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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 11
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Günther, Julius: Dresdner Kunstbrief
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Kiesling, Ernst: Leipziger Kunstbericht
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s66

Nr. U

Die Kunst-Halle.

In dein kleinen Räume daneben stellt Helma
Schurig eine Anzahl ihrer Bilder aus, die durch die
männliche Derbheit der Technik auffallen: künstlerisch
bedeuten sie wenig, da sie lediglich die Früchte guten
Studiums zeigen, im Uebrigen aber Anklänge an alle
möglichen Vorbilder, besonders an Belgien, aufweisen
und jede Selbstständigkeit vermissen lassen. weiter-
sehen wir noch den Leipziger Künstlerbund kollektiv
auftreten: am sympathischsten ist Horst-Schulze, der
neben seiner von der sächs. Kunstausstellung her be-
kannten poetischen Mondnacht eine Reihe fein gestimmter
Landschaftsbilder bringt, weiter ist Wilhelm Stumpf
ebenfalls mit Landschaften, w. Oueck mit guten Porträts
des Malers Stumpf und des Bildhauers Hartmann
mit Auszeichnung zu erwähnen. Die mehrfach schon
besprochene Radirung „Pest" von Mar Klinger und
einige vortreffliche Plakate von Felix Pfeiffer schließen
den Kreis der Leipziger Künstler.
Jin Kunstverein war eine große Anzahl Studien
lind Bilder von der rühmlich bekannten Wienerin Tina
Blau ausgestellt, die ein prächtiges Gesammtbild von
dein Schaffen der Künstlerin geben. Reber die eben
eröffneten Sonder - Ausstellungen von L. Torinth,
w. Trübner und H. Luyten wollen wir das nächste Mal
berichten: heute müssen wir eine höchst interessante
Ausstellung von Porträts deutscher Künstler erwähnen,
die von der Königin-Wittwe von Sachsen zu wohl-
thätigen Zwecken im Kgl. Schloß veranstaltet worden
ist. Sie ist über den ursprünglich ins Auge gefaßten
Rahmen hinausgewachsen zu einer hochbedeutsamen
und interessanten Ausstellung, für die inan der. fürst-
lichen Veranstalterin dankbar sein muß. Sie bringt bis
auf geringe Ausnahmen Porträts aus Privatbesitz
moderner und älterer Meister und geht über 2 Jahr-
hunderte zurück. So sieht man aus fürstlichem und
adligem Besitz allerhand Bildnisse, die aus Schlössern
hierher gebracht wurden, die kaum se wieder zu sehen
sein werden und die in Verbindung mit den modernen
Porträts bei malerisch wirksamer Aufstellung in den
prächtigen Räumen des Kgl. Residenzschlosses zu inter-
essanten Betrachtungen über die Entwicklung der
Bildnißkunst Anlaß geben.
Die interessantesten der älteren Bilder stammen
aus dem Besitz der sächs. Adelsfamilien Sahrer von
Sahr, Grafen von Vitzthum auf Lichtenwald, von
Boxberg, von Holtzendorff. Da finden wir prächtig
lebensvolle Bildnisse von Anton Graff, darunter die
der Dichter Wieland und Tiedge, von Deschaiees,
Moreelse, Raphael Mengs, Ary Scheffer, Vogel von
Vogelstein, Tischbein, Gerhard von Kügelgen, Winter-
halter. Alle diese Sachen, so verschieden sie auch in
ihrem werthe sein mögen, fesseln doch, jedes in seiner
Art, durch lebensvolle Wiedergabe des individuellen
Ausdrucks, durch graziöse Darstellung, reizvolle Kostüme,
oder durch die historische Bedeutung der dargestellten
Persönlichkeiten. 13 Porträts von Lenbach, etliche vor-
treffliche Bildnisse von F. Aug. von Kaulbach und eine
Menge Porträts von Dresdner lebenden Künstlern
schließen sich an. Es sind ungefähr 250 Nummern.
Der gute Erfolg der Ausstellung wird hoffentlich eine
Verlängerung der nur für die Dauer von Tagen
in Aussicht genommenen Ausstellung veranlassen.
Julius Günther.

Leipziger Aunckberickt.
nberührt von den Strömungen des Tages, ist
die Kunst des Münchner Meisters Fritz August
von Kaulbach sich treu geblieben, ohne
an Werthschätzung wenigstens in jenen Kreisen, für die
der Künstler vor allem schafft, zu verlieren. Sie be-
wundern nach wie vor seine zarte Linienführung, die
Feinheit und den Schmelz seiner Farben, sein geschmack-
volles Arrangement, seine delikate Vortragsweise. Zur
Zeit findet man im Oberlichtsaal des hiesigen Kun st -
Vereins Gelegenheit, eine Kollektion Bildnisse seiner
Hand, die nicht blos sein hohes Können aufs neue
bestätigt, sondern auch um deswillen von besonderem
Interesse ist, weil sie eine Anzahl bisher lisch wenig
bekannter Werke des Meisters enthält, welche dazu be-
stimmt sind, als Schmuck seiner eigenen wohnräume
zu dienen. Hierher gehören die Bildnisse der Frau
und der Mutter des Künstlers, das seines Töchterchens
in ganzer Figur mit Kirschen spielend und ein Studien-
kopf der Tochter mit Hut. Ferner sind hervorzuheben,
außer verschiedenen Damen- und Herrenbildnissen, das
der Gräfin Moy und die Porträtstudie einer Spanierin.
Die Kunsthalle Beyer L Sohn zeigt gegenwärtig
das aus 58 Nummern bestehende graphische Werk
Otto Grein er's. Den Porträtfiguren vom Jahre
1889 folgeii die Stiche des Ganymed und Dante's
Inferno XXIl, lithographierte Blätter des Tanzes, das
Schießdiplom, die lebensvollen, auf Stein gezeichneten
Bildnisse Tosüna und Siegfried Wagners, Marianne
Brockhaus' und Haferkorn's, seines von ihm hochge-
schätzten Zeichenlehrers, eine Kollektion köstlicher
Exlibris, sowie das in Röthel gezeichnete, Max Klinger
gewidmete Selbstporträt und Studien zu seinem Bilde
„Odysseus und die Sirenen". Reberblicken wir diese
von einem bewundernswerthen Fleiß zeugenden Arbeiten,
so erscheint sein Können da an: höchsten, wo er in
unmittelbarer Fühlung mit der Natur bleibt. Form
und Bewegung sind nicht immer ganz ausgeglichen und
zeigen mitunter einen outrirten Eindruck, jedoch bei
vielen seiner Gestalten ist wiederum die Schärfe, mit
der sie gesehen, und die Feinfühligkeit der formalen
Durchbildung unübertrefflich.
Im Kunstsalon Mittentzwei-Windsch hat jetzt
der Berliner Bildnißmaler Rudolf Schulte im Hofe
eine interessante Sonderausstellung veranstaltet, die
neben gezeichneten und gemalten Porträts auch eine Reihe
sog. Steinradierungen enthält. Die farbigen, zumeist
in gebrochenen Tönen gehaltenen Bildnisse entbehren
nicht eines vornehmen Tharakters und mancher geist-
volle Zug äußert sich in den mit wenigen Pastellstiften
oder in Kreide und Kohle gezeichneten Porträts, aber
am selbstständigsten erscheint doch die künstlerische weise
Schulte's in seinen, in einer neuen von ihm erfundenen
Technik ausgeführten Steinradierungen, die durchweg
höchst malerisch erfaßt sind und eine wundervolle Kraft
und Tiefe besitzen. Obenan steht zweifellos der außer-
ordentlich lebendig wiedergegebene Kopf des Philosophen
Eduard von Hartmann, der von geradezu faszinirendem
Ausdruck beseelt ist; dem schließen sich der des Alt-
meisters Adolf von Menzel's und der einer jungen
Dame, sowie einige mit drei Platten farbig behandelte
landschaftliche Darstellungen an, die ganz eigenartige
Stimmungsreize entfalten. Diese graphischen Arbeiten
von Schulte im Hofe sind zu den hervorragendsten
Leistungen unserer neu aufblühenden Griffelkunst zu
zählen. Trust Kiesling.
 
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