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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 11
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Thomas, Bertha: Londoner Kunstbericht
DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstbrief
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Die Aunst-Halle.

Nr. U

am meisten auf; zwei Werke, die sowohl hinsichtlich der
Technik, wie ihrer künstlerischen Tigenart selbst bei
denen Anerkennung erheischen, die der stark realistischen
Behandlung abgeneigt sind. In keinem der beiden
Bilder ist eine Spur von Schönheit, aber Pathos ohne
krasse Uebertreibung liegt in Tottet's Darstellung dreier
schwarzgekleideter Frauen, die vor einer niedrigen Fels-
wand sitzen, das fetzt ruhige Meer im Nucken. In
den Gesichtern der Trauernden, offenbar Mutter, Weib
und Tochter eines ertrunkenen Seemanns, ist eine
stumme, hoffnungslose Resignation ergreifend ausgedrückt.
Etwas diabolisch Anziehendes steckt in Maurer's Figur
einer mageren Person in grotesker Ballettracht, auf
deren groben Zügen weibliche Verschlagenheit mit
Frechheit gepaart sind. Wie wir hören, sind diese
Bilder typisch für eine Kategorie, die im letzten Salon
Triumphe feierte, aber ebenso wie bei uns gewisse popu-
läre Akademiemitglieder, sind die beiden französischen
Künstler nicht frei von der Manier des Auffälligen,
wie zugleich einer auf photographische Reproduktion
abzielenden Mache. Kaum Anlaß zum verweilen giebt
Mon et's „Ko vk.jsnnkr", vor mehr als dreißig Jahren
gemalt; immerhin aber interessant als ein echtes Stück
Impressionismus aus ehrlicher Ueberzeugung und auch,
in seiner Art, vortrefflich ausgeführt Die Maler
Blanche, Raffaelli und Fritz Thaulow stehen unter
den fremden Ausstellern obenan. Der geschickte spanische
Maler Zuloaga, dessen Gruppenbildniß „Gallito und
seine Familie" in der Herbst-Ausstellung der Porträtisten
hervorragend unter den ausländischen Beiträgen war,
macht sich hier etwas gewaltsani bemerkbar mit zwei
Bildern „Kn Älot, Rlqnant" und „Oitaue et ?rnclalon86"
(Zigeuner und Andalusierin). Der grelle, dicke Farben-
auftrag mit übertriebenen Effekten, die theatralische
Behandlung der Motive würden fast unkünstlerisch wirken,
wenn uns der Künstler nicht durch die außerordentliche
Lebendigkeit und Frische der Darstellung einigermaßen
mit diesen Erzeugnissen seines Pinsels versöhnte. In
direkt entgegengesetzten Bahnen, mehr in orthodoxer
Richtung, bewegt sich der Däne Hammershof, der
mit einem „Interieur" in holländischem Stil, doch
modern gehalten, Erfreuliches bietet, — angenehmer,
klarer Farbenton, fast zu ruhig, aber eine sehr sym-
pathische Behandlung des denkbar einfachsten Motivs.
Dieselben seltenen Vorzüge finden wir an einer zart-
gestimmten Landschaft von ihm. Unter den Deutschen,
die sich betheiligt haben, ist Franz Stuck vertreten,
mit einer „Pieta" und einem „Kentaur". Zu dein
Sehenswerthesten der Ausstellung gehört eine Kollektion
von ausgezeichneten Aquarellen und graphischen Blättern
in großer Mannigfaltigkeit, vom Ausland haben
Theodore Noussel, Felicien Rops, Max Klinger
und Professor Liebermann in hervorragender Weise
dazu beigesteuert. England hat auf diesem Gebiet recht
wenig von wahrhaft künstlerischem Werth aufzuweisen.
Daß dem so ist, wird meist dem Publikum und der Royal
^oaäemy zur Last gelegt, die es an Interesse und Er-
muthigung fehlen lassen. Doch liegt der Grund wahr-
scheinlich tiefer — darin, daß bei uns die hierfür nöthige
echte Begeisterung und künstlerische Feinfühligkeit, selbst
in den Kreisen der Künstler, etwas Seltenes sind.
Jedenfalls sind hohe Bestrebungen in dieser Art Kunst-
übung bedauerlicher Weise nur in sehr beschränktem
Maß hier zu finden.
(Schluß folgt.)


Mnckner Auncklmef.

elbing hat eine Reihe ungarischer Künstler in
seinen Salon gebeten, nun schaut uns diese
nationale Kunst ein wenig trübselig von den
Wänden herunter an. Es wäre um Ungarn wirklich
schlecht bestellt, wenn es keine besseren Werke auf-
zuweisen hätte, keine schärfer geprägten Künstler-
individualitäten als diese. Die 76 Werke lassen recht
kalt, von nationalem Kunstempfinden kann — von Äußer-
lichkeiten abgesehen — wohl kaum die Rede sein; ich
nehme vielleicht ein paar Banernporträts aus, aber
sonst könnte jedes dieser Bilder gerade so gut in Berlin,
Darmstadt, Brüssel oder München gemalt sein. So
kann man denn hier von ausgesprochener nationaler
Kunst nicht reden und damit geht auch der innere Zu-
sammenhalt der ganzen Kollektion verloren, es bleibt
somit nur eine rein äußerliche, wahllos zusammen-
gewürfelte Masse mehr oder weniger großer Leinwänden
und Plastiken, von denen jedes einzelne Stück unab-
hängig von: andern ist. Am besten gehen die Porträts,
in denen steckt eine tüchtige Portion Rasse und Glut.
Da zeigt sich zuweilen blitzartig die chevalereske Gran-
dezza des Ungarn. Boruth und Ludwig Mark müssen
hier genannt werden, Boruth ist mehr zurückhaltend,
Aristokrat, Mark dagegen inalt seine Damenbilder tüchtig
„paprizirend" — mit besonderem Nachdruck die sinn-
liche Seite in der Natur der Frau unterstreichend, etwa
wie dies bei uns Lenbach mit so großer Bravour zu
machen versteht. Gemalt sind die Bilder von Mark
brillant, das Nämliche gilt von Karl Kernstock's merk-
würdig faszinirendem Familienbild (Dame mit einem
Knaben). Derselbe Künstler hat ein schwüles Genre-
stück großen Formats da: „Im Garten" — zwei Ge-
stalten, die in heißem Liebeskampf ringen, und auf die
die Iulisonne versengend niederbrennt. Technisch fast
vollkommen, vermag einen das Bild doch nicht zu er-
freuen, es fällt einem wahrhaftig auf die Nerven.
Interessant ist das Doppelporträt „Meine Eltern" von
Nippl-Ronai, zwei verhärmte, wetterfeste Alte mit Ge-
sicbtern voll Müdigkeit, gebrochen vom harten Kampf
dör Entsagung und Noth — sonst erwähne ich noch
die großzügige Herbstlandschaft DanielMihalik's, Edmund
von Kasziany's echt ungarische, feurige Serpentintänzerin
— eigentlich das echteste Bild in der ganzen Aus-
stellung, frisch und flott heruntergemalt, Oskar Glatz'
„Badende Kinder", das schöne Problem des Zusammen-
stimmen nackter, weißer Kinderleiber, des blauen Meeres
und der grellen Sonne darüber, endlich noch des viel-
gerühmten Fülöp Läszlos mit viel Geschicktheit ge-
malten Porträts des alten General Arthur Görgey.
Der Rest — darunter auch die ganze von fünf ver-
schiedenen Künstlern vertretene Plastik — ist Schweigen.
Und zwar gründlich! —
Was zeigen uns dagegen die Münchner? Gerade
nicht viel. Heimann hat immer noch die alte Kollektion,
nur einige neue Stücke sind dazu gekommen, aber doch
zu werthlos, um sie einer kritischen Betrachtung zu
unterziehen, Krause hat uns die Bekanntschaft zweier
junger Künstler vermittelt — ein lobenswerthes Streben
dieses kleinen Kunstsalons, der für unser Kunstleben
schon manches Ersprießliche geschaffen hat. Die zwei
Künstler, von denen jeder mit einer Kollektivausstellung
erschien, heißen Treumann und Gino Parin. Der
Erstere, der uns vorwiegend Landschaften zeigte, ist
entschieden der Tüchtigere, in ihm steckt das Zeug zu
etwas Bedeutendem; Parin arbeitet mir etwas zu rasch,
seicht, oberflächlich, ein wenig zu kitschig, wenn ich auch
 
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