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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 19
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Galland, Georg: Grosse Berliner Kunstausstellung 1904
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstverein: Lenbach-Ausstellung
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Nr. f9

Die Aunst-Halle.

295

von Schmurr, der heimlich nach einem Modell von
Velazquez geschielt hat, besitzt weniger die innere Größe
des alten Musters als die Simplizität der Langeweile.
N. Böninger's Bildniß vr. hanunacher's verbindet da-
gegen mit breiter Pinselführung einen intensiven Aus-
druck des Greisenkopfes.
Auf dem Genre-Gebiete ist die Ausbeute erfreu-
licher. Fr. vezin's „Tänzerin" darf als eine wirkliche
Talentprobe passiren, aber der gewählte Beleuchtungs-
effekt ist nicht frei von Gesuchtheit. Doch gerade diese
Eigenschaft ünponirt denen ungemein, welche schnell
bereit sind, die trefflichen Arbeiten von Th. Funck
„'ne Idee höher", „Daheim", von Karl Mücke „In
den Flitterwochen" und Max volkhart „Der Abschied",
die mit dem Reiz des Gegenständlichen eine liebevoll
durchgeführte Malerei, im Sinne der guten Düsseldorfer
Tradition, bieten, zum alten Eisen zu werfen. Das
hindert indeß die Andern nicht, Bilder wie Funck's
mufizirendes altes Ehepaar und die koloristisch kräftigen
Interieurs mit Schiffersleuten von demselben Künstler
und Mücke dankbar entgegenzunehmen. Auch h. Anger-
meyer hat mit seiner kölnischen und farbig prangenden
Darstellung „Vornehme Leut'" — es sind altkostümirte
Kinderchen, welche die Grandezza höchster Herrschaften
posfirlich übertrumpfen — Beifall gefunden. Zu den
feinen Merken dieser Sammlung rechnen ferner das
liebenswürdige Bildchen von A. Frenz „Die See-
schlange", die mitten im Meere eine Tritonenfamilie
ergötzlich in Angst versetzt, und Hans Deiters'
„Jugend", eine ideale Reminiscenz an die Huldigung
einer märchenhaften Blumenkönigin, deren Getreuen
männlichen und weiblichen Geschlechts in einer dunstig
blassen Waldlichtung einen lebhaften anmuthigen Tanz
aufführen. Reizvoll in anderer Weise wirkt auch das
Gartenidyll von A. Bertrand mit dem einsamen
Klosterbruder, der die Blumen bei „Sinkender Sonne"
bedient, und F. Schnitzlers's Kohlgarten, in welchem
sich ein prächtig gemaltes schwarzgech cktes junges Rind,
ungeachtet des Unwillens der Bäuerin, gütlich thut.
Der Weg von der poetisirten zur ungeschminkten Wirk-
lichkeit führt vor Allem zu Hugo Mühlig, dem un-
vergleichlichen Beobachter des Lebens, der mit seinem
tiefen Wahrheitsgefühl und dabei feinen Farbensinn
hier einen dörflichen Markt mit Bauern und Pferden
vor einem ärmlichen Gasthofe und außerdem eine Treib-
jagd mit winzigen Figürchen in beschneiter dunstiger
Gegend geschildert hat. Albert Baur jr. wählte als
Motiv einen vollbeladenen Postwagen im Hochgebirge,
der von fünf schnaubenden Pferden „Neber die Paß-
höhe" gezogen wird.
Unter den vorhandenen Düsseldorfer Landschaften
bereitet nur weniges wirkliches Vergnügen, wie
Degode's Mohnfeld, h. Liesegangs' „Vorfrühling"
und F. von wille's große hügelige Eifellandschaft im
Frühling, deren Raumperspektive und Beleuchtung mit
den violetten Schatten im Vordergründe frappant
wirken. Als eine pikante Hell-Dunkelstudie voll intimer
Geschlossenheit verdient h. Hermanns' unter Bäumen
träumendes Bauernhäuschen an einein Tümpel und
dessen tonschönes großes Interieur einer barocken unter-
fränkischen Abteikirche Hervorhebung. Auch Ad. Schill's
aquarellirte Interieurs venezianischer Kirchen sind
technisch und in der Harmonie der Färbung Muster-
stücke. Unter den Marinen fällt besonders Andreas
Dirks' große Leinwand „Fischerhafen" mit plumpen
Segelbooten durch die Eigenart der derbgestrichenen
Malweise und seltsame Farbenstimmung auf. Zum
Schluß sei noch auf ein vornehm getöntes Trauben-
stillleben von Alma Hamel und auf das ziemlich um-

fangreiche violette Blumenstück, das zu einem im Walde
aufgehängten heiligenbilde komponirt ist, von Magda
Kröner, mit Nachdruck hingewiesen.
G. G.
Milchner Xunckverein: Lenbnch-
Mztelllmg.
^/^Ias war eine Leistung, für die man dem Münchner
M / Kunstverein nicht lebhaft genug danken kann.
In zwei Serien hat er uns des Meister Lenbach
Entwicklungsgang durch etwa s60 Griginalwerke
illustrirt. Das Verdienst ist um so größer, als es sich
um Gemälde handelte, die sammt und sonders im
Privatbesitz sich befinden und schwer erhältlich waren.
Die ausgestellten Werke waren so geschickt gewählt,
daß sie — obwohl einzelne, die Höhepunkte in Lenbach's
Schaffen bezeichnende Arbeiten fehlten — immerhin
das ganze Werk des Künstlers in seinem Werden,
Wachseil, Wandeln, Linreißen und Wiederaufbauen
zeigten.
Da konnte man ein ganz frühes Bildniß einer
Bauersfrau sehen, es stammt aus dem Jahr s853, ist
also ein Werk des sechzehnjährigen Lenbach, da ist aus
der gleichen Zeit ein Bauer mit einem Kind, wenig
später das Porträt von Lenbach's Stiefmutter, in gemäch-
licher, flächiger, biedermaierisch - behaglicher Malerei,
aber schon mit jenen eigenartigen Blitzen in den Augen,
das die Frauenbildnisse des Meisters in seiner reifen
Spätzeit berühmt gemacht hat. Da ist eine „Heuernte",
da ist ein Bildchen, das den Maler Hosner darstellen
soll, den Mentor und „Entdecker" des zungen Maurer-
lehrlings, da ist endlich aus dem Jahr s85ö eine Land-
schaft, das heimathliche Schrobenhausen, das hinter
einem wogenden Aehrenfeld aufsteigt. Alle diese Bilder
sind ungeschickt in der Mache, gut gemeint, fleißig ge-
malt, aber man merkt, daß hier einer bei der Arbeit
ist, der sein Handwerkszeug noch nicht zu gebrauchen
gelernt hat. Ganz anders ist das schon bei dem etwa
s857 entstandenen Gemälde „Bauern vor einein Ge-
witter in einer Kapelle Schutz suchend". Da hatte
Lenbach in der Schule Piloty's bereits den pinsel zu
führen und die Farbe zu mischen gelernt. Die Skizze
zu dem „Hirteliknaben" in der Schackgallerie zeigt den
Künstler bereits auf eigenen Bahnen.
Rnd nun die Unsumme von künstlerischer Intelli-
genz, von Fleiß, unerhörter Thätigkeit und rein physischer
Energie, die in all' den Porträts der späteren und
späten Jahre steckt! Kaum ein paar Gesichter, an
denen man gleichgiltig vorbeigeht, die einem nichts zu
sagen haben, hinter jedem, oft ganz flach und unbe-
deutend aussehenden Gesicht hat Lenbach nach einein
Räthsel, nach Geist, Seele, Geinüth, nach unerhörten,
verschwiegenen Dingen, Träumen, Gedanken gesucht.
Und nur wellige waren es, die spröde blieben, die ihm
nicht Dinge zu sagen wußten, voll denen wir Anderen
keine Ahnung oder nur eine unbestimmte, dämmernde
Vorstellung hatten. Selten, daß es ihm dann einmal
nicht geglückt ist, diese Seele zum Ausdruck zu bringen
in dein Porträt. Trat dieser Fall schon ein, dann war
Lenbach selber sein schärfster Kritiker. Es gehört Selbst-
verleugnung und Muth dazu, so zu handeln, wie er es
bei seinem Porträt des Professor Ruemann that: Groß
 
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