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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 23
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Rapsilber, M.: Grosse Berliner Kunstausstellung 1904: V. Die Plastik
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Kunstchronik
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Nr. 23

Die Kunst-Halle.

in so hohem Grade zu eigen ist. Doch das bedeutendste
der an der großen Mittelachse paradirenden Bildwerke
ist die Assensontaine von Ernst Moritz Geyger, und das
ist ohne Zweifel eine Arbeit, die, von der italienischen
Renaissance inspirirt, aus der Höhe der florentinischen
Blüthezeit steht. Zn einer wundervoll profiiirtcu
Marmorschale sitzt auf einer eilfertig fortkriechenden
Schildkröte eine possirliche Meerkatze, die eine kleinere
Schildkröte neugierig emporhebt, von dieser mit einem
Wasserstrahl angespien und darob in eine groteske
wuth versetzt wird. Das humorvolle Motiv wird
durch den ganzen und von allen Seiten fesselnden Auf-
bau der Silhouette zu einer meisterhaften Vollendung
gesteigert. poetisch berührt der ultramarinblaue
Schimmer des Wassers im Fontainenbecken. Der Grund
ist nämlich mit blauem Mosaik belegt und daher er-
glänzt das Wasser wie das Mittelländische Meer.
Zm blauen Repräsentationssaal hat die Zury nach
Kräften die Elite der Bildwerke Zusammenzufassen ver-
sucht. Hier sehen wir von demselben E. M. Geyger
eine Wiederholung seines berühmten Marmorstiers, der
im Humboldthain zu Berlin aufgestellt ist. Das ver-
kleinerte Werk ist in Bronze ausgeführt und diesem
Material entsprechend in einer schlichten Fassung, so
daß der künstlerische Zug gewahrt blieb. Line
mechanisch genaue Reduzirung des überlebensgroßen
Marmororiginals wäre unfehlbar der Kleinlichkeit ver-
fallen. Zm Uebrigen zeigt sich die Berliner Bildhauer-
kunst in diesem Llitesaal von einer recht erfreulichen
Vielseitigkeit, und hier sind es auch die sungen Talente,
die das Gesammtbild anziehend gestalten. Von Her-
mann Hosaeus sehen wir das Hilfsmodell für ein
dekoratives Standbild des Vasco de Gama, eine über-
raschend schöne und vornehme Arbeit. Line ungewöhn-
liche Aufgabe stellte sich Hans Dammann in der Statue
einer Favoritin, zu welcher eine weltbekannte Tänzerin
Modell gestanden. Die nackte Gestalt, nur bekleidet
von einem Brillantenhalsband und einer in der Mittel-
linie des Körpers herabgleitenden bandartigen Schärpe,
ist vor ein orientalisches Portal getreten, die Augen-
lider senkend, als ob sie vor dem Beherrscher der
Gläubigen zur Schau stehe und eine Entscheidung auf
Tod und Leben sich eben vollziehe. Der Marmorkopf
eines kleinen Mädchens von Max Klein, die Marmor-
büste eines Mädchens von Helene Tutze, ein Bogenschütz
von Lewin-Funcke, die Halbfigur einer sitzenden Dame
von Arthur Hoffmann, der Läufer am Start von
Johannes Götz, die Bronzefigur eines sungen Mädchens
von Adolf Amberg-Stuttgart, der betende Mönch von
Theo Biickse-Mecheln, die Marmorbüste des Professors
Brausewetter von Ernst Freese, die Bronzefigur des
Rattenfängers von Hameln auf Marmorsockel von
Georg Hengstenberg, die Marmorsphinx von Hugo
Kaufmann, der Kugelsxieler von Heinrich Mißfeldt, die
Marmorgruppe des mit den Knöcheln spielenden
Mädchens, eine Bildnißbüste von Otto Petri u. a. m.
zeigen die verschiedenartigen Bestrebungen heutiger
Plastik, vor Allem das Hinneigen zu nationaler Eigenart,
zum Bekennen des persönlichen und die Ueberwindung
der Antike, die heute doch wohl in allen Ländern das
Schlagwort der Bildhauerkunst ist. Nun, die Antike
opfert man, um sich der Renaissance mit Haut und
Haaren zu verschreiben, und das moderne impressio-
nistische Zdeal hat unter den deutschen Bildhauern
neuerdings eher Rückschritte als Fortschritte gemacht,
höchstens daß die sensationslüsternen Halbkönner in die
Fußtapfen von Rodin treten und sich wie die Affen
lächerlich machen. Hier finden wir nun auch die über-
lebensgroße, vortreffliche Bronzestatue des unsteten und

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flüchtigen Kain von Fritz Heinemann, die wir an dieser
Stelle schon früher gewürdigt haben. Vom Staat an-
gekauft ist u. A. die Gruppe des Wiedersehens von
Ferdinand Lepcke, darstellend die Vereinigung von
Mann und Weib im Kusse, und die Kleinbronze „Das
Märchen" von Hermann Haase-Zlsenburg. Wir sehen
da auf einem fabulösen Stier eine zarte Fee reiten,
wobei der Künstler sich offenbar von Böcklin's Schweigen
im Walde hat inspiriren lassen, ohne dabei eigentlich
in Abhängigkeit zu gerathen, denn wir begrüßen hier
ein ganz eigenartiges Talent, das sich insbesondere
auch auf alle Feinheiten der Bronzetechnik versteht.
Ernst Wenck lieferte zwei gute Arbeiten: die Büste des
verstorbenen Bauraths Kyllmann und eine auf einer
Kugel balanzirende Viktoria, die übrigens schon im
Künstlerhause gezeigt worden ist. Ehrenvollster Er-
wähnung werth ist endlich auch die Ouellnymxhe von
Tonstantin Starck, ein schönes Marmorwerk, welches
der: idealen und kerngesunden Frauenleib in einem
träumerischen Stillstand aller Kräfte und Wünsche und
Leidenschaften darstellt.
M. Napsilber.


Unzere Milöung.
Die Reproduktionen der Gemälde von PH. Maljavine
„Lin Bauernmädchen" und von W. Surikow „Menschikow in
Beresow" gehören zu den Aufsätzen von L. Brieger-Wasservogel
über Russische Kunst, die in Nr. Z6 des laufenden Jahrgangs
begannen und im nächsten Hefte zum Abschluß kommen.

AlmMronik.
* Bautzen. Gewandhaus. Der Sitzungssaal der
Stadtverordneten, welcher bereits die meisterhaften Bildnisse
König Georg's und des Kronprinzen Friedrich August, gemalt
von Hermann prell, enthält, wird auch durch zwei Wand-
gemälde in Kassinfarben (2,75 m X 5,60 rr>) geschmückt, aus-
geführt vom Historienmaler G. Schwenk-Dresden, der sür die
Entwürfe s. Zt. in einem Wettbewerb den ersten Preis erhielt.
Für diese Gemälde wurden aus den Mitteln des sächsischen
Kunstfonds 20 000 M. bewilligt. Das Gemälde an der Gst-
wand des Saales zeigt ein kriegerisches Bild aus der Hussiten-
zeit: Die siegreiche Abwehr des Sturmangriffes der Hussiten
unter Mielasko durch die Bautzner Bürgerschaft im Oktober
des Jahres zqchy. Lin Bild des Friedens wird das noch un-
vollendete Gemälde der gegenüberliegenden Wand zeigen:
Eine glänzende Fürstenversammlung in der festlich geschmückten
Stadt Budissin am Z. Februar Z25O aus Anlaß der Belehnung
des Markgrafen Ludwig von Bayern und seines Stiefbruders
Ludwig des Römers mit Brandenburg und der Niederlausitz
durch Kaiser Karl IV.
* Berlin. Für die N ati on a lgall e rie wurde eine
von Ernst Freese geschaffene Marmorbüste des jüngst ver-
storbenen Geschichtsmalers Prof. Otto Brausewetter angekauft.
— Die künstlerische Ausführung des Ehrenbürgerbrieses,
welchen die Stadt dem Staatsminister a. D. Hobrecht anläßlich
seines 80. Geburtstages überreicht hat, ist vom Maler Kurt
Stoeving.
* D armstadt. Zm Ausstellungshause der Künstlerkolonie
hat eine Unbekannte eine echte Bronzesigur, Venus darstellend,
gestohlen. Die Figur hat einen Werth von Z500—t800 M.
Die Diebin war etwa §5 Zähre alt, groß und üppig und trug
ein elegantes dunkles Reisekostüm. Man vermuthet, daß die
Dame Komplizen hat und der gestohlene Kunstgegenstand
 
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