Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 9.1904

DOI Heft:
Nummer 15
DOI Artikel:
Galland, Georg; Prell, Hermann [Gefeierte Pers.]: Das neue Treppenhaus im Dresdner Albertinum und sein Schöpfer: zu Hermann Prell's 50. Geburtstag am 29. April 1904
DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob; Vereščagin, Vasilij Vasilʹevič [Gefeierte Pers.]: Wassil Wereschtschagin †
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunst_halle1904/0267

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kunst-Halle.

227

Nr. f5

dieser Momente durch das neugeschaffene Gerahm der
Architektur herbeigeführt ist. Diese Architektur, etwa
im Charakter einer kraftvollen eigenartigen Spät-
Renaissanoe, präsentirt sich im lichten Tone mit stellen-
weiser Vergoldung der Schmucktheile. Die beiden
Seitenwände des Treppenhauses lassen in je zwei rund-
bogigen Blendarkaden Raum für im Ganzen vier Ge-
mälde, für die kü trs860 gemalten Nachspiele jener ge-
waltigen Deckentragödie.
Westwärts senkt sich die ungeheuere Felsenmasse des
Gthrysgebirges jäh herab, und hier, in öder Schlucht,
läßt der vergeltende Götterkönig durch zwei der
Hekatoncheiren, Kottos und Gyes, an dem Schuldigsten
und Mächtigsten der Titanen, dem greisen Kronos,
grausame Rache üben. Die geflügelten Jünglinge
schmieden den ohnmächtigen Greis an die Felswand
fest. Tin zweiter gefesselter Titane erleidet Oualen
durch rauchende Flammen tief unten im Tartaros . . .
Auf dem rechten Bilde dieser „Schicksalswand" fühlt
sich der Beschauer gleichsam gehoben auf eine ragende
hellschimmernde Klippe. Hier thronen, nachdem Ord-
nung und Gesetz der Erde geschenkt sind, die drei jung-
fräulichen Schicksalsschwestern und walten unerbittlich
ihres Amtes, das über die menschliche Lebensdauer ent-
scheidet. Zu ihren Füßen schäumt wild die Btyxquelle,
über die gerade der Adler, der Zeus' Rache an Pro-
metheus beendet hat, zum Olympos entschwebt. Und
Prometheus selbst, der „vorbedachte" Sohn des Ia-
getos und der Themis, den der Künstler inmitten dieser
Schicksalswand in kolossaler statuarischer Figur an-
ordnete, in der Nähe der Flammen des Tartaros, die
gierig an seinem Sockel emporlecken, bildet auch geistig
den Mittelpunkt des Ganzen. Denn prell hat ihn als
die Verkörperung des Genius aufgefaßt, in der ge-
senkten Linken die Fackel tragend, während die Rechte
an der die Brust engenden Fessel tastet. So hat er
ihn auch formal überaus wuchtig gebildet, und zwar in
einem leicht getönten Serravezza-Marmor.
Dieser tragischen Hälfte des Zyhlus ist an der Ost-
seite des Treppenhauses die Lieblichkeit und Schönheit
gegenübergestellt, als das wundervollste Geschenk der
siegreichen Götter an das dadurch begnadete Griechen-
volk: Die Entführung der Europa auf Stieresnacken
durch die bläulichen wogen einer von Bergen um-
schlossenen Meeresbucht und die Ankunft des Liebes-
paares bei den Grazien, die in göttlicher Hüllenlosig-
keit eine köstlich erblühte Rüstenlandschaft schmücken, eins
jenerfarbenschönenpoesievollen Zd^lle,wie sie j)rell wieder-
holt gestaltet hat. Zwischen beiden Szenen aber er-
hebt sich die Statue der „schaumgeborenen" Aphrodite
als Pendant zum Prometheus und in ihrer Anmuth der
Formen zugleich als Gegenstück, wie es wirksamer kaum
zu denken ist.
vor dem Eintritt in die Loggia wird der Be-
schauer an der langen Südwand gegenüber der Fenster-
seite ferner durch zwei große, kräftig modellirte und
patinirte Bronzereliefs gefesselt, in denen in der Sprache

der Plastik noch einmal von „Schicksal" und „Schön-
heit" geredet wird: von jenem bei Ikaros, dem be-
klagenswerthen Opfer unreifer Phantasie, und von der
Schönheit, die sich in der selbstbewußten Kraft des
Perseus, des Gorgotödters und Bändigers des Pegasus,
offenbart . . . Die Loggia selbst, eine dreigetheilte
schmale Halle mit Oberlicht bringt das Gesammtwerk
nicht nur architektonisch, sondern auch durch die farbige
Abstimmung und zugleich gedanklich zum Abschluß. Im
Hintergründe bildet eine antike Minervastatue in ver-
goldeter Rundnische den Mittelpunkt der wand, an
deren Lünetten die vier Elemente durch die Gottheiten
Hera, Tethys, Poseidon und Hades versinnbildlicht er-
scheinen.
Soweit nur in flüchtigen Zügen ein Bild des neuen
monumentalen Treppenhauses im Albertinum, dessen
erschöpfende Würdigung nur im viel größeren Rahmen,
als er hier zur Verfügung steht, möglich sein kann. Ein
hochkünstlerisches Denkmal ist nach Jahren ernstester
Arbeit in Dresden vollendet, das weder irgend welche
sichtbare Beziehungen zu französischen noch zu englischen
Vorbildern hat, sondern lediglich, wenn überhaupt Vor-
läufer für seinen Urheber bezeichnet sein sollen, lediglich
in der idealen Gesinnung einer kleinen Reihe deutscher
Meister wurzelt. Deren Schaffen muß dem tieferen
Beurtheiler — gegenüber der herrschenden realistischen,
dem französischen Einfluß verdankten Entwicklung —
als eine bedeutsame Unterströmung der deutschen Kunst
des ss>. Jahrhunderts erscheinen. Merkwürdigerweise
ist diese Unterströmung in ihrem logischen Zusammen-
hang bisher von der maßgebenden Litteratur noch nicht
erkannt worden, vielmehr hat man sich begnügt,
einige Größen wie Maröes, Böcklin, Thoma, Klinger
— jede für sich als eine zufällige interessante Erscheinung
— nicht wie Merkmale einer Reihe zu betrachten . . .
Möge es Hermann prell, dem jetzt als Schöpfer des
Treppenhauses in Dresdner Albertinum gefeierten
Meister, vergönnt sein, in dieser Reihe den hervor-
ragenden Platz noch lange zu behaupten, der ihm nach
dem Werth seiner monumentalen Arbeiten nicht wohl
bestritten werden kann.
G. Galland.
VsZLil Verercllkclisgin 7.
(A^s^un hat der russisch-japanische Krieg auch der
bildenden Kunst einen schweren Verlust gebracht:
Bei dein Untergang des russischen Flaggschiffes
„Petropawlosk" vor Port Arthur hat der führende
Meister der zeitgenössischen russischen Malerei, Wassil
wassiljevitsch Wereschtschagin, den Tod gefunden.
In der Kunstgeschichte seines Heimatlandes wird
man — es mag vielleicht übertrieben klingen und doch
ist's wahr — Wereschtschagin dereinst einen Platz ein-
 
Annotationen