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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 7
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Rapsilber, M.: Die Winterausstellung der Berliner Sezession
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Galland, Georg: Camera-Kunst
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R., M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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Die Runst-Halle.

Nr. 7

Freundschaftsstoß in die Tiefe, die tiefschwarz schauerlich
ins Bodenlose gähnt. Lin neues Berliner Talent
offenbart sich in Heinrich Zille, welcher in den Spuren
von Baluschek die Pöbelpoesie, Milieu Nixdorf, mit
dröhnendem Humor zu üben beginnt. Man meint, das
sei genial im Sinne des Montmartre. Im Reich der
Zeichner durfte natürlich nicht Räthe Rollwitz fehlen,
eine Rünstlerin, die von Gerhart Hauptmann's Weber-
tragödie zu einem fanatifirten Naturalismus inspirirt
zu sein scheint und nun mit einem schaurig berührenden
Trust das Llend zu gestalten versucht. Mit den schon
mehrfach gezeigten Webern erscheint sie abermals, dann
mit zwei Radirungen aus dem Zyklus „Bauernkrieg",
auf denen das düstre Pathos beinahe großartig an-
muthet, beinahe allerdings nur, denn einzig das Erlebte
und Mitempfundene gestaltet sich in unmittelbar be-
rührender Größe, hier aber spielt der weibliche Rünstler
mehr die Nolle eines interesfirten und literarisch ge-
bildeten Zuschauers von: hohen Balkon. Das wird
man begreifen, wenn man daneben das Blatt mit dem
todten Rind betrachtet, eine Darstellung von wabrhast
erschütternder Tragik. Im Uebrigen sind von Berlinern
vertreten Baluschek, Baum, Block, Feld, Leininger,
Franck, Heilemann, Lurt Herrmann, Dora Hitz, Holleck-
weithmann, die beiden Hübner, Jordan, Rayser-Eich-
berg, Julius RIinger, Linde-Walther, Pigulla, Schmidt-
Michelsen, Struck, Rarl Walser, Julie Wolfthorn u. a.
Man ersieht daraus, daß die Sezession bei heuriger
Winterausstellung sich nicht auf den kleinen Rreis ihrer
Gefolgsmannen beschränkt hat. Das gilt auch von
Dresden, München, Rarlsruhe und von dem Auslande,
und diesem weitherzigen Programm ist es zuzuschreiben,
daß die Ausstellung ein im Großen abgerundetes Bild
der zeichnenden Rünste darbietet.
Zn einer besonderen Gruppe könnte man wohl die
krankhaften und phantastischen Ausgeburten, die exzen-
trischen Traumbilder, die hysterische Satire und die
Runst des Absonderlichen zusammenfassen. Die künst-
lerische Gestaltung des englischen Spleen, welche dem
jung verstorbenen Aubrey Beardsley vorbehalten ge-
wesen, hat in der französischen und deutschen Runst
weite Wellenkreise getrieben, perverse Neigungen und
Phantasien und ein überzärteltes, überreiztes und degene-
rirtes Empfinden und das Schmachten nach einer falsch
verstandenen und kranken Mystik spielen hier eine
Hauptrolle. Die gemeinsame Wurzel der sensitiven
Phantastik ist das englische präraffaelitenthum. Darauf
fußte Beardsley, entwickelte sich aber absteigend zu
einer fahlen, blutleeren und gespenstigen Schemenkunst
in seinen mondscheinzarten Buchillustrationen, die in
der Ausstellung in endloser Reihe vorgeführt werden.
Sie bereiten einen Nervenkitzel eigener Art und es
schwebt über ihnen der Todtenduft der welkenden Blumen,
der auf krankhaft feine Sinne eine berauschende
Wirkung ausübt. Es ist das wohl zu verstehen. Unter
den Deutschen verlegte sich Rarl Walser in schwindsüchtig
zarten Holzschnitten auf das Grauen, welche die Miß-
geburt hervorruft. Dazu gesellt sich nun der Münchner
Alfred Rubin, welcher an dieser Stelle im Allgemeinen
schon gekennzeichnet ist. Da die Zeichnungen Rubin's
in der Sezessions-Ausstellung eine große Rolle spielen,
so möchte hier ergänzend wenigstens einige seiner
Motive herzählen. Rubin befaßt sich in der Hauptsache
mit der phantastisch verhüllten Satire. Der Herrscher Auer-
ochs, der über seine Rrieger vom hohen Marmorpostament
Heerschau abhält, der letzte Rönig, ein grauenerregendes
Bild der Entartung, das betende Pferd, das mit dem
Ritter im Sattel scheinheilig auf das Angesicht nieder-
fällt, dann die erloschenen Mönche, die verfolgte Nonne,

die Bestie, die vom Weib Besitz ergreift, das scheusälige
Gezüchte des Panthers mit dem Giraffenhals, die große
Boa mit dem Tigerkopf, vor welchem das perverse
Weib anbetend kniet, der Räuber in Gestalt eines
Eisbären, so riesenhack wie ein Gletscher, die Polar-
station am Bergeshang beschleichend, das etwa giebt
eine Anschauung von Rubin's Gedankenkreis, und man
wird finden, daß hiermit ein Spiegel der kranken Zeit
entgegengehalten wird.
M. Rapsilber.


Lamers-Aunrt.
(Mit Illustration.)
letztjährige Büchermarkt hatte auch für den Amateur-
/ Photographen bemerkenswerthe Neuheiten gebracht:
So die reich illustrirte Veröffentlichung „Lamera-
Runst" von Ernst Iuhl, die im Berliner Verlag von Gustav
Schmidt erschien.*) wir gehören nicht zu denen, die, trotz
unserer diesem edelsten photographischen Gebiete stets gewid-
meten Beachtung, angesichts selbst der staunenswerthesten
Leistungen schlechtweg von Runst reden; aber wir verkennen
niemals die künstlerischen Absichten aller derjenigen Amateur-
photographen, welche — jeder in seiner eigenthümlichen weise
— zur Erreichung des Ideals sich ehrlich und erfolgreich be-
mühen. Hiervon giebt das vorliegende Werk unwiderlegliche
Zeugnisse. In den textlichen Beiträgen werden wir durch be-
rufene Federn über die Arbeitsweise und die )üngsten Ergeb-
nisse der besten Rräste des Faches diesseits und jenseits des
Ozeans anregend belehrt, und in den Abbildungen wird uns
eine wirkliche „internationale Sammlung von Runst-Photo-
graphiertz der Neuzeit" geboten, wir versagen uns nicht eine
charakteristische Probe aus dieser Sammlung, die nach Art der
Malerei verschiedene Gattungen, z. B. Porträt, Genre, Land-
schaft, Interieur, Aktstudie umfaßt, unfern Lesern vorzuführen:
Lin Rindergenre von Mathilde weil, Phila-
delphia. Ls ist zugleich eine überaus reizvolle Probe dafür,
welche tonige Zartheit und Schönheit die heutige „Lamera-
Runst" erreicht. Alle denkbaren Stimmungen, die der moderne
Maler auf die Leinwand zu zaubern vermag, weiß auch der
auf der Höhe stehende Amateurphotograph unmittelbar aus
der Natur zu schöpfen, und diese Ouelle erweist sich so über-
aus dankbar, daß in den uns in letzter Zeit gebotenen Resul-
taten der „Eamera-Runst" kaum etwas fehlt, was durch die
hohe Runst unserer Renntniß zuvor eröffnet wurde. Das vor-
liegende Werk giebt in gedrängter weise von dem Guten das
Beste, und man muß gestehen, es besitzt in der von Iuhl ge-
troffenen Auswahl eine geradezu werbende Rraft für diese
„Lamera-Runst". <3.
Mr Sen Zerliner Xunrkslonr.
^^er Lalon Schulte giebt wieder einmal den
I I Berlinern die Ehre. Nicht blos den Malern,
sondern auch den Bildhauern. Ja, es haben sich
sogar zwei Bildhauerinnen eingefunden. Aber deren
H pr. -xy>0 Mk. geb.
 
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