich finden wir noch manches tüchtige Werk, so z. B.
Lederer's Universitätsbrunnen mit der Gestalt des Fechters,
der aber isolirter stehen müßte, wie etwa voriges Zahr
 
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