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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 23
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Jahresausstellung im Glaspalast
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Rapsilber, M.: Grosse Berliner Kunstausstellung 1904: V. Die Plastik
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Nr. 23

Die Aunft-Halle.

359

ruhe" zittert die schwere Schwüle des gewitterschwangeren
Sommertags, die bleierne Müdigkeit der Erntearbeiter,
die im niedrigen Schatten des Kornfeldes sich ausstrecken
zur kurzen Ruhe, hat uns der Maler recht glaubhaft
gemacht. Dagegen ist es Adolf gering, der uns die
bereits etwas abgegriffene Romanphrase „De letzte
Jung" erzählt, nicht gelungen, uns von der Wahrheit
dieser Geschichte Zu überzeugen. Meines Erachtens
eignen sich solche ans Gräßliche grenzende Motive über-
haupt schlecht für die bildende Kunst. Auch über Hans
Kobersteins technisch gut gelungenes Aquarell „Reigen"
habe ich mich geärgert. Er hätte seinen zierlichen
Mädchenakten, die mit bottioellihafter Grazie in bunter:
Wiesen Hüpfen, nicht diese wüsten Modellköpfe aufsetzen
dürfen. Das Aquarell Karl Breitbach's „Alte Mühle
in promontogne" ist ein freundliches Bild, das jeder
gern in sein Zimmer hängen möchte, um aus dieser
quellfrischen Naturbetrachtung sich dauernden Genuß zu
holen, auch Konrad Lessing's und Hans Licht's
Landschaften mag man sich gern gefallen lassen.
Gehören die bisher Genannten dem „Verein
Berliner Künstler" an, so sind die folgenden Mitglieder
der „Vereinigten Klubs Berlin". Karl Wendel's
„Sommerlust" ist ein Bild voll Farbe und Leben, bloß
die Luft ist nur etwas zu dick und sauoig, Julie Wolfthorn's
„Hilde" ist der richtige Backfisch, naiv und kokett zugleich,
Paul Höniger's „Wäscherinnen" zeichnen sich durch leb-
hafte Bewegung, durch Licht und Farbe aus. Müller-
Münster hat ein historisches Bild da, eines der wenigen
in der Ausstellung. Diese Landsknechte sind im Detail
sehr tüchtig, aber zu einer lebendigen Gesammtwirkung,
wie sie etwa Franz Skarbina's oberpfälzische Kirch-
weih, dieses lustige, farbenfrohe Bildchen, auszeichnet,
kommt der talentirte Künstler nicht. Schließlich sei noch
auf eine Seelandschaft Adelsteen Normann's hinge-
wiesen, die vollendet wäre, wenn der Künstler mit dem
Preußisch-Blau besser gespart hätte. Die zwei Berliner
Radirergruppen halten sich tüchtig.
Die Düsseldorfer haben arg enttäuscht, H. E.
Pohle's „Zm park" ist Pose und Theater, dazu eine
Beleuchtung wie von tiefblauem Rampenlicht, Walter
petersen's Porträt seiner Frau tritt viel zu prätentiös
auf. Eulenburg, der zweifellos ein tüchtiger Maler
reißender Raubthiere ist, hätte diesen Daniel in der
Löwengrube besser nicht malen sollen. Wer einen guten
Eindruck von dein Künstler gewinnen will, der wird sich
also mehr an seine sonstigen Löwen und Tiger halten
müssen. Fritz Schnitzler malt in Stil und Geschmack
der alten, guten Düsseldorfer Schule einen freundlichen
und liebenswürdigen „Besuch im Schafstall", Heinrich
Schwiering hat ein stark rührseliges, aber an malerischen
Qualitäten reiches Stück „Die Reue" geschickt; Ernst
pfannekuchen's repräsentables Herrenporträt, Hugo
Mühlig's buntes Hühnervolk, und seine anspruchslosen
und freundlichen Aquarelle, endlich die Landschaften
von Heupel-Siegen und Zungheim halten sich auf
dem weg passabler und gewohnter Tüchtigkeit. Ein
Machwerk wie Hermann Grimm's „Mittagsruhe an
der Wasserkante" aber hätte die Zury unbedingt zurück-
weisen müssen
Zn der Karlsruher Gruppe dominirt Ferdinand
Keller; die ausgestellten Bilder, es sind auch mehrere
Landschaften im Böcklinischen Stil darunter, zeigen den
Künstler durchaus auf bekannten wegen. Neben ihm
treten nur noch Propheter, Göhler, Hohlmann und
Max Frey etwas kräftiger hervor.
von den Stuttgartern und Württembergern nenne
ich Fritz Zundel mit seinen drei Arbeiterbildnissen, die
mir noch lieber wären, wenn die Tendenz etwas weniger

scharf zum Ausdruck käme, L. E. Rath's elegante Por-
träts, die namentlich durch raffinirte Farbenkunststücke
zu einer pikanten koloristischen Wirkung kommen, und
die tüchtigen landschaftlichen Leistungen von K. Schick-
Hardt und Erwin Starker. Ein frischer, traut- heimat-
licher Geist waltet über der kleinen schleswig-holsteinischen
Gruppe. Rasch erzählt von dem Uferleben an den
Kanälen seiner Heimat, Alberts breitet vor uns die
entzückende violette Pracht einer blühenden Hallig,
Zessen und Lharlotte Krogh führen in die traulichen,
freundlichen friesischen Bauernstuben und Nissen zeigt
uns ein Haus, das wie Dornröschens Schloß, von blühen-
den Rosenranken eng umschlossen ist. Arbeiten von
Kall morgen, Burmester und Westphalen vervoll-
ständigen die kleine, nichts destoweniger vorzügliche
Kollektion der Schleswig-Holsteiner.
Die Glasgower und Edinburgher Künstler sagen
uns auch Heuer nichts Neues, man geht gelangweilt
durch ihre Säle. Ab und zu ein glatt und freundlich
gemaltes Bildchen, das sich für ein Boudoir nicht übel
eignen mag, weiter nichts. — Bei den Amsterdamern
fallen Berkemeier's „Straßenbild", Breman's
„Morgensonne", Hanau's Landschaft und die zwei
Rahmen mit Radirungen von Dingemans auf.
Ueberrascht haben mich die Ztaliener. An dem
Maßstab italienischer Ausstellungen gemessen, ist das,
was man hier zu sehen bekommt, eine Elite. Zn
Pellizza's Bildern ist eine Ruhe und Tiefe, eine gemüth-
volle Znnigkeit, wie man sie den Ztalienern gar nicht
zutrauen möchte. Fast will einem scheinen, als dränge
die Kenntniß Segantini's nun bei seinen Landsleuten
doch allmählich in der nämlichen weise durch wie bei
den Franzosen und Deutschen. Laurenti's „Fischers-
frau", die ins stürmische Meer hinausstarrt, ist mit leiden-
schaftlicher Kraft aus der Leinwand herausgehauen,
Bal la's „Pfad" wirkt wie ein lebendig gewordenes
Stück einer feinen Novelle, Tairati's „herbstlicher
Wald" ist von eigenartig melancholischem Reiz. Natür-
lich fehlt auch die unvermeidliche venetianische Nacht
nicht — Buzzi hat sie gemalt, — aber man muß dies-
mal gestehen: sie ist besser als ihr Ruf.
Georg Zaoob Wolf.

ßrorre Miner Aunrtsutttellung IM.


V. Die Plastik.
Herren Bildhauer werden sich nicht mehr be-
klagen dürfen. Es ist ihnen alle Gerechtigkeit
widerfahren und die Genugthuung geworden,
daß die Bildwerke, die ja bislang auf den großen
Ausstellungen wie die Stiefkinder behandelt wurden,
nunmehr geradezu als Schoßkinder gehalten werden.
Zn der That ist jetzt in den Sälen, in welchen vorzugs-
weise die Plastik zur Schau gestellt wird, das höchste
Maß von dekorativem Aufwand in die Erscheinung
getreten. Die ganz natürliche Folge davon ist, daß
den Bildwerken eine liebevollere Aufmerksamkeit zu
Theil wird, daß nun auf einmal eine ganze Reihe von
jüngeren Bildhauern von den Laien sowohl wie von
den Kritikern „entdeckt" wird. Gewiß haben die öde
getünchten und ungegliederten Säle und Hallen mit
der gipsernen Kunstwaare in den früheren Zähren von
 
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