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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 17
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstbericht
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Rapsilber, M.: IX. Ausstellung der Berliner Sezession
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26H

Die Kunst-Halle.

Nr. s?

übrig. Zudem fehlt den Porträts jeder Stil, es ist ein
unsicheres, zerfahrenes Tasten. Zm Gegensatz dazu
lernt man bei der Kollektion Hugo König ff eine in
sich gefestigte, abgeschlossene Persönlichkeit kennen.
Seine Madonna, das Hauptstück der kleinen Serie, ist
voll zarter, melancholischer Poesie, seine jungen Mädchen
sind liebliche, ein wenig blasse, müde, schwermüthige
Geschöpfe, auf denen der reife Frühling liegt und
hinter deren Gesichtern der Kampf einer unerkannten
Welt lauert. — Auch der Freiburger Maler Prof.
Karl Heffner ist mit einer Kollektivausstellung ge-
kommen. Er zeigt uns ganz brillant gemalte Land-
schaften. Das ist noch einer von den wenigen, die
mit Dichteraugen in die Landschaft hineinschauen und
sich nicht mit der nächsten besten Moorwiese als Motiv
zufrieden geben. Gr sucht, und nur wahrhaft reizvolle
Gegenden hält er mit einem gleichsam vibrirenden
pinsel fest. Mit besonderem Glück malt er weite
Wasserflächen, denen er ein blitzendes Gefunkel und
Geflimmer, eine zitternde Bewegung zu verleihen weiß.
Zn dem kleinen Salon Krause hat sich gleichfalls
ein Landschafter eingefunden, Ludwig Kuba. Zwar
sehen wir neben den Landschaften des Künstlers noch
allerlei anderes munteres Zeug, Stillleben, Porträts,
Genre, aber zweifellos merkt man sogleich: der Mann
ist Landschafter durch und durch. Zn den flott hin-
gesetzten Studien, die ihre Motive bayerischen und
böhmischen Gegenden entnehmen, zeigt sich eine lineare
und koloristische Gewandtheit, die einen erstaunen macht.
Blos möchte man dem talentirten Künstler rathen, nicht
zu weit zu gehen in einer übertriebenen und doch recht
wohlfeilen Effekthascherei und Virtuosenhaftigkeit.
Bei Helbing, wo sich jüngst die Münchner
Graphiker mit schönen Leistungen zusammenfanden,
stellt nun das Künstlerpaar Oskar und Läcilie Graf
seine tüchtigen Radirungen aus und findet damit all-
gemeinen Beifall, im Künstlerhaus arrangirte jüngst
der rührige akademische Verein für bildende Kunst eine
Ausstellung von Werken des genialen Zeichner-Philo-
sophen Willi Geiger und läßt gegenwärtig eine
Kollektivausstellung des Landschafters Heinrich Gräfe
folgen; im Kun st verein endlich hat sich in den letzten
Wochen viel reges Leben gezeigt, Kollektionen, von
Samberger, von dem eigenartigen englischen Kari-
katuristen Nicholson, die interessanten Porträts der
Schlastänzerin Magdelaine, die Albert von Keller
geschaffen, eine Radierserie von Whistler und nun eine
sehr gelungene Ausstellung von Originalen der
„Fliegenden Blätter". Da finden wir sie alle, die
alten und neuen Münchner Humoristen, den prächtigen
Oberländer, den wuchtigen Harburger, den gemäch-
lichen Hengeler, Schlittgen, der das fade Gesellschafts-
leben noch fader zu karikiren weiß, Lugen Kirchner,
der ein ganz vorzüglicher Spötter und Verlästerer des
philisterthums in jeder Gestalt ist, da ist der märchen-
sinnige Hermann Vogel, da sind Stuck's und T. T. Heine's
Zeichnungen, als sie noch für die „Fliegenden" arbeiteten,
und ihnen schließt sich die ganze große Schar tüchtiger
und fleißiger Mitarbeiter an, von denen jeder Einzelne
etwas zu sagen weiß und auf seine Art ein Stück
Lebenslust und derben Münchner Humors verkörpert.
Georg Zacob Wolf.


IX. Mrtellung Ser Zerliner §ere§5ion.

A^pvie diesjährige Ausstellung der Berliner Sezession
M unter einem günstigeren Stern als ihre
Vorgängerinnen. Zwar ist der Berliner An-
theil an dem geschickt gruppirten Ensemble bedauerlich
schwach und würzlos, das Ganze aber muthet in dem
ein für alle Mal gegebenen Rahmen und Programm
recht bedeutsam an, weil sich endlich wieder ein wohl-
ausgeglichenes Bild aller deutschen Sezessionen dar-
bietet. Man weiß, daß kleinliche persönliche Eifer-
süchteleien und der Unfehlbarkeitsdünkel Berliner Partei-
skribenten vor einigen Zähren einen Gegensatz und
klaffenden Riß zwischen Nord und Süd konstruirt haben,
so daß die Münchner Anlaß hatten, den grollenden
Achill zu spielen. Die Berliner waren arg isolirt und
hatten nun Mühe, selbst die kleinen Säle mit Halbwegs
sehenswerthen Bildern anzufüllen. Da der Bedarf aus
eigener Kraft nicht zu decken war, mußten Meisterwerke
aus älterer Zeit und fernen Zonen in die Lücken als
Renommirkulissen eingeschoben werden, und es dehnten
und blähten sich jene Schmieralien, in welchen die
Tharlottenburger Boheme eine höhere moralische Offen-
barung und das revolutionäre Genie halbwüchsiger
Faxenmacher anstaunte. Heuer ist all' dieser Plunder
samt den historischen Ladenhütern von der Bildfläche
hinweggewischt, weil man eben nicht nöthig hatte, die
Blößen mit Lumpen und Lappen zu drapiren. Ls ist
eine eigene Zronie der Umstände, daß die Sezession sich
für die Aufbesserung ihrer Bestände und Bezüge und
für die Aufmunterung der eingesackten Lebensgeister bei
ihren Gegnern zu bedanken hat. Die Münchner sind
wiedergekehrt und haben eine kleine, aber sehr schöne
Kollektion mit all' dem Sauber ihrer malerischen Hoch-
kultur beigesteuert, daneben xaradirt in einem be-
sonderen Raume die Münchner Künstlergruppe der
„Scholle", genialisch-schrullig und jugendfrisch. Ferner
kamen die Karlsruher, die Stuttgarter, die Weimarer,
Hamburger, offenkundig mit einer Auswahl bester
Arbeiten. Auch die Kolonie Worpswede ist vertreten.
Allerdings fehlen die Dresdner und Düsseldorfer gänz-
lich, wohl in der Annahme, daß sie hier nicht her-
gehöre und daß ihnen die große Berliner Ausstellung
ersprießlicher sei. Dagegen hat Paris wieder ein an-
sehnliches Kontingent gestellt. Diese Bilder sind sehr
erwünscht, einmal weil sie gut sind und zweitens weil
sie lehren, wie sehr wieder in Paris der gute Geschmack
und die Sorgsamkeit im Studium die Oberhand über
die wilde Skizze gewonnen hat. Endlich hat man sich
eine Gruppe dänischer Maler verschrieben mit einem
Sensationsbilde, dessen Neuartigkeit und Kühnheit einen
willkommenen Gesprächsstoff bildet. Lin paar Ztaliener,
Norweger, Schweizer, Russen rc. mag man sich noch
als Zugabe gefallen lassen. Dem Auslande ist diesmal
keineswegs der Platz an der Sonne eingeräumt, und
gewiß auch nicht zu viel Platz, nur daß eben der
Lharakter einer internationalen Ausstellung kleinsten
Kalibers gewahrt wurde.
Ueberblickt man in besagter Ausstellung die Reihe
der Berliner Arbeiten und stellt man gar Vergleiche
an mit den Leistungen anderer deutscher Schulen, so
wird man ein bohrendes Unbehagen nicht los werden,
so wird man abermals die Wahrnehmung machen, daß
Berlin für die Kunst kein günstiger Boden ist. So
vielgestaltig und reich verästelt das Münchner Kunst-
leben ist, so sehr auch tausenderlei Bestrebungen und
Gegensätze sich dort seither kreuzen, so fügt sich
das Einzelne doch zu einer höheren Einheit, zu
 
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