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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 16
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Wolf, Georg Jacob; Lenbach, Franz von [Gefeierte Pers.]: Franz von Lenbach †
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Brieger, Lothar: Zur Entwicklung der russischen Malerei im 19. Jahrhundert
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Die Run st-Halte.

Nr. f6


Lenbach's Werk, waren es früher nur ganz wenige,
die er malen mochte, und gelangen ihm in der Regel nur
solche ganz, bei denen ein bedeutender geistiger Kern vor-
handen war, wie (Lärmen Sylva, Königin Margherita,
die Gräfin Görz, die Düse, Kaiserin Friedrich, so sind
es jetzt die Frauen, vielleicht nicht so fest als Trägerinnen
des Geistes als vielmehr der Schönheit, die ihn fesseln.
Ls entsteht jene endlose Reihe von wunderbaren Frauen-
bildern, die uns wie eine Schönheitsgallerie unserer Zeit
anmuthen: Fürstinnen, Damen der Welt und Sterne
des Theaters, exotische Tänzerinnen und amerikanische
Millionärinnen, französische Beautes und italienische
Gräfinnen. Lenbach schwelgte in Schönheit. Und
Schönheit war dem Alternden und Lwigjungen noth-
wendig zum ^eben wie tägliches Brot. Und nun ist
er in Schönheit gestorben. Draußen im Garten blühte
der Flieder und eine Nachtigall sang in den nahen
Büschen des Königsplatzes.
Ls war vier Uhr früh am 6. Mai.
Lben graute der junge Frühlingsmorgen, da schloß
Franz von Lenbach seine müden Augen für immer.
wir aber, die ihn verehrten und bewundernd zu
ihm aufschauten, legen an seiner Bahre trauernd den
Lorbeer nieder.
Georg Jacob Wolf, München.
W
ülir Lntvickllmg Ser rurürclien Merei
im 19. Mrliililöert?)
Don Lothar Brieger-Wasservoge,!, Tharlottenburg.
H K. p. Brjullow.
or Kurzem wurde von der bedeutenden Mos-
kauer Verlagsfirma Granat 6c To. das 2ch
Tausend einer populären Sammlung von Repro-
duktionen russischer Kunstwerke herausgebracht, die zwar
nicht vollendet, im Verhältnisse zu dem außerordentlich
niedrigen Preise aber sehr gut, bei weitem besser als
die unserer deutschen populären Werke sind. Und was
das wesentlichste ist, wir erhalten zum ersten Male
einen vollständigen, gut orientirenden Ueberblick über
ein weitverzweigtes Gebiet, das des Kostbaren immer-
hin genug bietet, um unsere volle Aufmerksamkeit zu
verdienen. Für Deutschland dürfte ein Ueberblick an
der Hand der vorliegenden Sammlung um so werth-
voller sein, als die russische Malerei uns bis vor wenigen
Zähren ziemlich unbekannt war.
wir müssen uns von vornherein darüber klar sein,
daß die russische Malerei diese Mißachtung in keiner
weise verdient. Ls werden im Folgenden manche
herben Urtheile gefällt werden. ' Die Schuld daran ist
*) Russische Litteratur: Nowatzki (Gesch. d. R.^ Kunst),
Lenois (Gesch. d. R. Malerei im ly. Iahrh.), Scmiosf (K. p.
Brjullow u. s. Bedeutung für d. R. Kunst, Petersbg. 1876),
Ge (K. P. Brjullow, Essai, iyoo).

aber keineswegs der russischen Kunst zuzuschreiben,
sondern weit eher der Auffassung, die der Russe im
Allgemeinen von den Aufgaben der Kunst hat. wie
in Allem, ist er auch hierin zurückgeblieben. Lrst die
russische Zugend unserer Zeit steht im Begriffe, über
ein Stadium hinauszukommen, gegen das die Auffassung
unserer piloty und Kaulbach künstlerische Freiheit be-
deutete. Und selbst diese Zugend beschränkt sich nur
auf einen kleinen intimen Kreis, den Kreis um Somoff
und wrubel, der oft höhnisch als „Dekadent" be-
zeichnet wird.
Derartige Zustände lassen sich daraus erklären, daß
der russische Laie für das Künstlerische an sich gar keine
Schätzung besitzt, sondern jedes Bild, stelle es dar, was
es wolle, rein nach dem Stofflichen beurtheilt. Und
in diesem Sinne sind auch die russischen Kritiker Laien.
Zu Bezug auf malerische Technik, auf künstlerische Auf-
gaben an sich erfreuen sie sich einer erquickenden Un-
wissenheit, die sich spröde gegen jede Belehrung ab-
schließt. Der Russe verlangt vom Bilde, daß es ihm
etwas erzähle. Ls soll ihm die kriegerischen Groß-
thaten der Ahnen zeigen, große Augenblicke der Ver-
gangenheit, die sein Herz gewaltiger schlagen machen.
Aber er ist andererseits auch mit Spießbürger-Zdyllen
zufrieden, mit lustigen Szenen aus Steuerämtern u. s. f.,
harmlosen Schilderungen, die ihn gemächlich anmuthen
als Abbilder seines Alltagslebens. Hiermit hängt es
auch zusammen, daß, mit einziger Ausnahme von
Lernthan, in Rußland noch heutigen Tages so ganz
elende Landschaften gemalt werden. Selbst der modernste
Russe braucht eine Handlung oder zum Mindesten eine
menschliche Persönlichkeit, an die er sich anklammern
kann. So leistet er Großes im Porträt, hat hier immer
Außerordentliches geleistet, wer die russische Litteratur
kennt, weiß um den sozialen, den psychologischen Scharf-
sinn dieser Nasse, der sie in Allem schnell das Tharakte-
ristische herausfinden läßt. Liner solchen Natur gelingt
es nur höchst selten, einer Sache ihre rein sinnlichen
(Qualitäten abzulauschen, das Verhältniß der Linien, die
Schönheit der Farbenwerthe.
Aus all diesen Umständen läßt es sich leicht begreifen,
daß Rußland eine ungewöhnlich lange Zeit brauchte,
ehe es zu einer wirklichen Kunstentwicklung gelangte.
Man kann diese eigentlich erst vom Anfänge des neun-
zehnten Zahrhunderts ab datiren. Bis dahin Stagnation/
keine absolute Verrohung, aber auch keinerlei Fortschritt.
Dann plötzlich ein jäher, durchaus unmotivirter Auf-
schwung, der viel zu plötzlich war, als daß er nicht
schleunigst hätte in Verflachung übergehen sollen. K. p.
Brjullow wird geboren, der Reformator der russischen
Kunst.
Vor (800 war der Künstler in Rußland als nicht
mehr angesehen, denn irgend ein anderer Handwerker
auch. Man hatte keine Ahnung von den höheren Auf-
gaben, der edleren Bestimmung bildender Kunst. Das
wird erklärlich, wenn man bedenkt, daß die russische
Malerei nichts war als eine leere, unpersönliche Fort-
setzung und Nachahmung der byzantinischen. Das Bild
wurde beim Maler bestellt, aus eigener Znitiative zu
schaffen, wäre Niemandem eingefallen. Lr hätte sich
nur lächerlich gemacht. Da wurde denn weniger auf
das Können des Beauftragten gesehen, als auf seine
Frömmigkeit. Selbstständige Persönlichkeiten wären nur
lästig gewesen. Ergebene Diener, die die Hunderte von
Malen wiederholten Bilder noch einmal zu wiederholen
verstanden, waren der Madonna angenehm. Line
gräßliche Oede, die keinerlei Prunk zu verbergen ver-
mag, starrt uns an, wenn wir in eine altrussische Kirche
treten. Abwechselungslos immer das Gleiche. Hart
 
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