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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 5
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Bodmer, M.: Frankfurt a. M. Kunstbrief
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Rapsilber, M.: Von Berliner Kunst
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72

Die Kunst-Halle.

Nr. 5

Bei Schneider-Andreas hat Paul An dorff eine
Sammlung seinerArchitekturminiaturen ausgestellt, die vorwiegend
Altfrankfurter Charakter haben. Jedes Bildchen ist malerisch
gesehen und könnte man das ganze „Geuvre" Andorffs wohl
in eine gewisse parallele zu den Reiffenstein'schen Franko-
furtensien bringen, obgleich die malerische Ausdrucksweise beider
Künstler so verschiedenartig wie nur denkbar ist. Fritz Gr ätz,
ein jüngerer Frankfurter, hat sich im malerischen Rothenburg ob
der Tauber festgesetzt; von dort aus und dem übrigen Franken-
städtchen bringt er seine Motive: Landleute, Dorfansichten und
Landschaften, alles auf grauem Papier mit Perausarbeitung
der farbigen Stellen in Tempera und Buntstift. Der Lronberger
Hoffmann stellt bei Schneider gleichfalls eine Landschaftsserie
aus; er ist moderner, sensibler in der Wahl seiner Motive und
zielt auf gedämpfte Stimmungen ab.
Bei Goldschmidt dominirte eine französische Im-
pressionistenausstellung, die in guter Zusammenstellung
die Namen der großen naturalistischen Schule in einer Art
Paradestellung vorführte. Allerdings imponirten dabei mehr
die Namen als die Werke selbst, Heute, wo wir über den
pleinairrausch längst hinausgewachsen sind, erscheint uns die
ganze Kunststürmerei der Herren Manet, Monet, Degas, Simon
und Konsorten wie ein übermüthiger Protest gegen den ver-
pönten guten Geschmack der Akademiker und — was für die
Impressionisten fast dasselbe ist — der Philister und Banausen,
wenn Lucien Simon einen „Tanz in der Bretagne" malte,
so machte er sich die Sache insofern bequem, als er uns eine
schlecht gezeichnete Skizze fälschlicherweise als fertiges Bild
und Meisterwerk vorsetzte. Monet ging noch einen Schritt
weiter: er mischte Kobaltblau mit viel weiß, setzte diesen Ton
xointillistisch auf die Leinwand und nannte das Bild dann
„Morgenstimmung auf dem Wasser", wie gesagt, die Pariser-
Impressionen erwecken heute keinen rechten Enthusiasmus
mehr; als Dokumente einer gewaltthätigen Kunstrevolutions-
epoche haben sie freilich ihren bleibenden Werth und der Fein-
schmecker wird noch heute manches Bild mit Wohlgefallen be-
trachten uud für das authentische Signum eines Manet oder
Degas ein hübsches Sümmchen opfern — der „Impression"
zuliebe.
M. Bodme r.


Von Zerliner Aunrt.
Gude's Atelier-Nachlaß ist in den Aus-
stellungsräumen der Hochschule für die bildenden
Künste zur Schau gestellt. Man sollte meinen,
an dieser offiziellen Stelle eine Gedächtnißausstellung
großen Stils vorzufinden, die lange Reihe der Haupt-
werke und solcher Bilder und Studien, an denen sich
Zug um Zug die Entwicklung des verewigten Meisters
verdeutlicht. Gern hätte man gewiß noch einmal den
Künstler, der in der älteren Generation gar viel
Freunde und Verehrer besessen, in seinem ganzen
Glanze geschaut, ehe er nach und nach in der Zeiten
große Versenkung zurückfinkt. Schade, daß das nicht
geschehen, denn eine passende Gelegenheit zu solch
posthumer Ehrung wird nie wiederkehren. So sehen
wir eigentlich nur eine Ausstellung zu Verkaufszwecken
mit den Stück für Stück notirten Preisen. Hauptwerke

von Gude sind gar nicht vorhanden, größere Bilder
auch nur aus der allerletzten Zeit, als er mit merklich
sinkenden Kräften schuf. Die Studien aber, welche die
weitaus größte Mehrzahl ausmachen,'gehen auf fünfzig
und mehr Jahre zurück und zeigen, wie sich Gude's
Leben und Schaffen in feiner und liebevoller Bedacht-
samkeit in einer Naht abwickelte; in seinem nicht sehr
starken Temperament lag es begründet, daß er mehr
die Anmuth als die Größe der Natur erfaßte, was ja
recht fühlbar wird auf seinen zahlreichen norwegischen
Bildern, die durchaus jedes herben und strengen Zuges
entbehren. Vielleicht war Gude's glücklichste Zeit, als
er in den Bergen und Wäldern von Wales in idyllischer
Stille seinen Studien oblag und das war vor vierzig
Zähren. Außer in Norwegen und England fand Gude
in Oberbayern, am Bodensee, in den Vogesen, an der
Sieg und an der deutschen Seite der Ostsee die am
meisten anheimelnden Motive. Insonderheit fesseln
auch seine Aquarelle wegen der vornehmen und
schlichten Technik, die heute auf diesem Gebiet leider
mehr und mehr in Verfall geräth.
In den Ausstellungen des Salon Schulte wird
neuerdings das internationale Programm in einer so
maßvollen und wohlausgeglichenen Auswahl durch-
geführt, daß selbst unsere Lhauvinisten keinen Anlaß
haben dürften, über Ausländerei ungehalten zu sein,
wenn andere Völker in geistigen Dingen sich durch
eine chinesische Mauer absperren, so ist das für die
Deutschen, die seit Anbeginn den weitschweifenden
Weitblick besaßen, kein Grund, desgleichen zu thun und
in der Kunst Kirchthurmpolitik zu treiben. Ls kann
uns nur ersprießlich sein und zum Wettbewerb auf-
fordern, wenn wir sehen, daß auch in den ansonst ver-
achteten Weltwinkeln Leute wohnen, die etwas können,
was uns selber nicht geläufig ist. Indem nun gerade
in Berlin die rückläufige Bewegung der Kunst die
Oberhand zu gewinnen trachtet, sollte man nicht müde
werden, auf frisch aufstrebende Volkskräfte hinzuweisen
und gerade auf solche, die unter der Knute sich auf
ihr eingeborenes Selbst zu besinnen anfangen. So ein
frisches Reis der europäischen Kunst ist die Gruppe
der finnischen Künstler, deren Bekanntschaft uns der
Salon Schulte aus rein idealen Beweggründen ver-
mittelt hat. Die Finnen werden durch den wohl-
bekannten Albert Ldelfelt, der in München und Paris
seine Ausbildung gesucht, bei uns eingeführt. Es find
nur vier Maler, aber sie stehen wie eine Phalanx zu-
sammen, als Vorkämpfer eines Stammesgenius. Mögen
auch die Einzelnen im Ausland sich herangebildet haben,
so ist doch der Kern ihres Wesens, die nordisch herbe
und unverbrauchte Kraft unberührt geblieben. Und
darauf eben kommt es an. Ohne Zweifel ist Ldelfelt
unter den Finnen die führende Persönlichkeit. Von ihm
sehen wir ein frühes Bild, eine Zierde des Museums
in Helsingfors, mit den alten Frauen an der Kirchhofs-
mauer, ein Werk von einer unmittelbaren Lebendigkeit.
Sonst zeigt sich Ldelfelt als Illustrator und Porträt-
maler. Er hat die Lrbprinzessin von Meiningen ge-
malt und die nach München verheirathete Tochter von
Björnson, eine Erscheinung von echt nordischem Typus
mit den Meerfrauenaugen, ferner den Mediziner Prof.
Runeberg, der auch ein Kernmensch finnischer Rasse ist,
und in allen diesen Bildern wohnt die Ruhe und
Sicherheit des ausgereiften Meisters mit weiten geistigen
Horizonten. Pekka Halonen hat einen gewissen Hang
zum Stilisiren, der wohl der alten textilen Volkskunst
entsprang. Auf dem Bilde der Wolfsjäger im Schnee
spricht sich insonderheit ein rauhes, kerniges Wesen
aus, eine urwüchsige Kunst. Eero Iärnefelt malt die
 
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