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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 14
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Dworaczek, Wilhelm: XX. Ausstellung der Sezession
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2s2

Die Kunst-Halle.

Nr.

Vien:
XX. Mrrtellung Ser 5ererrion.

ie diesmalige Ausstellung der Sezession bereitet
eine angenehme Ueberraschung. Bis auf einige
wenige Nummern findet man — völlig im
Gegensatz zu der unmittelbar vorhergehenden — wenig,
das geradezu aufreizend wirken würde. — Die Aus-
stellung macht vielmehr den Eindruck einer gewissen
Reife und Geklärtheit, so daß man fast hoffen möchte,
die Begabtesten der Sezessionisten endlich seien über Sturm
und Drang und das ewige verwirrende Experimentiren
hinausgewachsen, und hätten sich in einer wohl durch-
aus modernen, aber dennoch gefesteten Kunstanschauung
selbst gefunden. Auch die Raumausgestaltung macht
einen feinen durchwegs vornehmen Eindruck, und ver-
zichtet — ein einziges Interieur ausgenommen, das
völlig in einem auf die Dauer unerträglichen Gelb
gehalten ist — darauf, die Gemüther in Aergerniß und
Aufregung zu versetzen. Lines der stärksten Talente
der Sezession ist Franz Metzner. wir haben seine
kräftige Art der Stilisirung, bei der das Bestreben
hervortritt, der Fläche gegen die Linie den Vorrang
zu geben, hier bereits gewürdigt. Seine zusammen-
gekauerte „Erde" in Savoniöre - Stein ist breit und
pastös durchgeführt, wenn man dieses Wort von der
Farbe auch auf die Rkodellirung übertragen darf.
Auch Ivan Mestrooic verräth starke Begabung, die
nur noch aus der Enge der Rkodellirung in die plastische
Form des gröberen Materiales Hinüberwachsen muß.
Sehr fein, ein künstlerisches Meisterwerk im Kleinen ist
Meister Hellmer's Kinderporträt. Eine prachtvolle
Leistung ist Hugo Le derer's Brunnenfigur für den Uni-
versitätsxlatz in Breslau „Der Fechter". Ein herrlicher
Akt voll Energie der Rkodellirung, plastisch mit Vehemenz
durchgebildet, und in der Auffassung bei aller Unmittel-
barkeit in der Bewegung doch an den großen und
einfachen Zug der Antike gemahnend. Breslau wird
in diesen, Kunstwerke einen beneidenswerthen Schmuck
erhalten. Josef Engelhart, dessen reicher Begabung
die malerischen Ausdrucksmittel nicht genügen, und der
sich ähnlich wie Stuck mit nicht geringerer Begabung
auch als Plastiker bewährt, hat zwei Bronzereliefs auf
Marmorgrund und die Bronzestatue eines kleinen
Mädchen ausgestellt, die auch in der Rkodellirung
deutlich seine Note zeigen: der wienerische Elan im
Technischen, aber völlig aufgegangen in ernster Zucht
und hingebendem Ernst für das plastisch Bedeutungs-
volle! Dabei eine gewisse Herbheit, die bei seiner
Malerei durch die Frische seines Kolorits und die Verve
seiner Technik weniger in den Vordergrund tritt. Ls
scheint fast, als würden zwei Seiten seines künstlerischen
Mesens sich in Malerei und Plastik ausleben. Zwei
Büsten Alfonso Tanciani's, gleichfalls einer der
Begabtesten unter den jüngeren Plastikern, seien um
ihrer vertieften und markigen Tharakteriftik, sowie der
eigenartigen Auffassung willen besonders hervorgehoben.
Ganz verfehlt scheint mir Richard Luk sch' „Kaiserin
Elisabeth", ein Entwurf zur Elisabethdenkmalkonkurrenz.
Ist die Krinoline an und für sich keine sehr geschmackvolle
Bekleidung, so erscheint sie für die monumentale Dar-
stellung der sitzenden Figur doppelt unglückselig. In
dein schweren Material nimmt sich der breite Reifrock
massiv und plump aus, und es macht den Eindruck,
als würde die Gestalt in einen, Sandhaufen sitzen.
Auch die porträtähnlichkeit läßt viel zu wünschen übrig.
So haben wir es diesmal mit einen, gründlichen Fehl-

schlag des so begabten Künstlers zu thun, der dieses
Werk besser nicht in Marmor ausgeführt, sondern
schon im Gipsmodell der Vergänglichkeit überantwortet
hätte.
Nummerisch schwächer als gewöhnlich ist diesmal
die Landschaft vertreten.
Sehr fein in Stimmung und Farbe, breit und voll
Verve in der Auffassung ist Ludwig Sigmundt,
während Anton Nowak viel frischen Blick für die
landschaftliche Impression erweist, aber noch ein wenig
brutal und roh in der Farbe wirkt. Sehr fein ist
diesmal Tarl Moll, auch Franz Iaschke, der die
Augenblicks-Erscheinung glücklich festhält, aber gleichfalls
noch etwas diskreter in der Farbenbehandlung werden
dürfte. Hans Tichy hat subtile Stimmungen der Luft
festgehalten und versteht sich auf die feine Tönung der
Farben. Sehr schön, voll tiefer Stimmung sind Wilhelm
Bernatzik's Triptychon und die beiden panneaux,
deren mystischer Farbenreiz durch die gelbe Kontrastfarbe
des Milieus gewiß beträchtlich gehoben wird. Trotzdem
scheint mir des Gelben ein wenig zu viel gethan.
Ich habe nie so sehr den erregenden Einfluß gewisser
Farben auf das Nervensystem empfunden, als in diesem
kleinen Interieur. Linen merkwürdig großen Raum
nimmt diesmal die Historienmalerei ein. Ls scheint
fast, als hätten die Künstler.der Sezession den natür-
lichen weg der Entwicklung ihrer Kunstprinzipien
zurückgelegt. Ueber das Experiment an der Natur
zur endlichen Verwerthung der eroberten Kunstprinzipien
zur großzügigeren figuralen Kunst. Hoffentlich bleiben
unsere Künstler dabei, und verwerthen ihr großes
Können auch für würdige und bedeutsame Vorwürfe.
Der grüne Rasenfleck, der einsame Baum oder die
Bank im Finstern, das alles mochte man als Studie
und Skizze gewiß gelten lassen. Endlich aber verlangt
die Kunst vom reifen über das Versuchs- und Ex-
perimentirstadium hinausgewachsenen Stil auch größere
und würdigere Aufgaben. Recht gut ist Josef Engel-
hart vertreten —unterdenSezessionistenderwienerischeste,
dessen eigenartige Individualität, in all den, Stürmen und
Drängen sich ungeschädigt erhalten hat. Er wirkt so
durchaus frisch und bezwingend, und als ein ganz
Eigener, dessen Note mit der Kraft der Persönlichkeit
wirkt. Sein Blick für das Unmittelbare der Er-
scheinung, seine Kunst die Bewegung in ÜLArnnti
festzuhalten, neben seiner virtuosen, an den Franzosen
und auch ein wenig an den Spaniern gebildeten
Koloristik zeigen sich an der „Sängerin", „Der rothe
Hut" und an ein paar feinen Pastellen. Rudolf
Iettmar hat ein großes Bild „Die Parzen" aus-
gestellt, das in der Zeichnung vortrefflich, aber etwas
akademisch anmuthet, im Kolorit aber sich ein wenig
veraltet ausnimmt, und als solides Galleriebild doch
in diese moderne Ausstellung nicht recht hineinpassen will.
Ueber Gustav Klimt's „Wasserschlangen" ließe
sich wieder so viel für und wider anführen, daß es zu
einem künstlerischen Streitobjekt alle Qualitäten besitzt.
Zweifellos ist ein ebenso feiner Farben- als Formen-
sinn hier zu künstlerischem Ausdruck gelangt, wobei
freilich die Komposition — wie fast immer bei Klimt —
unter der eigenartigen Willkür des Künstlers schlecht
wegkommt. Die Gesammtwirkung bleibt denn auch
eine malerisch-dekorative, die durch (Qualitäten fesselt,
ohne dabei die Wirkung eines echten Kunstwerkes zu
erzielen.
Sehr bemerkenswerth scheint mir Maximilian Lenz'
„Idunasäpfel". Der Künstler hat einen zarten und an-
muthigen Akt mit einem, bloß über die Schultern ge-
legten, sich auf die große Bildfläche weithin ausbreiten.
 
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