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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 12
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Wolf, Georg Jacob: Von Münchner Kunst
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Rapsilber, M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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Nr. (2

Die K u n st - H a l l e.

(83

ist irgend etwas in diesen Bildern, was uns fesselt,
was unsere Sehnsucht nach den Beizen der deutschen
Landschaft, unser Naturgefühl erwachen macht, wir
denken unwillkürlich an Karl Haider und Hans Thoma,
die die Landschaft in ähnlicher weise nach ihrem
Sinne gestalten. Weil man weiß, daß gerade eine
übergroße Liebe zur Natur diese Künstler zu einein
nicht selten naturwidrigen Uebertreiben veranlaßt, so
verzeiht inan ihnen nicht nur, sondern spendet ihnen
freudiges Lob. Wan muß Steppes wohl mit Thoma
und Haider zusammen nennen, wenn er ihnen auch
technisch natürlich noch unterlegen ist. Ihm fehlt nicht
nur die rein malerische Wirkungsfähigkeit der beiden
anerkannten Weister, ihm mangelt auch Thoma's
idyllischer Weltanschauungshumor und Haiders feier-
liche, in wallenden Gewändern einherschreitende
Majestät. Gleichwohl aber begrüßen wir erfreut in
ihm einen erfolgreich aufstrebenden, spezifisch deutschen
Künstler, von dem wir gewiß noch viel erwarten
dürfen.
Neue Arbeiten haben außerdem noch Kuschel, der
geschickte Nachempfinder Böcklin'scher Stimmungen,
Wilhelm Diez, der mit Meisterschaft von dem wilden
Treiben der räuberischen Soldateska zu erzählen weiß,
Messerschmitt, Geffcken u. a. gebracht. Von Böcklin
sieht man eine sehr frühe, nur halb vollendete heroische
Landschaft mit allen, hier hauptsächlich in der groß-
zügigen Anlage sich aussprechenden Vorzügen des Alt-
meisters, War Liebermann hat eine rasch hingesetzte,
markante Arbeiterfigur da (Bleistiftzeichnung), auch
Lenbach hat einige bisher noch nicht bekannte Arbeiten
hergegeben, darunter ein schon mehrere Jahre altes
Porträt der Saharet in ganzer Figur. Gefreut hat es
mich, auch wieder einmal von Stuck etwas ganz Ge-
lungenes zu sehen: eine Nymphe, die dem schmachtenden
Gesang eines Fauns lauscht. Der feinprofilirte Kopf
und die schmucke, schlanke Gestalt der sinnenden
Nymphe heben sich ausdrucksvoll von dein braunen
Dunkel des Hintergrundes ab, der Himmel strahlt, in
dein sonnigen Blau, das Stuck nut eminenter Keckheit
und Virtuosität hinsetzt. —
Auch in ein paar anderen Kunstsalons sieht man
Neues und Interessantes. Heinemann hat Schule gemacht,
bei allen unseren Kunsthändlern ist der lobenswerthe
Ehrgeiz wach geworden, auch ihrerseits sich um das
Münchner Kunstleben verdient zu machen. Helbing
zeigt uns neben den alten Prunk- und Zugstücken seiner
Gallerte eine Serie von Mriginalradirungen Millet's
und Whistlers, namentlich was wir vom Weister von
Barbizon sehen, ist von rassiger Schönheit, wenn es
auch dem Kenner Willet's nicht viel Neues zu sagen hat.
Im Kunstsalon wind hager sieht man eine
Kollektion voii Werken des Ungarn Tarl Iosza, der
hier in München ansässig ist und in Paris seine Lehr-
jahre verbracht hat. Seine Kunst, die sich im Großen
und Ganzen in der Nähe der Druckerschwärze aufhält
(wir haben eine Anzahl guter Illustrationen in Münchner
Blättern voll ihm gesehen), vereinigt Münchner und
pariser Eindrücke in sich, von Willette hat er die
spielende Grazie gelernt, von eich. Th. Heine die
Groteske der Linie und die breite, flächige Behandlung
der Farbe, die eigentlich in dem durchsichtig-feinen Auf-
trag gar keine Farbe mehr ist.
Zuletzt )oll noch der Ausstellung in unserem
Kupferstichkabinet gedacht sein. Mail hat in die
reichen Bestände des Instituts hineingegriffen und uns
das halbverschollene Lebenswerk einiger Alt-Münchner
Künstler wieder vor Augen geführt. Es ist still in
dieser Sammlung, man hört nicht den Lärm und das

Hasten, das durch die Räume unserer großen Aus-
stellungen jagt. Gott, was kümmert sich der Kunst-
rouö um die Hanfstängl, Heinlein, Philipp Foltz und
andere Künstler aus den Zeiten Ludwig I.! Darüber-
sind wir hinaus, denkt er sich. Und er mag recht
haben, insofern als auch ein Baum über die Wurzeln
„hinaus" ist. Die stillen, bescheidenen Leute der 30er
uild Wer des (()- Jahrhunderts waren die Ackerer
unseres Münchner Kunstbodens, mögen sich das alle
die gesagt sein lassen, die für fleißige Künstler mit ver-
gessenen Namen nur ein Achselzucken haben. Ich für
meinen Theil bin mit stiller Heiterkeit und viel Genuß
durch die kleine Ausstellung gegangen.
Georg Jacob Wolf.
W

M Scn Aerliner Aunskzlonr.
^^I^^lederum wird uns eine bedeutsame Kundgebung
aus der Künstlerkolonie Worpswede zu Theil.
Der auch als Nadirer bekannte Maler Halls
am Eilde hat im Salon von Keller äi Reiner eine
Sonderausstellung veranstaltet, die sich in der Haupt-
sache aus großen Landschaftsbildern zusammensetzl. Be-
greiflicher weise spielt die Szenerie der Bilder in Moor
und Haide, in Wald und Niederung, wie es bei den
Worpswedern nun schon seit zehn Jahren hergebracht
ist, und seit dieser Zeit beobachten wir an dieser Künstler-
gruppe eine wundervolle Stetigkeit in der Entwicklung,
im Ausreisen natürwüchsiger Schönheit, in der Noblesse
eines an der Scholle haftenden Stils, wobei doch der
Einzelne seine Persönlichkeit in keiner weise gefährdet
sieht. Neuerdings streben die Worpsweder, die wohl von
Anfang ail niemals die Studie und die Impression
höher als das Bild bewerthet haben, vorzugsweise die
große Haltung uild eine gewisse Idealisirung ihrer
Motive ail. Das äußert sich nicht blos in dem Riesen-
format der Gemälde, das hie uild da gegen die heutige
Gepflogenheit der intimen Kabinetmalerei merklich und
auffallend absticht, sondern auch in der Hervorkehrung
dekorativer Wirkungen und in der Art, wie gerade
Hans am Ende, der immer seine besondere Neigung
für das Poinpöse hatte, auf die monumentale Land-
schaftsstimmung hinarbeitet. Man sieht daran, wie alle
Evolutionen und Revolutionen in der Kunst naturgemäß
dahin zurückkehren müssen, voll wo sie ausgegangen.
Das Grundwesen der Kunst ist das von Ewigkeit her
Gegebene, nur die äußere Einkleidung uild die stilisirende
Geschmacksrichtung ist das geistige Eigenthum jeder
neuen Epoche. In den Mittelpunkt seiner neuen Werke
hat Hails am Ende ein rieseilgroßes Bild der Herbst-
pracht gestellt und gerade dieses zeigt am deutlichsten,
auf welches Ziel das idealisirende Streben der abseits
schaffenden niederdeutschen Kolonie gerichtet ist. Das
Format ist hier offenkundig ein Refler der künstlerischen
Größe, die nach dem Ausdruck des erhabenen Absterbens
in der Natur suchte. Im Sumpf schwimmen die
braunen Blätter, blntrothe Brombeerranken umspinnen
deil stillen Grt, der von einer mächtigen Buchengruppe
bestanden ist. Die Abendlichter spielen über die ver-
schleierte Ebene uild umglühen die Buchen, dunkel steht
ein im Buschwerk verstecktes Haus gegen das ver-
gieißende Licht und im erstell Dämmerungszauber ge-
 
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