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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 8
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunst
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstbericht
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Nr. 8

Die K u n st - H a ll e.

U9

ein paar flotte, sehr gut beobachtete Zirkusstudien
einigermaßen versöhnen.
Im Salon Pis ko haben die bedeutendsten wiener
Malerinnen, wie schon seit 5 Jahren, auch Heuer eine
Ausstellung unter dem Titel „8 Künstlerinnen und ihre
Gäste" veranstaltet. Diese Organisation der weiblichen
Elemente im wiener Kunstleben schemt mir eine be-
achtenswerthe Erscheinung zu sein. Zn einer Zeit, dis
der Individualität und der Begabung der Frau aus
allen Gebieten eine Gasse zu bahnen sucht, ist es zweifel-
haft ein etwas rückschrittlicher Zug, die weiblichen
Künstlerinnen, wie dies bei der „Künstlergenossenschaft",
der „Sezession" und dem „Hagenbund" der Lall ist,
von der Mitgliedschaft auszuschließen. Einzelne Bilder
von weiblicher Hand wurden zwar stets in die Aus-
stellungen ausgenommen, die Künstlerinnen aber trotzdem
bei jeder schicklichen, oft auch unschicklichen Gelegenheit
zurückgesetzt und an die wand gedrängt, so daß sich
die wiener Malerinnen zu einer Organisation vereinigten,
und nun alljährlich ihre eigene Ausstellung veranstalten,
die sich eines größeren Zuspruchs, allerdings zum größeren
Theile eines eleganten Damenpublikums erfreute. Die
Künstlerinnen haben aber so reichlicher Gelegenheit,
ihr Können zu dokumentiren, und sie haben dies bisher
in sehr respektabler weise gethan. Auch die heurige
Ausstellung repräseutirt sich so gut, daß sie im Stande
sein mußte, selbst eingewurzelte Vorurtheile gegen das
weibliche Kunstschaffen zu entkräften. Da sind z. B.
ein in Freskotechnik gemaltes Blatt „Brüderchen und
Schwesterchen", sowie eine Tempera „Thräneukrüglein"
(nach dem Grimm'schen Märchen) von Marianne
Stokes in London, die durch ihre sichere Zeichnung,
feine Farbengebung und die Innigkeit der Komposition
überraschen, und unseren besten Zeichnern alle Ehre
machen würden. Auch Olga Wisinger-Florian ist
wieder vortrefflich vertreten mit einer Reihe ihrer satten
und virtuos gemalten Landschaften, die feinste Natur-
beobachtung mit einer kräftigen und mannhaft zugreifen-
den Technik vereinen. Ihr großes Bild „Buchenallee
im Spätherbst" aber ist ein Meisterwerk ersten Ranges.
Das prächtige Bild ist auch vom Obersthofmeisteramt
für die Kaiserliche Gemäldegallerie angekauft worden.
Ihr zunächst stehen Marie Egner, der gleichfalls eine
feste und glänzende Pinselführung eigen ist, dann Rosa
Mayreder, Bertha von Iarnooyy, Leo Littrow, E. Munk,
H. Filtsch und Tamilla Göbl, durchwegs tüchtige
Künstlerinnen, denen ein guter Geschmack und eine feine
künstlerische Durchbildung eigen ist. Don Porträts
seien hervorgehoben ein vortreffliches Bildniß des Bild-
hauers König von Marianne v. Eschenburg, ein weib-
liches Doxpelporträt von Susanne Granitsch und ein
etwas derb angefaßtes Selbstporträt von Fedorowna
Ries, die die männliche Note ihrer kraftvollen Persön-
lichkeit etwas zu kokett betont. Kornelia Paczka-Berlin,
Hermine Muusch, G. Murad-Michalkowski, H. Fürther
(Porträt), Lila Grüner u. a. sind mit anerkennerswerthen
Arbeiten verschiedenen Genres vertreten.
Paul Wilhelm.


Muckner Runckberickt.

Nkünchner Kunstleben stand im Monat Dezember
^Zeichen von vier klingenden Namen: Arnold
Böcklin, Adolf Menzel, Hubert Herkomer und
Adolf Hildebrand. Den Schweizer Altmeister im Kunst-

verein zu finden, war ganz gewiß recht erfreuend.
Zwar handelte es sich nicht um Böcklinbilder erster
Klasse, die beiden uns gezeigten Bilder etwa mit den
Prachtstücken in unserer Schackgallerie zu vergleichen,
wäre ein lächerliches Unternehmen, — aber immerhin
es waren „Vöcklins", und eifriger als sonst kamen die
Münchner zum Kunstverein, um zu konstatiren, daß die
zwei Gemälde die ganze Umgebung maustot schlügen
und im Grunde alles aufwägen, was man seit Wochen
im Kunstverein gesehen. Die beiden Bilder sind den
Kennern Böcklin'scher Kunst längst nicht mehr unbekannt:
Es ist die oft gerühmte „Jagd der Diana", an der
man besonders die großartige Behandlung der impo-
santen Landschaft gelobt hat, und das kleine allegorische
Gemälde: „Die Hoffnung", eine in durchscheinende
grüne Gewänder gehüllte Frauengestalt darstellend.

Den prächtigen Adolf von Menzel konnten wir
ausführlich studiren in der Gallerie Heinemann, die
mit dieser Ausstellung von ihren alten Räumen an der
Prinzregentenstraße Abschied nahm, bevor sie in den
prunkenden, von Professor Emanuel Seidl erbauten
Galleriexalast am Maximiliansplatz übersiedelt. Ls
war ein würdiger Beschluß der uns lieb gewordenen
alten Räume bei Heinemann, wo wir besonders immer
unsere brave „Luitpoldgruppe" versammelt fanden,
diese Adolf von Menzel-Ausstellung! Nicht etwa, daß
es sich um Werke handelte, wie die grandiose „Piazza
d'Erbe in Verona", die wir unlängst bei der Ver-
steigerung der Henneberg-Gallerie sahen, nein, abgesehen
von einigen Aquarellen und Gouachen, kamen nur
Bleistiftzeichnungen in Betracht. Aber wie zeichnet
Menzel! Eine Wahl des Gegenstandes kennt er nicht,

in konsequentem Naturalismus ist seine Devise: was
ist, das ist auch zeichenbar. Ob er nun einen alten
Feldstecher in schäbigem Lederfutteral, eine geschmacklose,
dicke wirthshauskaffeetasse, den Domplatz in Trient
oder die delikat durchgesührte Studie einer Hand
zeichnet, -— er ist immer der geniale Künstler, für den
es irgend welche technische Schwierigkeiten nicht giebt.
wer die etwa f)0 Blätter umfassende Kollektion von
Handzeichnungen genau durchgeht, der vermag erst
richtigen Einblick in Menzel's spezialitätenfreie Viel-
seitigkeit zu gewinnen. Es wäre recht zu wünschen
gewesen, daß die Ausstellung von unseren jungen
Künstlern, die fast allesammt nicht mehr wissen, was das
heißt: korrekt zeichnen, eifriger besucht worden wäre,
als es der Fall war. Menzel ist noch einer von denen,
die an sich selber erfahren haben, daß selbst ein Riesen-
aufwand zeichnerischen Studiums nie ein unnütz Ding
ist, sondern daß jedem Maler seine Mühe hundertfach
wiederbelohnt wird. Freilich werden es darum nicht alle
so weit bringen wie Menzel, von dem man heute mit
Recht sagen darf, daß er mit dem Bleistift zu
malen versteht. —
Im Kunstsalon Riegner stellte der deutsch-englische
Maler Hubert von Herkomer eine Reihe von Oel-
porträts, Aquarellbildern, Radierungen und sogenannten
Spongotppien aus. Letztere theilweise überaus werth-
vollen Blätter stellen, rein technisch angesehen, eine
Weiterbildung des Monotvpverfahrens dar: wird dort
ein Bild auf die Kupferplatte gemalt und dann gleich
abgeklatscht, so werden hier die flüchtigen Bilder durch
 
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