Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 9.1904

DOI Heft:
Nummer 7
DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstbrief
DOI Artikel:
Rapsilber, M.: Die Winterausstellung der Berliner Sezession
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunst_halle1904/0127

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 7

Die Run st-Halle.

s02

Minter mit weiten Perspektiven oder bewegte Meeres-
wellen mit langgestreckten schwarzen Vögeln darüber
begeistern. Man merkt sein Bestreben, etwas Geheimniß-
volles über seine Bilder auszugießen und Räthsel aus-
zugeben. Daher erklärt sich auch die Absonderlichkeit
seiner Farbgebung und Maltechnik. Nun, manche seiner
Werke zeigen unverkennbares Talent, besonders nach
der koloristischen Beite hin, aber Anderes ist dafür
wieder so „originell", daß es sicherlich in einer Karikatur-
ausstellung gute Figur machen würde. — Leo Bamberger
ist eine ernste, vornehme Erscheinung unserer Künstler-
schaft. Beine Porträtserie, die er uns vorführte, zeigt
wieder einmal, was inan Alles von den alten Meistern
lernen kann, denn auch Bamberger ist bei den Italienern
und Bpaniern in die Bchule gegangen, und er ist dabei
durch und durch ein Eigener, Belbständiger, Moderner
geblieben. — Aus dem Nachlaß des trefflichen Bürgel
hat man uns diese Woche eine Anzahl Gemälde und
Bkizzen gezeigt. Hugo Bürgel! Die ganze neue
Münchner Landschafterschule sah in dem kürzlich Ver-
storbenen ihr Haupt und ihren Mittelpunkt. Mas sie
gewollt und was sie gekonnt, vereinigte sich in dem
Mann. Und da geht man nun durch die Bäle und
von den Wänden schauen die Landschaften mit den
weichen, warmen, verschwommenen Formen. Der zarte
Duft des Nebels hängt über ihnen, die Erddämpfe,
die aus Bumpf und Moor aufsteigen, der milde Glanz
der Abendsonne fluchet aus ibnen. Ein wahrer, echter
Künstler, der zu früh aus unserer Mitte ging! —
Bonst sehen wir gerade nicht viel in München.
Das Kupferstichkabinet hat nachträglich eine nicht
besonders werthvolle Richterausstellung arrangirt,
und wenn man über die Btraße herübergeht, in
Krause's Runstsalon, so kann man eine kleine
Bchwindausstellung sehen. Es sind meistens
Bkizzen, flüchtige Notizen, dazwischen ein paar liebe
Frauenporträts. Es ist vielleicht später Gelegenheit
gegeben, auf Bchwind nochmals zurückzukommen, denn
zu seinem fOO. Geburtstag (am 21. Januar plant
die Münchner Rünstlerschaft eine umfassende, würdige
Bchwindausstellung.
Georg Jacob Wolf.


Die VlintersurLtellung öer
berliner Zererriov.

(Schluß.)
^E^sie Bensation der Ausstellung der zeichnenden
1 Künste ist eine schier endlose Neihe von Zeich-
nungen des Bildhauers Auguste Rodin. Der
Meister hat in den Minuten, da sie entstanden, gewiß
nicht mit einein Gedanken daran gedacht, daß diese
Impressionen des Menschenleibes fe sich vor der Oeffent-
lichkeit brüsten oder prostituiren würden. Da aber kamen
schon in Paris die Atelierschnüffler und schwatzten dem
arglosen Künstler die Blätter ab und die lüsterne Menge
staute sich davor, als sie in der berühmten Rodin-
Ausstellung nebenher in bescheidenen Winkeln die wand
tapezirten. In Berlin erscheinen die Zeichnungen fein-
säuberlich eingerahmt und die Anbeter der Kuriosa
fahnden gierig danach. Wer mit reinen Angen und

kühlen Sinnen der Kunst ins Angesicht zu schauen ver-
mag, wird indessen an den Bkizzen nichts Absonderliches
oder gar Hypergeniales erblicken. In Wahrheit sind
es plötzliche Einfälle oder flüchtige Notizen vor dem
Modell, welches nach kühnen Posen, heiklen Verkürzungen
oder Bymbolgrimassen sucht. Dabei erhaschte Rodin
seltene und seltsame Stellungen, Gruppirungen und
Bewegungskombinationen des unvergleichlichen Orga-
nismus, den der menschliche Körper darstellt. Mit
zwei, drei Strichen der mit traumwandlerischer Sicher-
heit über das Papier schnellenden Bleifeder firirte der
Meister die Lebenslinien, die statuarischen Formen und
Charaktere und that dann ein Uebriges, indem er die
Flächen mit ein wenig Inkarnattusche ausrundete. Hier
schaut man in die Geisteswerkstatt eines Künstlers, hier
schaut man auch wohl ersten Genieblitz kommender
und reifender Thaten, und interessant vor allem ist es,
zu sehen, wie zuweilen die Hand docb nicht gehorchen
will, wie der Löwe im Sprung sein Ziel verfehlt. Die
Blätter liefern immerhin werthvolle Beiträge zur
Psychologie des konzipirenden Genies, und in diesem
ernsten und strengen Sinne konnte die übergroße An-
zahl der Blätter willkommen sein.
Von dein großen englischen Landschaftsmaler
Turner hätten an dieser Stelle zahlreiche Radirungen
und Bchabkunstblätter vorgeführt werden können, anstatt
dessen sehen wir eine Reihe von 2lquarell Impressionen,
in Gluth und Duiist untergehende Bonnen, venezianische
Gaukelstunmungen, Visionen der Alpennatur, Unwetter-
Orgien, und das Alles zu jenen Superlativen gesteigert,
welche den modernen Impressionismus kennzeichnen.
Es sollte wohl damit erwiesen werden, daß diese
Richtung nicht ausschließlich eine Errungenschaft der
neuesten Zeit sei. Gewiß ist das nicht der Fall, als
Gegenstücke hätten auch Episoden des (7. und des
lö. Jahrhunderts herangezogen werden können, die
gleichfalls in den Feuerwerken von Farbe und Stimmung
geschwelgt und gewüthet haben. Sonst wären von Er-
scheinungen vergangener Epochen nur noch die Röthel-
studien von Hans von Marsies zu erwähnen. So sehr
Marsies als Maler befangen und in problematischer
Unzulänglichkeit verstrickt war, so sicher und so souverän
war er als Zeichner. Mit dem Stift in der Hand ge-
horchten ihm die feinsten und kühnsten Bewegungen,
meisterte er das Leben und die Natur. Der tragische
Zwiespalt seines Wesens wird abermals durch seine
genialen Zeichnungen erhärtet.
Begreiflicher weise sind in der Ausstellung auch
die führenden Persönlichkeiten der Berliner Sezession
ausgiebig vertreten. Liebermann mit Pastell-Impressionen
aus dein Strandleben, Leistikow mit dunkeltönigen
Aquarellen aus Gastein, mit Landschaftszeichnungen,
Radirungen und Lithographien, die auf geistreiche
Lrperimente hinauslaufen, ohne immer wahrhaft zu
erfreuen, L. v Hofmann mit zarten Träumereien und
Lockungen, Slevogt mit Illustrationen zum Ali Baba
und den vierzig Räubern, die zum Theil fein in der
Linie, aber nicht aus der Fülle der Phantasie geschöpft
sind, und Corinth mit mancherlei Versuchen, vornehmlich
mit dem Carton einer Grablegung, mit Frauenhänden,
Schweinen, einer Salome nnd einein Kain, der wie
ein Schlächtergeselle bis an die Ellenbogen im Bruder-
blut gewüthet hat. Martin Brandenburg zeigt, eher als
Zeichner denn als Maler, daß er den großromantischen
Stil zu meistern versteht. Die große Zeichnung der
Todesangst prägt sich vor allem dem Gedächtniß ein:
Lin zwerghafter Kerl ist auf der Fluth angetrieben,
aus dein Gischt krallen dichte Reihen von Skelett-
gespenstern nach ihm und nun geben sie ihm den
 
Annotationen