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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 17
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Heilmeyer, Alexander: Hans Sandreuter
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Wolf, Georg Jacob: Aus Venedig
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260

Die Aun st-Halle.

Nr. ^7

Verbindung von Figur und Landschaft. Am rauschen-
den Ouell erscheint eine Nymphe und enthüllt ihm die
Schönheit ihres blühenden Leibes, lachende Mädchen
verspotten Pan auf blumigen wiesen, römische Sol-
daten halten wacht auf den Höhen des Iura, auf der
herbstlichen Flur tanzen anmuthige Mädchen und kräftige
Jünglinge einen Neigen und an einer nackten Felswand
unter kahlen Bäumen hockt ein Greis und schärft eine
Sense. Sozusagen der Höhepunkt dieser Darstellungen
zeigt sich uns in einem Bilde des Basler Museums,
dem Jungbrunnen. Lin anderes Beispiel bietet auch
die in Nummer fö der „Runst-Halle" enthaltene Ab-
bildung einer Landschaft mit badenden Frauen, in der
das prangen der sommerlichen Natur und das wohlige
Lebensgefühl, das die einzelnen Figuren durchströmt,
gleich trefflich ausgedrückt ist. Die Landschaft giebt
ihm immer die Anregung, vermittelt ihm Stimmungen,
die mit seinem persönlichen Lmpsinden zusammenklingen
und seine Vorstellung nach einer bestimmten Richtung
hinleiten, bis sich schließlich die Eindrücke zu einem
Bilde verdichten. Sandreuter hatte ein feines Gefühl
für das Schöne in der Natur. In Italien hat er eine
starke Vorliebe für das Strahlende, Leuchtende der blauen
Farbe wie überhaupt für ausgesprochene Farben gefaßt,
und als ein Geschenk des südlichen Himmels mit nach
dem trüben grauen Norden genommen. In der Heimat
war es die Landschaft des Iura, welche ihn anzog und
fesselte. Oder auch gleich seine allernächste Umgebung,
die blühenden Sonnenblumen in seinem Garten, die
Blaukrautacker, oder der blühende Birnbaum, der auf
einer Anhöhe hinter seinem Hause emporragt und durch
dessen Aeste die rothen Ziegeldächer des nahen Dörfchens
von Riehen sichtbar sind, von hier aus unternahm er
seine sommerlichen Streifzüge in die nächste Umgebung
im Baselgebiet, dann in die Alpen, nach Unterwalden,
Appenzell, Wallis und Gruyöres. Jin Gebirge arbeitete
er auf einem niederen Feldstuhl sitzend, ein Rlappbrett
vor sich, die Stützen zwischen ein xaarSteincn eingezwängt.
In großen Zügen übertrug er das Gesehene auf die
Leinwand. Oder er fertigt eine fener flüchtigen, klugen
Skizzen, die einen momentaner: Eindruck mit nie fehlen-
der Sicherheit fixieren, oder eines seiner unübertrefflichen
Aquarells. Sandreuter hat die Aquarellmalerei erst
wieder zu Ehren gebracht. Das Aquarell ist ihm nichts
Anderes als eine Art Improvisation. Je mehr es
diesen Charakter zur Schau trägt, desto künstlerisch wirk-
samer, packender der Eindruck.
wie Sandreuter z. B. den Vordergrund durch einen
festen Punkt, ein paar Felsen, Pflanzen rc. angiebt und
dann den Blick mit wenigen Zügen rasch in das Bild
hineinführt, das Terrain, die Luft räumlich perspektivisch
übersichtlich behandelt, das verlangt schon eine voll-
kommene Meisterschaft.
vielleicht war es gerade diese Thätigkeit, die ihn
zu einer farbigen Anschauung führte, wie sie sich in
seinen letzten Arbeiten, vornehmlich in seinen Landschafts-
bildern ausspricht, fene ungemeine Helligkeit und Klar-
heit der Töne. Eine Wirkung, die er allerdings zum
großen Theil auch seiner eigenartigen Malweise, einer
von ihm selbst zubereiteten Tempera verdankt, wie
sehr er sich aber vor dem unfruchtbaren Lxperimentiren
der modernen Maler hütete und sich zu beschränken
wußte, das zeigt sich in der außerordentlichen Schönheit
und Vollendung seiner Bilder, die auch eine sehr ein-
gehende nahe Betrachtung vertragen, ohne so und so
viel Meter Abstand davon nehmen zu müssen.
Sandreuter's ausgezeichnetes dekoratives Talent
trat zum ersten Mal in den Sgrasittomalereien an ver-
schiedenen Bürgerhäusern in Bafel und im Rloster

Stein am Rhein zu Tage. Auch den Festsaal der
Schmiedezunft schmückte er mit Wandgemälden, der
Bundespalast in Bern enthält mehrere hohe Glasfenster,
zu denen Sandreuter ebenfalls die Rartons lieferte.
Für die Fassade des Schweizer Landesmuseums sollte er
sieben Rartons mit Darstellungen aus der Schweizer
Geschichte entwerfen, deren Ausführung in Mosaik ge-
plant war. von diesen Entwürfen sind nur drei voll-
endet. In ihrer großzügigen, monumental dekorativen
Wirkung geben sie uns einen Begriff, wie Sandreuter
auch auf diesen: Gebiete das Beste geleistet hätte.
Mitten in dieser Arbeit ereilte ihn der Tod. viel zu
früh, im Alter von kaum Jahren wurde er, einer
der begabtesten Rünftler, den die Schweiz nach Böcklin
herorbrachte, seinem Vaterlande entrissen, dessen land-
schaftliche Schönheiten er nicht müde wurde zu schildern
und dessen Geschichte und volksthümliches Empfinden
er sich anschickte, in groß angelegten Wandgemälden zu
verherrlichen.
Mr Venedig.

^»n dem schönen geräumigen Saal des „Liroolo
Artistico" im oberen Stockwerk des Teatro
Fenice hat die Gesellschaft zur Förderung der
bildenden Rünste in Venedig ihre III. Ausstellung
etablirt. Um es nur gleich im voraus zu sagen: um
Runst im großen Stil handelt es sich hier nicht, nur
wenige der etwa 200 Bilder ragen über die Mittel-
mäßigkeit hinaus, es ist im Großen und Ganzen Durch-
schnittswaare etwa von der Güte, wie sie uns in den
Runstvereinen deutscher Mittelstädte geboten wird.
Trotzdem darf die Ausstellung unser Interesse bean-
spruchen, denn es handelt sich um das typffche Beispiel
einer italienischen Ausstellung, und es ist sehr verlockend,
an einen: konkreten Beispiel nachzuprüfen, wie weit es
die Epigonen der Bellini, Giorgione, Tizian und Tiepolo
gebracht haben. Sind sie stehen geblieben bei den
künstlerischen Erfahrungen ihrer großen Vorgänger, be-
sitzt ihre Runst ein Lntwicklungsmoment, ist sie „modern"
geworden, führen ihre Wege aufwärts? Ich möchte,
wo es sich thun läßt, bei der Besprechung der einzelnen
Werke auf diese Fragen zurückgreifen und zum Schluß
ein ungefähres Fazit des Woher? und wohin? der
venetianischen Runst, soweit sie sich in diesen Bildern
repräsentirt, zu geben versuchen.
Ein Moment fällt von vornherein sofort auf: die
Inferiorität des Porträts. wo blieb die große
Tradition? wenn ich ein Bild wie etwa Tizian's
Giovanni Moro im Berliner Museum anschaue, so
brauche ich nicht erst lange in alten Chroniken zu
blättern, um mir die Geschichte des venetianischen
Admirals erzählen zu lassen. Ich brauche blos dieses
Bild anzusehen: die hohe Stirn, auf der die überlegene
Rlugheit thront, die scharf hingesetzten Augenbrauen, die
unerbittlichen Falten über dem Nasenansatz, die Furchen
um die lebhaft blitzenden Augen und die etwas hoch-
müthig aufgeworfenen Lippen sagen mir mehr als todte
Buchstaben. Tizian wußte eben in einem Porträt nicht
nur den äußeren, sondern auch den inneren Menschen
festzuhalten. Tintoretto und Paolo Veronese konnten
die Tradition Tizian's noch mit Ehren wahren, wenn
auch ihre Begabung auf einem anderen Gebiet lag,
mit Rosalba Larriera, Pinzetta, Rotari und Nogari
 
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