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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 19
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Neumann, Ernst: Was die Kunst in Paris sagt
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Wolf, Georg Jacob: München: Ausstellung des "Deutschen Künstlerbundes"
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Die Aunst - Halle. Nr.

um Vorstudien für künstlerische Darstellung zeitgenössischen
Lebens handelt. Ich meine die Darstellung eines
Lebens, welches unter der Oberstäche des Alltags den
Weltlauf regiert. Ich sprach von französischem Esprit,
es scheint, daß ein Theil desselben der Nation entzogen
und Allgemeingut geworden ist, eine Gabe, die nun für
Jedermann bereit liegt, er braucht sie nur zu sehen,
zu nehmen und zu erhalten.
Der nächste verwandte des Herrn Blanche ist
John Lavery. Seine Dame in rosa Seidenkleid, auf
welches breit das Licht einfällt, ist ein wunderbares
Stück Malerei. Die Bilddame hätte Rembrandt zu
seiner Geliebten gemacht, wenn er eben nicht der Rem-
brandt gewesen wäre, wie würde sich diese schlanke,
fast magere Gestalt mit dem energischen Hals und den
fast grausam klugem Augen in ihrer stolzen, aufgerichteten
Sitzlage neben, unserem, das Weinglas schwenkenden
Malertitanen ausgenommen haben?
Wir treten zu Besnard. Gin großes Bild frappirt
uns durch seine eigenthümlichen Farbengegensätze. Es
stellt den Abschluß eines üppigen nächtlichen Diners
dar. Auf einer verwüsteten, reich bestellten Tafel brennt
ein fünfarmiger Leuchter. Man sieht im Hintergrund
einige Gruppen in jener Zerstreutheit plaudern,
welche anzeigt, daß jeder sich zu dem Entschluß sammelt,
das Signal zum Aufbruch zu geben. Zn der Milte
des Bildes, jenseits hinter dem hellbrennenden Leuchter
steht eine Dame in Hellem Pelzumhang, aus der Hand
eines Dieners, dessen Arm in das Bild hineinragt, ein
letztes Glas Sekt entgegennehmend. Gin Herr nut
echtem, französischem Zdealhabitus in weichlichem Bart-
schmuck, in der kokett gekrümmten Rechten ein Glas
Sekt haltend, schaut nut fatalen: Lächeln dicht auf die
Dame nieder. Der Athen: seiner von: weine feuchten
Lippen muß das Antlitz dieser Frau bestreichen. Weiterhin
sieht man die Marionettenfiguren eines Herrn und
mehrerer Damen, welche in stumm stupider Gebärde
vor sich hinstarrend, auf etwas zu lauschen scheinen.
Ueber den: Ganzen liegt ein Alpdruck. Zn diesen:
Augenblick kommt nur Boecklin's Bild in der Schack-
gallerie in München „Pan erschreckt einen Hirten" leb-
haft zum Bewußtsein. Die Dame selbst, blaß in bleichen:
Licht, greift gedankenvoll und seitwärts blickend nach
dem Reich, nur ihre leise hochgezogenen Brauen ver-
rathen eine Erregung. Merkwürdige, stumpfe, schwarze
und braune Tiefen sind auf der Tafel vertheilt und
gespensterhaft werfen die sonst so warmen Rerzenflammen
bleiche Reflexe auf die Umgebung. Von der kreide-
weißen Gestalt der Frau löst sich nur das brennende
Roth ihrer Lippen ab und wetteifert an Glut nut einem
Busch Rosen, der aus dem Vordergründe in das Bild
hineinwächst. Eine panische Erregung erfaßt uns
als aufmerksame Beobachter dieser Szene, gleichwie
Boecklin's „Hirten". Ls ist ein merkwürdiges Bild mit
diesen Farben und Gestalten und für den unaufmerk-
samen Beobachter ohne jedes sensationelle Znteresse.
(Schluß folgt.)
Mncken: Mrckelliing „Jeukclren
MnZtlerlrunSes".
I.
lso das ist nun der Deutsche Rünftlerbund. Man
hatte der Ausstellung mit einiger Spannung
entgegengesehen. Merkwürdigerweise war bei

der Gründung des Bundes am wenigsten von Runst
zu hören. Es gab wohl Proteste, Streitigkeiten, per-
sönliche Auseinandersetzungen, im Reichstag und in den
einzelnen Landtagen wurde mobil gemacht, die presse
hatte alle Hände voll zu thun mit der neuen „Zentral-
Grganisation" — aber Niemand dachte daran, zu
fragen: was leisten diese Leute als Rünsller? Als
dann die Runde durch die Zeitungen lief, daß in
München ihre erste Ausstellung eine Stätte finden
werde, da wurde das Znteresse wach. Nicht als ob
man die Einzelleistungen der führenden Leute des
Bundes nicht gekannt hätte, aber wie sie sich neben
einander vertragen würden, ob nicht der eine und
andere den Rahmen sprengen würde, darauf war man
gespannt. Man rechnete auf eine Art „Sensation".
Und das ist nun die Ausstellung. Gar nichts Auf-
regendes, sicher viel tüchtige Arbeiten, daneben auch
viel, was stark abfällt, durchaus keine vollgültige Elite,
wie man aus der geringen Anzahl der aufgenommenen
Arbeiten (in: Ganzen 2si5) und bei der Strenge der
Zury, die angeblich zwei Drittel der Arbeiten zurück-
wies, hätte erwarten mögen. Es ist in: Grunde nichts
weiter als die übliche Zahresrevue der Sezession, die
Heuer von außen her etwas verstärkten Zuzug erhalten
hat. Durchaus sind die Münchner Mittelpunkt; ob-
wohl aus Berlin, Dresden, Worpswede, Stuttgart,
Rarlsruhe, Weinmr, Düsseldorf, Wien und Paris die
Gäste gekommen sind, trifft auf die Münchner immer
noch mehr als die Hälfte aller ausgestellten Werke.
Von den Führern der Münchner Sezession fehlt
keiner. Uhde zeigt uns in einem kleinen intim ge-
malten Gartenbildchen wieder seine drei Töchter, ein
Sujet, in dessen Version er sich scheinbar nicht genug
thun kann, den: er aber regelmäßig wieder einige neue
Lichter aufzusetzen weiß, Habermann ist mit einem
seiner pikant gemalten, rassigen Damenbilder da. Die
beiden Führer mit nur je einen: Bild sind doch wohl
etwas zu dürftig vertrete::. Stuck hat dafür um so
mehr gebracht. Nach Zähren, wo bei ihm Alles zu
rosten schien, ist nun wieder ein frischeres Leben ge-
kommen. Seine Arbeiten in dieser Ausstellung halten
mit Ehren stand. Die „Susanna" ist im Rolorit, in
der überlegten Zusammenstimmung der lebhaften Farben
vielleicht das beste Stück in diesen Sälen, seine kleine
Gratulantin ist sowohl in Zdee wie in malerischer
Durchführung von feiner, herzlicher, munterer Wirkung,
„Aga" und die „Spanische Tänzerin" sind tüchtige
Leistungen, aber seinen beiden anderen Arbeiten nicht
ebenbürtig. Ludwig Herterich hat das Doppel-
porträt der Frau Professor Littmann und ihrer
Tochter gebracht, das in der Gruppirung und deko-
rativen Wirkung unbestreitbare Vorzüge besitzt, rein
technisch aber ganz miserabel gemacht ist, ein Vorwurf,
der Herterich bei allen seinen Bildern nicht erspart
bleiben kann. Schade, wenn jemand so viel kann, und
mit dem Handwerklichen in seiner Runst absolut gar
nichts anzufangen weiß. Albert von Reller brillirt
mit seinen rafsinirten Bildern der Schlaftänzerin Magde-
leine, die er uns schon im Runstverein gezeigt hat, neu
sind die temperamentvollen „Tänzerinnen", die neuer-
dings bewiesen, daß Reller's Stärke in der Darstellung
des bewegten, verzückten Menschenleibes beruht.
Landenberger's Christus im Felsengrab ist fein
modellirt, läßt aber eiskalt, in: Vergleich mit dem
prächtigen Rnabenporträt vom vorigen Zahr bedeutet
die heurige Gabe einen starken Abfall. Hengeler hat
wieder zwei liebenswürdige kleine Rabinettstücke da,
munter und frisch, vieVFarbeZviel Blumen,^vorzügliche
warme Akte — eine Heiterkeit darüber, die sich sehen
 
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