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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 24
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Kiesling, Ernst: Carl Seffner
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Günther, Julius: Grosse Kunstausstellung in Dresden 1904
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372

Die Kunst-Halle.

Nr. 2§

Lebensbedingungen anzustimmen. Ich will mich zedoch
kurz fassen und aus dem verlaus der wenig sonnenhellen
Jugend des trefflichen Künstlers nur hervorheben, daß
er als Sohn eines kleinen Schuhmachers am s9- Juni s86s
in Leipzig geboren wurde. Nach Besuch der Schule
trat er im Mai s875 als Schüler in die Städtische Ge-
werbeschule und zwei Jahre daraus in die hiesige
Akademie ein, an der er bis s88ch besonders unter
Professor Zur Straßen, studirte. Sein rastloßer Fleiß
ließ ihn nicht blos schnelle Fortschritte machen, sondern
er trug ihm auch von Seiten der Leitung der Akademie,
welche damals in Händen des Direktors Nieper lag,
materielle Unterstützung in Form eines mehrjährigen
Stipendiums ein. Nachdem Seffner seinem Meister Zur
Straßen an dem Linzer Museumsfries helfend zur Seite
gestanden, war es ihm in Folge eines lohnenden Auf-
trages seitens eines Leipziger Kunstfreundes vergönnt,
endlich eine dreijährige Studienreise nach Nom anzu-
treten.
Die durchaus traditionelle, ja ich möchte sagen
schematische Schaffensweise Zur Straßen's hat der
scharf beobachtende und zu ausgeprägtem Individuali-
smen hinneigende Seffner sehr bald aufgegeben und sich
durch seine eingehende Naturbeobachtung zu einein
reinen Realisten entwickelt. Der Schwerpunkt seines
Könnens neigt vornehmlich zur Bildnißplastik. Neben
der Begabung, empfangene Eindrücke lehensvoll wieder-
zugeben, besitzt er auch die Fähigkeit, die individuellen
Züge einer Persönlichkeit so wirkungsvoll zu steigern,
daß ihr Charakter sofort klar zu Tage tritt. Und so
darf man denn heute von unserem Seffner sagen, daß
er sich zu einem Persönlichkeitsschilderer entfaltet hat,
wie unter den deutschen Plastikern wenige zu finden
sind.
Bereits mit einem Erstlingswerk, der Büste des
berühmten Chirurgen Thiersch, hatte Seffner einen
durchschlagenden Erfolg, der ihm so treu blleb, daß er
heute schon in der Lage ist, eine heträchtliche Gallerie
berühmter Zeitgenossen zusammenzustellen. Vor Allem
war es eine ansehnliche Zahl namhafter Gelehrten,
deren Persönlichkeit Seffner berufen war, plastisch
wiederzugehen. So schuf der Künstler außer der schon
erwähnten Büste Thiersch's für die Leipziger Universität
u. A. noch die von Carl Ludwig, Bernhard windscheid
und Anton Springer; für Berlin diejenige Wilhelm
Scherer's, sowie sür Breslau die Rudolph Heydenhain's.
Das Leipziger Gewandhaus birgt die von ihm ge-
schaffenen Büsten Beethoven's, Mozart's und Edvard
Grieg's. Im Dresdner Albertinum befindet sich die
Marmorherme von Max Klinger. Im Leipziger Museum
ist Seffner mit den Büsten des Königs Albert und der
Königin Carola und mit der kleinen Bronzestatuette eines
„Fliegenfängers" vertreten. Bei aller minutiösen Sorg-
falt, die Seffner diesen Porträtarbeiten hat zu Theil
werden lassen, ist er nirgends ins Kleinliche verfallen,
überall ist es ihm gelungen, den Gesammt-Lharakter in
großem Zuge hinzustellen. Mit welcher Schlichtheit hat
er z. B. die Persönlichkeit der Königin Carola ver-
anschaulicht, wie fein find hier die liebenswürdigen
und gewinnenden Züge einer vornehmen Frauennatur
dargestellt, und bei alledem hat er dennoch verstanden,
das Repräsentative zu voller Geltung zu bringen.
Ist es Carl Seffner auch versagt, umfangreichere
künstlerische Probleme zu lösen, in kühnem Wurf
größere Kompositionen zu konzipiren, weiß er heute
wohl, daß seine Kunst über das Gebiet der Persönlich-
keitsschilderung nicht hinausgeht, so bleibt seiner Natur
auch auf dem begrenzten Schaffensgebiet immerhin so-
viel Spielraum, um sich voll ausleben zu können.

Welchen Reiz und welche Schönheit der Künstler selbst
in einer Linzelfigur zu entfalten vermag, das bestätigt
die in freier Muße und zu glücklicher Stunde entstandene
Marmorfigur der „Eva", welche, von dem Museum in
Magdeburg erworhen, sich zur Zeit auf der Dresdner
Ausstellung befindet, sowie die lebensvolle Bronzefigur
eines Knaben, die zetzt in Düsseldorf zu sehen ist.
Seiner eigentümlichen Begabung Rechnung tragend,
hat man Seffner kürzlich die Ausführung einer Anzahl
öffentlicher Standbilder übertragen, von denen hier er-
wähnt seien: die Statuen des Bürgermeisters I)r. Koch
und des vr. Heine, sowie die unlängst enthüllte, im
Bilde beigefügte Marmorfigur des jungen Goethe in
Leipzig; ferner sind die Gestalten von Carl von Hase
in Jena, von Karl Kehr in Halberstadt und von Ernst
Leuschner in Eisleben zu nennen. Erwähnt sei noch,
daß Seffner zur Zeit an einem Bach-Denkmal für
Leipzig arbeitet. Daß die Werke des schaffensfreudigen
Künstlers, von dem wir noch manche hervorragende
Schöpfung erwarten dürfen, nicht allein in Leipzig,
sondern auch anderwärts wohlverdiente Anerkennung
gefunden haben, das bezeugen die ihm bereits zu Theil
gewordenen Auszeichnungen: Im Jahre s8s)3 erhielt
er in München die kleine goldene Medaille, s89" die
große goldene Medaille in Leipzig und s8s)9 die große
goldene Plakette in Dresden; ferner wurde er zum
Mitglied der Akademie der bildenden Künste in Dresden,
sowie zum Mitglied der „Loeiete des b68.ux-a.rt8" in
Paris ernannt.
Im Hinblick auf die vorliegende Abbildung des
Seffner'schen Goethe-Standbildes sei bemerkt, daß der
Künstler mit Rücksicht auf die in Leipzig verlebte
Studienzeit des Dichters diesen in sehr jugendlichem
Alter dargestellt hat. Weiteres zu dieser köstlichen
Arbeit zu sagen, können wir uns ersparen, da die
lebensprühende Gestalt genugsam für sich selber spricht.
Ernst Kiesling.

grorre Runztsurrtellung Dreien 1S04.


III. Graphik und Plastik.
s sei gestattet, in Folgendem unter Graphik Hand-
zeichnungen und Werke der vervielfältigenden
graphischen Techniken zusammenzufassen, wie die
Sachen auch in unserer Ausstellung zusammengehängt
sind, während sie im Katalog in getrennten Abschnitten
aufgeführt sind; da man heute häufig einer Verbindung
von Hand- und Druckarbeit begegnet, so läßt sich über-
haupt eine reinliche Trennung oft gar nicht vornehmen.
Die kleinen Kabinette weisen nun eine solche Fülle des Ge-
botenen auf, daß wir uns darauf beschränken müssen,
nur hie und da ein Blatt zu nennen.
Bei einem allgemeinen Ueberblick fällt auf, daß
Prag und Wien die malerischste Graphik betreiben; in
Dresden herrscht zeichnerische Korrektheit vor; Karls-
ruhe, Stuttgart und München haben viel verwandtes,
nur drängt sich bei München die Illustration und da
wieder die Karikatur vor. Aus Prag und Wien seien
besonders Ferdinand Schmutzer mit seiner meisterhaften
großen Radirung „Ioachim-Vuartett" und dem „Bild-
hauer-Atelier" genannt, ferner Leopold Stolba, welcher
fein gezeichnete und komponirte Vorsatzpapier-Entwürfe
in geschmackvoller Färbung bringt, und Emil Grlik,
dessen Porträt von Bernh. pankok schlagend ähnlich und
lebendig wirkt.
 
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