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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 6
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Harrach, Max: Darmstädter Kunst
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Günther, Julius: Dresdner Kunstbericht
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8H

Die Kunst-Halle.

Nr. 6

Stil zur Schau und gegen nicht zu geringe Preissätze
zum Verkauf gestellt. Das Publikum freilich geht noch
nicht mit; immer wieder erhält der Möbellieferant den
Bescheid: dieser „Darmstädter Stil" ist langweilig und
unschön; es sei ein Unding, Stühle mit steifen Lehnen,
Tische aus grünem Holz und Tapeten mit weißen
Streifen in einen Salon zu stellen. Sollte man sich
dazu noch einen blaulackirten Flügel in das Musik-
zimmer stellen, so wäre die Geschmackwidrigkeit voll-
ständig . . .
Der Großherzog von Hessen ist den Zaghaften
mit gutem Beispiel vorangegangen. Er hat im Darm-
städter Schloß eine Reihe Zimmer mit Kolonistenmöbeln
ausgestattet, ja er hat sogar den Glbrich'schen Flügel
mit der blauen Politur in seine Gemächer gestellt . . .
Wie die Verhältnisse indessen lagen, konnte auch
die Interessenahme des hochherzigen jungen Fürsten
der allgemeinen Deroute, die in die Reihe der Kolonisten
brach, nicht Einhalt thun. Heute ist von der Siebener-
zahl nur mehr ein verschwindender Bruchtheil übrig ge-
blieben: Habich und Olbrich und der neu hinzu-
getretene Tissarz. Dagegen haben Behrens, Christiansen,
Bürk und Bosselt Darmstadt seit Langem verlassen,
patriz Huber weilt nicht mehr unter den Lebenden. . .
Daß der von den Kolonisten eingeführte Villenstil
keine Verbreitung finden würde, war vorauszusehen.
Man hoffte auf das Interesse der reichen Nachbarstädte.
Da ist es nun bezeichnend, daß weder in Mannheim,
noch in Frankfurt der Baustil der Kolonisten aooeptirt
wurde. Selbst in den reichen Badestädten Wiesbaden,
Homburg und Enis, wo die Villen alljährlich wie Pilze
aus dem Boden schießen, ist fast kein Beispiel im Stile
der Mathildenhöhe zu entdecken. Wo sich, wie in ein-
zelnen Villenlagen des linksmainischen Frankfurts, ein
schüchterner Ansatz des Darmstädter Stils hcrvorwagt,
wird er von dein ortsüblichen Baustil isolirt und er-
drückt. Mali hat in den südwestdeutschen Städten vor-
zügliches Baumaterial in weißem, grauem und rothem
Sandstein und kann darum auf die nüchterne weiße
Tünche der Mathildenhöhe verzichten. Interessant ist
aber immerhin, daß anderwärts, vor Allem in Wien,
der dem Darmstädter Stil eng verwandte jung öster-
reichische Baustil besser Fuß zu fassen vermochte.
Da uns das kommende Jahr ein Wiedererwachen
des Künstlerfleißes auf der Mathildenhöhe in Gestalt
einer neuen, groß angelegten Ausstellung verheißt, darf
man die kürzlich im Ernst Ludwigshaus zur Schau ge-
brachte Olbrich-Ausstellung wohl als einen Auftakt
zu neuer Ausstellungsthätigkeit auffassen. Was Olbrich
an neuer Interieurkunst bietet, erscheint übrigens
weniger überraschend für den, der die nach dem Prinzip
der ungebogenen Linie entworfenen Zierstücke und
Möbel vom Olbrichhaus und dem Ernst Ludwighaus
auf der Mathildenhöhe kennt. Weit interessanter er-
scheint Olbrich's Entwurf für ein Empfangsgebäude
des Zentralbahnhofs in Basel. Der Entwurf ist ge-
legentlich eines Preisausschreibens seitens der Schweizer
Behörde entstanden. Olbrich's Entwurf macht fürs
Erste den Eindruck eines ins Große übersetzten mexika-
nischen Inkapalastes. Ein gewaltiger phantastischer
Frontgiebel, dessen mit moderner Grnamentation deko-
rirte Fläche durch drei hohe, schmale Fenster unter-
brochen wird. Unten zieht sich der ganzen Breitseite
entlang ein beängstigend niederer, überdachter Vor-
hallengang hin. Die Interieurwirkung ist der phan-
tastischen Scheinfassaden - Architektur würdig. Das
Prinzip der freien, luftigen Halle ist freilich ganz
eminent durchgeführt — wie aber, wenn im Bahnhof-
betrieb der Rauch und Ruß der Maschinenschlote die

ganze aparte Halle über Nacht grau färbt? Ls bleibt
ein selbst dem Laien sinnfälliger Fehler in der ganzen
kunstarchitektonischen Richtung Olbrich's, daß seine
Architekturen Neißbrett-Entwürfe sind — Arbeiten, die
theoretisch fein und phantastisch und — originell aus-
gedacht sind, ohne aber die Wirkung in der Praxis in
genügender Weise in Betracht zu ziehen. Nicht um-
sonst waren es gelegentlich der Ausstellung auf der
Mathildenhöhe gerade die Leute vom Fach, die prak-
tischen Architekten und Bauleute, die über die bau-
künstlerischen versuche der Kolonisten in oft recht
drastischen Worten ihre abfällige Meinung zum Aus-
druck brachten. —
Eine exotische Note in das Darmstädter Kunstleben
brachte vor Kurzem die malerische Ausschmückung der
russischen Kapelle. Dieses hübsche Bauwerk mit
den golden glänzenden Zwiebelthürmen befindet sich in
unmittelbarer Nähe der Kolonie auf der Mathilden-
höhe. Auf Wunsch des Zaren, 'der als Schwager des
Großherzogs öfters in Darmstadt weilt, erhielt die
Kirche eine pomphafte Ausmalung. Der Petersburger
Künstler Wasnetzow entwarf ein großes Altarbild,
das von dem Glasmosaikmaler Forloff ausgeführt
wurde. Das Format ist in großen Dimensionen ge-
halten, der Stil lehnt sich an die Art des russisch-
byzantinischen Kunstgeschmacks an: Strenge, etwas
eckige Konture, starke, effektvolle Koloristik, die stellen-
weise das Barbarische streift. Außer dem Riesen-
mosaik haben die Warschauer Maler Pirmin off und
Ku sitz die Kirche nut Wandmalereien geschmückt, die
sich stark und bombastisch von dem leuchtenden Gold-
grund abheben.
Eine weitere exotische Kunstäußerung ist aus der
hessischen Residenz zu berichten: Im park des Jagd-
schlosses Wolfsgarten, zwischen Darmstadt und Egels-
bach, ließ der Großherzog nach der Rückkehr von der
Ostindienfahrt einen eleganten indischen Gartentempel
errichten. Bildhauer Habich hat den Auftrag erhalten,
eine lebensgroße Buddha-Statue in Bronze für den
Gartentempel zu fertigen. Habich hat auch das im
Sommer im Herrengarten enthüllte Goethe-Denkmal
gefertigt — eine Jünglings-Statue unter einer Loggia,
auf dem Postament das Reliefporträt Goethe's mit
einem Sinnspruch in Barockschrift.

Zreröner Runrtbericlit.


^M^ie interessante Menzel-Ausstellung, die vor
j M ) Kurzem bei Emil Richter (Holsts zu sehen war
und die wir bereits besprochen haben, hat eine
unmittelbare Nachfolgerin bei Ernst Arnold (Gut-
bier) erhalten, wo zur Zeit ebenfalls eine um-
fangreiche Sammlung von Werken des Altmeisters
ausgestellt ist; es ist hier nicht der Platz, seine Be-
deutung von Neuem zu beleuchten, es sei hier nur be-
richtet, daß auch die Ausstellung, die Oelgemälde,
Wasserfarbenblätter und Handzeichnungen aus der
ganzen Zeit zwischen (838 bis (s)02 bietet, also einen
Zeitraum von nahezu 70 Jahren künstlerischen Strebens
und Lebens umfaßt, eine Fülle der interessantesten und
nachhaltigsten Eindrücke vermittelt. von den Ge-
mälden interessirten allgemein am meisten die Piazza
d'Erbe in Verona, ein Bild, das eben von der Auktion
 
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