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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 1
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Gustav, Leopold: Die Ausstellung im Glaspalast 1903, IV.
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Hillig, H.: Die kunsthistorische Ausstellung in Erfurt
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Nr. f

Die Kunst-Halle.

7

listischen Genres spricht. Sympathischer berührt ein flott
modellirter Bauernknecht von Ang. Heer. Van
wyck's Mutter und Rinder sind sehr reizvoll und
liebenswürdig, obwohl sie in Haltung und Ausdruck
voll Naturwahrheit sind. Graziöse Runst bietet
Kowarzik, der sein Bestes freilich in Plaketten giebt.
Halb und halb schon angewandte Runst ist Hinter-
seher's kraftvoll modellirter Fruchtträger. Le Roy's
Bronzereliefs sind von eleganter Technik und geben die
Porträts mit reichlicher Betonung des Charakteristischen.
Den Saal der Kopien wird man ohne Namen-
nennung eine allgemeine Anerkennung respektabler
Leistungen zubilligen können; den kleinen Architektur-
saal kann man nicht ohne Anregung verlassen, wenn
auch in dieser Ausstellungsabtheilung das Zufällige zu
sehr vorherrscht und von einer Revue über moderne
Leistungen nicht wohl gesprochen werden kann; die
größte Ligenart spricht wohl aus den Entwürfen von
Helbig und Haiger in München, doch sollen auch
Berger, Roch-Stuttgart, Rronfuß, Lutz, Marggraff und
Stempel L Raek nicht unerwähnt bleiben.
Für das vielgestaltige Gebiet der vervielfältigenden
Künste verbleibt mir kein Raum mehr. Von ihnen
haben der „Verein für Original-Radirung" und der
„Bund zeichnender Künstler" (beide in München) eigene
Säle. Aus der ersteren Korporation hebe ich die stoff-
lich wie technisch interessanten Griginal-Radirungen
Grlik's hervor, wie auch Graf-Freiburg's zu ge-
denken ist, der in Lithographie, Mriginal-Radirung und
Original-Aquatinta großzügige Blätter giebt. Brau-
müller, Duensing, Gampert und Meyer-Basel sollen
noch hervorgehoben werden. Aus dem Bunde der
zeichnenden Künstler nenne ich den phantasievollen
Ernst Kreidolf und Ernst Liebermann, der die idyllischen
Mauerrefte früherer Tage mit so viel Innigkeit zu
schildern versteht.
W

Zie kunrMckorkclte Mckellung in Erfurt.

(DEftn September wurde in Erfurt im Kreuzgang der
ehrwürdigen Domkirche, in darunter- und daneben-
liegenden Remtern und Kapellen eine Ausstellung er-
öffnet, die der Vorstand des Unternehmens in seinem Vorwort
zum Katalog ein Ereignis von wesentlichster, um-
fassender kunstgeschichtlicher Bedeutung nennt. Der
Arbeitsausschuß dieser Ausstellung besteht durchgehend aus
Kunstgelehrten. Thüringen, das Herz Deutschlands, ist seit
alten Zeiten eine Pflegstätte bildender und tönender Kunst ge-
wesen, man denke nur an die Wartburg und was Geschichte
und Sage Alles von dem geistigen Leben an diesem Bergschloß
erzählt. Aus den thüringischen Landen, aus dessen Klöstern
und Schulen gingen die wundervollen Schnitz- und Bildwerke
hervor, und die Werke aus der Sächsisch-Thüringischen Maler-
schule, aus der Saalfelder Schnitzerschule sind noch heute als
Dokumente guter Kunst bekannt und geschätzt. Kurz, Thüringen
war von jeher der Mittelpunkt des geistigen Lebens des deutschen
Volkes, wie ja auch Thüringen die Wurzel der Reformation
in sich trug. Und gerade Erfurt, diese ausgesprochen ehr-
würdige Kirchen- und Klosterstadt, beherbergt selbst in seinen
kirchlichen Bauten und in den klösterlichen Ueberreften solche

Kleinode kirchlich-historischer Kunst, und die thüringischen
Staaten weisen mehr Schätze dieser Art in einsamen Dorf-
kirchen, hochragenden Burgen am Ufer der Saale und in den
Schlössern der zahlreichen thüringischen Kleinstaaten auf.
So mag der Provinzial-Konservator vr. Doering zu der
Anregung gekommen sein, eine Ausstellung dieser Art zu ver-
anstalten, und so mag sich die Sitzung des geschäftsführenden
Ausschusses der Denkmals-Kommission der Provinz Sachsen
am 20. Oktober ;°>02 in Torgau gerade Erfurt zum Ort dieser
Ausstellung ausersehen haben. Das Milieu der ganzen Stadt
mit den vielen Kirchen eignet sich vortrefflich als Rahmen zu
den hier zusammengetragenen Kunstgegenständen.
Die Ausstellung zerfällt in folgende Abteilungen: I. Ge-
mälde; II. Miniaturen, Handzeichnungen, Decken-, wand- und
Glasmalereien, Erzeugnisse der zeichnenden Künste; III. Schnitz-
altäre und andere Werke der Skulptur; IV. Kunstgewerbe und
Kleinkunst; V. Photographien und Zeichnungen von Baudenk-
mälern, Denkmalsarchive.
Abtheilung I: Gemälde, enthält eine große Zahl aus
thüringischer: Kirchen entlehnter Altargemälde, wie auch
sonstiger historisch bemerkenswerter Bildnisse, meist aber kirch-
lichen Charakters. Selten wird eine so große Zahl Gemälde
von einem alten Meister zusammenkommen, ein großer Theil
dieser Bilder sind nämlich von Lukas Cranach dem Aelteren.
Wir erkennen hier das innige, gemüthstiefe Talent des alten
Meisters, sehen aber auch die Gründlichkeit, die der Meister
bei der Schaffung seiner Gemälde beobachtete. Fast alle Ge-
mälde Cranach's sind ausgezeichnet erhalten, obwohl die Auf-
bewahrungsorte in Dorfkirchen u. s. w. nicht immer die
günstigsten Vorbedingungen gegeben haben für eine tadellose
Erhaltung der alten Bildwerke. Von besonderem Eindruck ist
ein lebensgroßes Lhristusbild mit einer wunderbar lebendigen
Gestaltung des Körpers. Besonders prächtig wirkt auch der
Goldgrund der meisten dieser Gemälde, der mit einem ver-
tieften Ornament ausgestattet ist, meist zeigt die Damaszirung
ein Granatapfelmuster. Diese Damaszirung dehnt sich auch
oft bis auf die Gewandung aus, oft ist auch mit Vergoldung
selbst die Gewandung ausgestattet, das metallische Lustre der
Metallgegenstände auf den Gemälden, der Kreuze, Kelche,
Schmucksachen u s. w. ist durch eine feine Schraffirung in
echter Vergoldung erzeugt. Interessant ist es auch, in dieser
Abtheilung das, wie man vermuthet, einzige von Lukas
Cranach erhaltene Gemälde auf Leinwand zu finden; es stellt
Jesus mit der Samariterin dar. Der Aussteller, Prof. Vr.
Ritter von Oppolzer, bemerkt zu diesem Bilde, daß es das
einzige von Lukas Cranach erhaltene, „auf ein Tuch von Oel-
farben" gemalte Bild sei. Das lasse sich durch eine Rechnung
für die Familie Tücher historisch nachweisen und datiren. Die
Rechnung lautet: „vor das Tuch, da Christus pey dem Weib
peyin Brunne stehet XV ft." Die Jahreszahl ist s55O; in
diesem Jahre war Lukas Cranach der Aeltere in Augsburg
und lernte dort bei Tizian die Oelfarben-Technik kennen.
Die anderen Cranach'schen Gemälde sind alle auf Holz ge-
malt.
In Abtheilung II findet der bildende Künstler mancherlei
Anregung, z. B. in den Miniaturmalereien, die allerdings auch
hier fast durchweg kirchlichen Charakters sind. Die Kirche ist
eben früher die wirksamste Patronin und Förderin der Kunst
gewesen, und sie war zu gleicher Zeit im Stande, das in
ihrem Dienst und für ihren Ritus Geschaffene zu bewahren
und, lange Zeit wenigstens, vor Aerspitterung, Verschleuderung
und Unfall zu schützen. Man bewundert hier die geschriebenen
 
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