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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 9
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Wolf, Georg Jacob: Von Münchner Kunst: Gallerie Heinemann
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Henig, Arno: Die geschichtliche und kunstästhetische Bedeutung der Neudeutschen Stickerei
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Die Kunst-Halle.

Nr. 9

Schack und dort die Münchner Kunst der sechziger,
siebziger Jahre zu studiren. Die Entscheidung, wo
mehr wahre Kunst steckt, wird keinem schwer fallen. —
Typisch für heute erscheint mir besonders das
starke Neberwiegen der Landschaft. Mag sein, daß wir
heute die Landschaft, die Schönheiten der Natur, mit
hellerem Auge sehen, vielleicht aber sind unsere Maler
auch unfähig geworden, große geschichtliche Zusammen-
hänge im Bild zu geben, haben sich vielmehr zu mehr
oder minder getreuen Kopisten der Natur „herunter
entwickelt". Freilich versteht es mancher, tiefen Stim-
mungsgehalt auszugießen über eine Landschaft; da
nenne ich nur den prächtigen Ernst Liebermann, in dem
noch einmal der alte landschaftliche Märchenzauber
Moritz von Schwind's lebendig wird und eine moderne
Auferstehung feiert, Fritz Baer, der mit wuchtigem
Pinsel die Großartigkeit der Alpenwelt auf die Lein-
wand bannt, Tairati und Benno Becker, in deren
Bildern die italienische Landschaft, stolze Villen und
vornehme Pinien dominiren. Da ist endlich die ganze
tüchtige, brave,fleißige Landschafterschule älteren Schlags:
wenglein, Schleich, Fink 6 tmtti tzunuti.
Vier Thiermaler möchte ich kurz erwähnen: auf
der einen Seite den berühmten Zügel, dessen koloristische,
durch Färb- und Sonnenflecke wirkende Art jedermann
so in Erinnerung steht, daß ich ihrer kaum eigens zu
gedenken brauche, und neben ihm zwei, die von ihm
ihren Ausgang nahmen: Emanuel Hegenbarth und
Schramm-Zittau — auf der anderen Seite Tharles
Tooby, der im Gegensatz zu jenen Koloristen besonders
durch seine famose, präzise Linienführung imponirt. —
Das Porträt war von jeher eine Stärke der
Münchner. Lenbach ist hier der führende Meister, auch
jetzt ist er bei Heinemann mit einer stolzen Kollektiv-
ausstellung, unter der sich freilich manches wohlbekannte
ältere Stück befindet, gut vertreten. Namentlich hat er
ganz brillante Frauenbilder da. Es liegt ein van Dyck-
scher Zug über diesen Frauenxorträts: wie bei dem
großen Vlämen hat man bei Lenbach den Eindruck,
daß er tief in die Seelen der Frauen blickt, daß sie ihm
Dinge erzählen, von denen die Welt nichts weiß und
nichts zu wissen braucht. Neben Lenbach pflegt man
Fritz August Kaulbach zu nennen, er ist diesmal nur
mit einem seiner huldigend gemalten weichen Frauen-
bilder da. — Sind die beiden genannten Künstler bei
den venetianern der Renaissance in die Schule gegangen,
so haben auf Herl-Derouco hauptsächlich spanische Vor-
bilder, neben Goya besonders Zuloaga, gewirkt, nament-
lich in der Art, wie er die Details, z. B. den Seiden-
stoff der Gewänder, behandelt. Der treffliche Raffael-
Schuster-Woldan, der ganz gut unser Münchner Tinto-
retto werden kann, schließt sich mit einem fein gemalten
Famillenbild, Tini Rupprecht mit einem stimmungsvollen
Pastellporträt, Papperitz mit einigen werthvollen Gaben
seiner eleganten Salonkunst an.
Von den alten Münchner Genremalern erscheint
Defregger mit einer Bauerngeschichte aus den tiroler
Kämpfen l.809, Lindenschmit, Paul Hey, Hermann
Kaulbach, Walter Firle schließen sich mit ihren Gaben
ihrer längstbekannten, gern gekauften, aber schon etwas
abgegriffenen Kunst an. Die Klein- und Feinmaler
Simm und Löwith nennt man wohl auch am besten
mit der Gruppe zusammen. Und nun noch jene große
Schaar, in denen der zündende Funke Arnold Böcklins
ein brennendes Feuer entfacht: Geffcken, Kuschel, wohl
auch Häßlin, der allerdings abseits von den anderen
einsame, selbständigere Pfade wandelt, Diez, Zumbusch,
Z. V. Schäfer u. s. w. Zn dieser großen Liste von be-
kannten und unbekannten Namen fehlen einige, deren

Bilder sich nicht so schlechthin einreihen lassen, Leute,
deren Kunst entweder überhaupt oder doch in ihrem
heutigen Stadium einer eingehenderen Kritik und Dar-
legung bedarf, als es in dem engen Rahmen eines
Ausstellungsberichtes sich ermöglichen läßt: Franz Stuck,
der immer mehr ms Kleine geht, dessen lapidare Hand-
schrift mehr und mehr den Tharakter graziöser Spielerei
annimmt; der finstere Porträtist Leo Samberger, dessen
Wesen ich anläßlich seiner letzten Kollektivausstellung
im Kunstverein zu skizziren versuchte, der heitere Adolf
Hengeler, den die meisten, ebenso wie Oberländer nur
als Illustrator, nicht als den liebenswerten Maler
kennen, Bartels, Löfftz und Hugo von Habermann, drei
Künstler von rassiger Eigenart. — Und der Gesammt-
eindruck: ich sagte es schon — öde, langweilig. Auch
die Plastik, die Franz Stuck mit seinen Statuetten, Adolf
von Hildebrand mit einer tiefen weiblichen Büste und
H. Perathoner mit einer edlen, Griechengeist athmenden
Orpheusstatue neben verschiedenen anderen Bildhauer-
arbeiten gut vertreten, vermag dieses Gesammtbild
nicht zu ändern. Mag sein, die Schuld daran, daß die
Ausstellung, die allerseits warmen Beifall findet, nur
mich nicht vollkommen befriedigt, liegt nur an mir.
Da läuft man nun Tag für Tag durch Malerateliers
und Gallerten und Sammlungen, staunt das an und
jenes, gestern einen farbenstrotzenden Giorgione, heute
ein rasfinirtes Blatt von Beardsley und morgen einen
gemüthstiefen, fein und lieblich gemalten Altdorfer, —
und zwischen herein geräth man in ein solches Massen-
magazin von mehr oder minder wohlfeiler Allerwelts-
kunst! Da muß man denn, wie sich's bei solcher
Massenfabrikation nicht anders erwarten läßt, viel
Mittelmäßigkeit hinunterschlucken, und nur zu leicht
übersieht man dann auch die paar guten Bilder, die
dazwischen hängen. Ich will darum weder der Münchner
Kunst von heute Vorwürfe machen noch die von Heine-
mann getroffene, vielleicht ein wenig zu unkritische Aus-
wahl tadeln, ich will einmal annehmen, die Schuld
liege einzig und allein an mir, der ich ein so merk-
würdiger Schwärmer bin und immer noch glaube, daß
nur der sich wahrhaft Künstler nennen dürfe, der auf
höchsten Höhen wandelt, ohne auszugleiten.
Georg Jacob Wolf.


Die gerckicWclie unö klmrtZMetkclie
Zeöeutung iler fleuöeutrclien 5tickerei.
Von A. Heuig, Zwickau.
(Mit Illustrationen?)
unftästhetische Betrachtungen über Stickereien anzuknüpfen,
ist an und sür sich ein müßiges Beginnen. Denn von einer
Kunstästhetik der Stickerei kann man nur in sehr be-
schränktem Maße reden, es sei denn, daß man zur Stickerei auch den
mehr oder weniger künstlerischen Entwurf, die Zeichnung, rechnet,
wie wenig aber gerade in der neuesten Zeit die Stickerei sich
mit der Zeichnung befaßt, das bezeugt zur Genüge die starke
Gilde der „Musterzeichner" und der Künstler, die Entwürfe für
Stickereien anfertigen, ohne selbst die leiseste Ahnung von den
H vgl. auch Nr. 5 dieses Ihrgs. — Die Illustrationen
verdanken wir dem Verlag der „Dtsch. Modenztg."
 
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